Bücherladen muss schließen

von Redaktion

In der Innenstadt schließt ein weiteres Geschäft: Am heutigen Samstag verabschiedet sich „Bücher Johann“ aus dem Esbaum-Viertel. Inhaber Johann Struck spricht über die Gründe – und welche Herausforderung als Nächstes auf ihn wartet.

Rosenheim – In Johann Strucks Brust schlagen zwei Herzen. Das sagt er gleich zu Beginn des Gesprächs. Er sitzt in seinem Bücherladen, schaut sich im Geschäft um. „Natürlich bin ich traurig über die Schließung, aber wir verkaufen zu wenig Bücher“, sagt er. Eigentlich hätte er – mit Blick auf die Zahlen – bereits im vergangenen Jahr einen Schlussstrich ziehen müssen. „Da war die emotionale Bindung aber zu groß“, sagt er. Er führte eine Kundenbefragung durch, erfuhr, dass sich die Kunden eine größere Buchauswahl wünschen. „Also haben wir mehr Bücher eingekauft, aber die Leute kamen trotzdem nicht“, sagt Johann Struck.

Entscheidung vor
vier Wochen gefallen

Vor vier Wochen fiel schließlich die Entscheidung, das Geschäft in Rosenheim zu schließen. Seitdem läuft der Abverkauf. „Der Buchladen war ein Teil von mir“, sagt er. 2016 habe er den Laden an der Kaiserstraße eröffnet, zwei Jahre später folgte der Umzug ins Esbaum-Viertel. Die Bücherlieferung erfolgte von Anfang an per Fahrradkurier. Struck erinnert sich an die Geschäftseröffnungen in Bad Aibling und Neubeuern. Während das Geschäft in Bad Aibling auch weiterhin bestehen bleibt, musste der Buchladen in Neubeuern bereits geschlossen werden. Auch hier seien zu wenig Bücher verkauft worden. In Rosenheim kommt ihm zufolge hinzu, dass es „viele Buchläden in einem kleinen Umkreis“ gibt und das Esbaum-Viertel „immer mehr ausstirbt“.

Um mehr Leute in das Esbaum-Viertel zu locken, müssen Immobilieneigentümer und Mieter laut Sabrina Obermoser vom Rosenheimer City-Management einen Weg finden, den „interessanten Besatz weiterhin zu halten“. Durch Sitzgelegenheiten, Begrünung, eine optische Aufwertung, eine Öffnung nach außen sowie Parklets – also kleine Aufenthaltsinseln im städtischen Raum – könne zudem eine Aufenthaltsqualität geschaffen werden.

Für Struck kommt das zu spät. Seine Entscheidung steht fest, auch weil er sich neuen Herausforderungen stellen will. Ab sofort kümmert er sich um die Sprachbildung bei Kindern. Dafür fährt er zu verschiedenen Einrichtungen und erzählt Geschichten – mithilfe eines Kamishibai. Der Begriff kommt aus dem Japanischen und bedeutet übersetzt „Papiertheater“. Ein solches Kamishibai stellt Johann Struck gerade auf einen Tisch. Er schiebt eine Bildkarte in den Rahmen und beginnt, eine seiner fünf Geschichten zu erzählen. „Durch die Geschichten gelingt es mir, Kinder mit Sprache in Kontakt zu bringen“, sagt er. Zudem wecke das Projekt bei den Kindern das Interesse an Büchern. Und nicht nur das. „Ich merke, dass die Kinder ruhiger werden und beispielsweise länger still sitzen können.“

Seit seiner ersten Vorführung sind bereits drei Monate vergangen, mittlerweile erzählt er seine Geschichten in 13 Kitas und einer Grundschule. Unter anderem im Integrationskindergarten in Soyen. „Das Projekt kommt bei unseren Kindern gut an. Sie sind total begeistert“, sagt Erzieherin Michaela Maier. Die 14 Kinder zwischen zwei und vier Jahre seien bereits während des Morgenkreises „ganz aufgeregt“, wenn man ihnen erzähle, dass der „Bücher Johann“ zu Besuch komme. Der Kontakt sei über den Rosenheimer Verein „Socius“ entstanden, die Finanzierung laufe über Spenden. Zudem wird das Projekt über den FitZ-Topf der Stadt Rosenheim mitfinanziert.

Die kommenden Monaten will Johann Struck nutzen, um sein Projekt noch mehr unter die Leute zu bringen. Er hat eine Ausbildung zum Geschichtenerzähler gemacht, mehrere Online-Kurse und Seminare belegt und so innerhalb kürzester Zeit einen neuen Beruf gelernt. „Da gehört viel dazu“, sagt er. Denn er müsse die Geschichten so erzählen, dass auch Kinder mit einer geringen Aufmerksamkeitsspanne bis zum Ende zuhören.

Vorlesen als
Übergangsnutzung

Weil der Mietvertrag des Buchladens „Bücher Johann“ erst im Juli ausläuft, will er die Räume in den kommenden Wochen nutzen, um Kindern Geschichten zu erzählen. „Bücher kann man überall kaufen, im Gegensatz zur Sprachbildung“, sagt Johann Struck. Er freue sich auf die neue Herausforderung – auch wenn er den Buchladen in Rosenheim vermissen wird.

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