1000 Tage Rosenheimer Stadtrat

von Redaktion

Kitas, Wohnen, Energie und der ÖPNV – Rosenheims Stadträte äußerten sich beim Gespräch zur Halbzeit ihrer Amtszeit zu den drängendsten Themen. Dabei gab es viel Einigkeit. Andreas Kohlbergers Statements wurden von einigen Protesten begleitet.

Rosenheim – Die Zeit wurde gestoppt, als Stadtrat Andreas Kohlberger etwas rüde unterbrochen wurde. Das „Guten Abend“ schaffte er noch, dann übernahmen die jungen Menschen kurz die Bühne. Hinter einem großen Transparent mit der Aufschrift „Gemeinsam gegen rechte Hetze“ klärte ein junger Mann mit einem Megaphon – das es freilich nicht gebraucht hätte, die Stimme war laut genug – das Publikum über Kohlbergers Missetaten der jüngeren Vergangenheit auf. Die jungen Menschen wurden freundlich aber bestimmt in Richtung Ausgang geschoben und Kohlberger murmelte „Danke, auf Wiedersehen.“

Zwei Minuten
pro Antwort

Neben Andreas Kohlberger waren auch Herbert Borrmann (CSU), Peter Rutz (Bündnis 90/Die Grünen), Abuzar Erdogan (SPD), Robert Multrus (Freie Wähler/UP) und Maria Knott-Klausner (FDP) der Einladung zu „Kirche im Gespräch – 1000 Tage im Amt: Blick in die zweite Halbzeit” am Freitagabend in die Stadtteilkirche Rosenheim „Am Zug“ gefolgt und stellten sich den wichtigsten Themen Rosenheimer Stadtpolitik. Jeder hatte für seine Antworten jeweils nur zwei Minuten Redezeit, die meist recht großzügig ausgelegt wurde.

Durch das Stoppen der Zeit hatte auch Kohlberger seine zwei Minuten, brauchte sie aber nicht. Nach gut 40 Sekunden war er fertig, viel zu sagen hatte er nicht. Das war bei den anderen politischen Vertretern durchaus anders: Herbert Borrmann verdeutlichte die Problematik, dass Rosenheim eben eine der flächenmäßig kleinsten Kreisfreien Städte in Bayern ist. Die Lösung liege für ihn vor allem in der Höhe. Nachverdichtungen und eben wenn möglich ein Stockwerk mehr. SPD-Fraktionssprecher Erdogan sah vor allem die städtische Wohnungsbaugesellschaft (GRWS) als das geeignete Mittel der Wahl. Das Vorbild Wien zeige wie ein hoher Anteil an Genossenschaftswohnungen die Mieten dauerhaft senke. In Wien sind etwa 30 Prozent der Wohnungen im Besitz von Genossenschaften, in Rosenheim etwa zehn Prozent. Diesen Anteil gelte es zu erhöhen. Dass Wien dabei etwa 100 Jahre zeitlichen Vorsprung hat – geschenkt.

Aber Erdogan sprach sich auch für eine Erweiterung des Rosenheimer Modells aus, dass der Stadt die Möglichkeit gibt sich Grundstücke vorzeitig zu sichern oder bei Wohnungsbau einen geförderten Anteil sicher zu stellen. Dies soll nach dem Willen Erdogans auch bei Nachverdichtung möglich sein. Peter Rutz von den Grünen stimmte dem zu und forderte ein großangelegtes städtebauliches Konzept. „Wir bleiben immer auf den Folgekosten sitzen“, erklärte er. Kitas und Schulen etwa müssten dann nachträglich durch die Kommune geplant und finanziert werden.

Robert Multrus wies darauf hin, dass mal eben ein Stockwerk drauf setzen in der Theorie sehr einfach klingt, aber oft die Anwohner weniger begeistert wären. Einig waren sich alle Beteiligten, dass es zu lange dauern würde bis Flächen dann endlich bebaut werden. Knott-Klausner nannte etwa die Innstraße, wo seit fünf Jahren geplant wird und immer noch nichts geschehen sei.

Kitas haben
höchste Priorität

Auch die anderen Themen wie etwa die Situation der Kitas trafen auf viel Einigkeit. Mehrfach waren die Worte „höchste Priorität“ und auch „Das können wir als Kommune nicht lösen“ zu hören. Erdogan kündigte einen gemeinsamen Antrag mit der CSU-Fraktion an, für Kitapersonal Werkswohnungen durch die GRWS anzubieten, um mehr Erzieher für die Krippen, Kindergärten und Horte zu gewinnen. Borrmann gab zu, dass die Stadt – sowohl Verwaltung als auch Politik – da einiges nachzuarbeiten hätten. Aber Platz könne man schon schaffen, beim Personal sei das schwieriger. Er stellt sich kurzfristige Lösungen vor, etwa dass die erzieherische Kompetenz der Eltern mehr genutzt werde.

Andreas Kohlberger durfte gar nichts sagen – vorerst jedenfalls nicht. Die Protestierenden hatten sich auch ins Publikum gemischt und sorgten mit Trillerpfeifen für einigen Lärm. Kohlberger murmelte etwas von Demokratieverständnis und als die jungen Menschen, dann den Saal verlassen hatten sagte er: „So viel zur Jugend von heute.“ Viel mehr zu sagen hatte er nicht, Erzieher sollten besser bezahlt werden, erklärte er. Das liegt allerdings am Tarifvertrag und nicht in der Hand der Kommune.

Einigkeit herrschte auch bei den zwei anderen großen Themen: Der Energieversorgung und dem ÖPNV. Bei Ersterem sei man hervorragend aufgestellt – auch wenn es Nachholbedarf gebe wie etwa bei der Photovoltaik, wie Maria Knott-Klausner anmerkte. Bei Letzterem gebe es schon mehr zu tun. Laut Stadtrat Erdogan wären nur sechs Prozent der täglichen Strecken in Rosenheim – sprich Arbeits- oder Schulwege – mit dem Bus zurückgelegt, viel zu wenig. Eine bessere Taktung, mehr Querverbindungen und mehr Öffentlichkeitsarbeit. Bis auf Andreas Kohlberger waren auch alle Stadträte froh durch den MVV-Beitritt ein besseres Tarifsystem zu bekommen. Kohlberger fürchtet, dass durch den MVV-Beitritt Rosenheim näher an München rücke und dadurch die Lebenshaltungskosten steigen würden.

Fortbestehen von
Karstadt ist möglich

Bei den Publikumsfragen ging es – wie sollte es nach vergangener Woche anders sein – auch um Karstadt. Und da hatte Herbert Borrmann etwas zu verkünden: „Ich denke, da gibt es eine positive Nachricht in den nächsten Tagen.“ Woher er seine Informationen hat, wollte Borrmann nicht preisgeben. Es ist allerdings davon auszugehen, dass er sowohl in Rosenheims Verwaltung gut vernetzt ist, als auch bei Karstadt, wo er lange gearbeitet hat.

Die Situation um Karstadt ist auch deshalb recht kompliziert, weil der Laden in Rosenheim drei verschiedene Eigentümer hat, wie Erdogan erklärte. Mit zwei von dreien herrsche nach seinen Informationen bereits Einigkeit über das Fortbestehen des Kaufhauses, erklärte Borrmann gegenüber dem OVB.

Artikel 2 von 11