Flaute im Lehrschwimmbecken Am Nörreut

von Redaktion

Offener Brief der Vereine und Schulen an Politiker – Diskussion in nächster Sitzung

Rosenheim – Die Botschaft ist unmissverständlich: Das Lehrschwimmbecken Am Nörreut soll abgerissen und neu gebaut werden. Das fordern Lehrer, Eltern, Abteilungsleiter und Vereinsvorsitzende in einem offenen Brief an die Stadträte. Auf drei Din-A4-Seiten haben elf Unterzeichner Gründe zusammengefasst, warum an einem Neubau kein Weg vorbeiführt.

Da wären zum einen die Zahlen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), die eine Befragung zur Schwimmfähigkeit der Bevölkerung durchgeführt hat – „mit alarmierenden Ergebnissen“. So habe sich die Zahl der Grundschulkinder, die nicht schwimmen können, seit 2017 verdoppelt. Zudem geht die DLRG anhand der Angaben zu der Anzahl der abgelegten Schwimmabzeichen davon aus, dass derzeit sechs von zehn Kindern am Ende der Grundschule keine sicheren Schwimmer sind. Auffallend sei außerdem, dass die Zahl der Nichtschwimmer in Haushalten mit niedrigem Nettoeinkommen deutlich steigt.

Unterricht
kommt zu kurz

„Auch vor diesem Hintergrund haben wir mit Sorge vernommen, dass der vom Stadtrat beschlossene Neubau nun doch auf der Kippe steht“, sagt Andreas Aigner. Er ist Sportlehrer am Sebastian-Finsterwalder-Gymnasium und kämpft schon seit Jahren für eine Lösung. Denn der Schwimmunterricht an seiner Schule kommt seit der Sperrung des Lehrschwimmbeckens zu kurz. Grund für die Sperrung vor fünf Jahren waren Feuchteschäden und daraus resultierende statische Mängel. Bereits 2019 sprachen sich die Stadträte daraufhin für einen Neubau aus. Im Investitionsprogramm der Stadt ist das Projekt mit Baukosten in Höhe von 16 Millionen Euro veranschlagt. „Zur Finanzierung wurden Fördermittel des Landes in Höhe von circa 2,9 Millionen Euro und Mittel des Bundes aus einem Sonderprogramm in Höhe von sechs Millionen Euro eingeplant“, sagte Pressesprecher Christian Baab bereits in der Vergangenheit auf OVB-Anfrage. Bei dem Bundesprogramm sei die Stadt jedoch nicht berücksichtigt worden. Wie es mit dem Lehrschwimmbecken Am Nörreut nun weitergehen soll, entscheidet sich in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Dienstag, 9. Mai, um 17 Uhr.

Wie wichtig ein Neubau ist, haben die elf Unterzeichner in ihrem offenen Brief deutlich gemacht. So stelle das Lehrschwimmbecken für das Sebastian-Finsterwalder-Gymnasium, die Johann-Rieder-Realschule, die Astrid-Lindgren-Grundschule sowie das Karolinen- und Ignaz-Günther-Gymnasium einen „zentralen Baustein für den Sportunterricht dar“. Seit der Sperrung könnten viele Klassen nur sporadisch zum Schwimmen gehen. Schüler, die den „langen Fußweg zum Hallenbad und zurück auf sich nehmen“, würden häufig nur auf 30 Minuten Schwimmzeit kommen – und das auf nur wenigen abgetrennten Bahnen.

„Das Freibad ist im Sommer durch die Mehrfachbelegung und den öffentlichen Badebetrieb so ausgelastet, dass effektiver Schwimmunterricht kaum möglich ist“, heißt es in dem offenen Brief. Hinzu komme, dass die Abiturkurse mit von der Stadt finanzierten Bussen in die noch verbliebenen, ebenfalls sanierungsbedürftigen Lehrschwimmbecken nach Westerndorf und Aising ausweichen müssen. „Aus schulischer Sicht wäre deshalb ein Erhalt des Standortes Am Nörreut von enormer Wichtigkeit“, sagt Andreas Aigner.

