Rosenheim – An ihre eigene erste Bewerbung kann sich Magdalena Kicinski noch gut erinnern. „Ich war wahnsinnig aufgeregt“, sagt die Co-Leiterin der Kindertageseinrichtung Christkönig. Kicinski hatte ihr erstes Bewerbungsgespräch für ein Freies Soziales Jahr im Krankenhaus.
Vorbereitung
auf den Ernstfall
„Aber der Oberarzt und die Pflegedienstleistung waren supernett zu mir und das hat mich beruhigt.“ Sie könne sich deshalb gut in die Situation der jungen Jobbewerber hineinversetzen und verstehe es, wenn neue Bewerber erst mal schüchtern in der Tür stehen und kaum ein „Hallo“ herausbekommen. Inzwischen ist Kicinski eine der Personalchefs in dem Planspiel „Bewerbung“ an der Mittelschule Fürstätt.
Sozialpädagogin Gabi Futscher von „Pro Arbeit“ Rosenheim hat das Bewerbungsplanspiel an der Mittelschule bereits 1999 ins Leben gerufen. „Ich habe das Projekt an anderen Schulen gesehen und mir gedacht ‚Das ist toll!‘ Die Schüler können so die Realität üben und dann Feedback bekommen.“
Dabei stellen jedes Jahr sieben bis neun Mitarbeiter aus verschiedenen Firmen die Personalchefs dar, bei denen die Schüler sich bewerben müssen. Dieses Jahr nahmen unter anderem die Sparkasse, die Romed-Kliniken, die Kita Christkönig und der Mayr Faserverbund teil. Neben den Firmen halfen auch die Qualipaten bei dem Bewerbungsplanspiel. Diese „Bewerbung“ ist aber noch keine echte Bewerbung, sondern eine Vorbereitung für den Ernstfall. Anschließend bekommen die Schüler eine Rückmeldung darüber was gut gelaufen ist, wo sie sich verbessern können und ob sie eingestellt worden wären. Im Unterricht wird den Schülern zwar erklärt, wie eine Bewerbung funktioniert und sie werden zum Schreiben einer Bewerbungsmappe angeleitet. Doch die Übung kommt erst im Planspiel. Für die Schüler sei das so viel realistischer, so Futscher, sie sähen wie der Personalchef reagiert hat und können sich dann verbessern.
Das Projekt läuft schon fast ein Vierteljahrhundert und Futscher konnte den Wandel der vergangenen Jahre miterleben. „Früher haben die Eltern ihre Kinder mehr unterstützt“, sagt sie. Heutzutage wären die Kinder mehr auf sich allein gestellt, gleichzeitig stiegen die Erwartungen der Eltern an ihre Kinder. „Früher hieß es oft ‚ach das Kind wird Handwerker, passt schon‘ – heute wird oft verlangt, dass das Kind weiter zur Schule geht.“ Auch die Digitalisierung mache sich bemerkbar. Futscher sehe, dass mehr Schüler Schreibschwierigkeiten haben weil ihre Schrift mehr an die Chatsprache angepasst ist. Sie findet auch, dass die Aufmerksamkeit der Schüler unter dem häufigen Internetgebrauch leide.
Bei den Schülern kommt das gespielte „Bewerbungsgespräch“ allerdings sehr gut an. So hat sich einer der Schüler im Planspiel als Automobilkaufmann beworben. „Mir ging es sehr gut!“ sagte er über sein Bewerbungsgespräch. „Ein bisschen aufgeregt war ich zuerst schon, aber wenn man sich dann hineinsetzt, ist es leichter.“ Seine große Stärke sei, dass er sehr kommunikativ wäre. Schwächen habe er keine. „Ich bin stark“, sagt er.
„Man muss bedenken, das sind Pubertierende um die 15 Jahre“, sagt Sozialpädagogin Kathrin Spindler von „Pro Arbeit“. „Die müssen jetzt schon über ihren künftigen Berufsweg entscheiden, wo ein Abiturient noch mindestens drei weitere Jahre zum Überlegen hat.“ Dass das überfordernd sein kann, gerade in der Pubertät, sei verständlich. Trotzdem gäben sich die meisten Schüler selbstbewusst.
Werben für Beruf
in der Pflege
Kicinskis Wunsch ist, den Schülern einen Beruf in der Pflege näherzubringen. Natürlich besonders in ihrer Kita. Denn der Fachkräftemangel macht auch vor Kicinskis Kita nicht halt. Die Bewerberzahlen werden immer geringer. 2022 fehlten schon 100000 Erzieher, bis 2030 sollen es laut dem Deutschen Kitaverbands bis zu 230000 sein. „Die Wünsche vieler junger Leute haben sich sehr geändert“ meint Kicinski. „Homeoffice und flexible Zeiten sind sehr beliebt. Leider kann man Kinder nicht von zuhause aus betreuen.“