Auch die Rosenheimer Sportvereine sind von der Sperrung des Lehrschwimmbeckens betroffen. So sind beispielsweise die Trainingsmöglichkeiten der Ortsgruppe Rosenheim der Wasserwacht „extrem eingeschränkt“. Die Folge: Training und Ausbildung, die nötig sind, um die Sicherheit an den heimischen Gewässern auch in Zukunft zu gewährleisten, sind kaum unter einen Hut zu bringen. Ebenfalls betroffen von der Schließung sind die Schwimm- und Triathlonabteilung des TSV 1860 Rosenheim, der Kajak-Klub Rosenheim sowie der Behinderten- und Reha-Sportverein.

„Der Neubau des Lehrschwimmbeckens ist für uns alternativlos“, sagt Robert Multrus, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler/UP. Ziel müsse sein, dass die Rosenheimer Schulen in Zukunft wieder „einen ihrem Bildungsauftrag entsprechenden Sportunterricht“ gewährleisten können. Dazu gehöre Schwimmunterricht für Schüler aller Altersstufen. Hinzu kommt, dass Rosenheimer Sportvereine, die im Schwimmsport aktiv sind, und die Hilfsorganisationen ausreichend Trainingsmöglichkeiten benötigen. „Das Lehrschwimmbecken Am Nörreut ist aus unserer Sicht daher unverzichtbar.“

Ähnlich äußert sich die Rosenheimer SPD. „Dass mehr als die Hälfte der Grundschulkinder nicht sicher schwimmen können, ist alarmierend. Dieser Zahl kann nur entgegengesteuert werden, wenn wir ausreichenden Schwimmunterricht an den Schulen anbieten können, dafür sind drei Lehrschwimmbecken mindestens vorzuhalten“, sagte Fraktionsvorsitzender Abuzar Erdogan auf OVB-Anfrage. Das Lehrschwimmbecken habe auf der Liste der Investitionen für seine Fraktion die „oberste Priorität“. Und auch die CSU-Fraktion will „so schnell wie möglich“ ein neues Lehrschwimmbecken bauen. „Wir hoffen, dass die Stadt Rosenheim nach der Absage von Fördermitteln weitere Wege der Finanzierung findet, um den Haushalt zu entlasten. Unabhängig davon möchten wir aber schnellstmöglich handeln“, sagt CSU-Fraktionsvorsitzender Herbert Borrmann. Es sei wichtig, dass Kinder und Jugendliche ausreichend Schwimmunterricht erhalten. Gleiches gelte für Flüchtlingskinder aus der Ukraine oder anderen Ländern. Auch im Vereinssport gebe es zu wenig Trainingsmöglichkeiten.

Etwas differenzierter ist die Haltung der Rosenheimer Grünen. „Einerseits brauchen wir in Rosenheim dringend weitere Möglichkeiten, dass Kinder das Schwimmen lernen“, sagt Fraktionsvorsitzender Peter Rutz. Andererseits müssten auch Schwimmbäder ihren Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele leisten. Es brauche deshalb ein CO2-neutrales Bad.

Energieeffizienz
verbessern

„Für den Klimaschutz reicht es nicht aus, nur Energie einzusparen, sondern durch bauliche und technische Maßnahmen die Energieeffizienz zu verbessern“, sagt Rutz. Seine Fraktion werde den Neubau nicht verweigern, weist aber auch darauf hin, dass die Stadt „noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, Flächen in Bädern und öffentlichen Gewässern als Bade- und Lehrschwimmanlagen zu öffnen.“ Andreas Kohlberger, Fraktionsvorsitzender der AfD, ist ebenfalls für den Erhalt des Lehrschwimmbeckens. „Immer weniger Kinder lernen schwimmen“, sagt er. Das hätte zur Folge, dass es immer wieder zu Badeunfällen komme. „Die Sicherheit der Kinder sollte keine Entscheidung von Finanzen sein“, sagt er.

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