„Manchmal fühle ich mich ganz schön einsam“

von Redaktion

Trotzdem farbenfroh: Rosenheims Fronleichnamsprozession im Zeichen einer Kirche in der tiefen Krise

Rosenheim – Ein farbenfrohes Zeugnis für Glauben und Tradition war das Fronleichnamsfest der Rosenheimer Stadtteilkirchen Inn, Am Wasen und Am Zug am gestrigen Donnerstag. Nach Gottesdienst auf dem Ludwigsplatz mit gut 1000 Gläubigen startete der Prozessionszug durch die Rosenheimer Innenstadt.

Weniger Zuschauer,
doch immer
noch farbenfroh

Zum zweiten Mal fand der Gottesdienst nicht auf dem Max-Josefs-Platz, sondern auf dem Vorplatz der Kirche St. Nikolaus bei der Ölbergkapelle statt. Grund: Die Gastronomie am Max-Josefs-Platz rückt seit Corona mehr zur Mitte hin. Außerdem sind die Zeiten, in denen die Gläubigen am Max-Josefs-Platz dicht an dicht standen, längst vorbei.

Dennoch gibt dieses christliche Fest in Rosenheim nach wie vor ein schönes Bild ab, insbesondere wenn das Wetter so gut mitspielt wie am Donnerstag. Rund 1000 Gläubige fanden sich zu Gottesdienst und Prozession ein, die Mehrheit festlich gekleidet in Tracht. Darunter viele Vertreter aus Politik, Gesellschaft, Verbänden und Vereinen. Für die musikalische Umrahmung sorgten Chormitglieder der Pfarreien unter der Leitung von Konrad Heimbeck.

Pfarrer Sebastian Heindl erinnerte in seiner Predigt daran, wie Fronleichnam noch vor gut 50 Jahren gefeiert wurde. Die Prozessionen zogen da noch weit von Haus zu Haus. Besonders stolz waren diejenigen, vor deren Haus ein Altar aufgebaut wurde. Für diesen Anlass wurden aufwendige Blumenteppiche gestaltet. Und wehe, wenn dann kurz vor der Prozession noch ein Windstoß diese Kunstwerke in Unordnung brachte. Die typischen roten Fronleichnamstücher waren damals ein Muss. Diesmal schmückten sie nur noch zwei Fenster in der gesamten Rosenheimer Innenstadt.

Glanz für
die Seele,
Brot zum Leben

„Der Glanz war früher mehr“, sagte Pfarrer Sebastian Heindl. Aber dennoch gehe es auch heute noch bei diesem Fest um Glanz. „Glanz für die Seele und Brot zum Leben“, brachte sein Kollege Pfarrer Andreas Maria Zach den Sinn von Fronleichnam zu Beginn des Gottesdienstes auf den Punkt. Fronleichnam heute falle bescheidener aus und sei ebenso im Wandel wie die gesamte Kirche. „Die Seelsorger werden weniger, nur noch die Hälfte der Rosenheimer sind Christen und wenn ich an einem Sonntag in der Kirche stehe, fühle ich mich manchmal ganz schön einsam. Missbrauchsfälle entsetzen und beschämen, und die angekündigten Kirchenreformen sind für viele nicht angekommen“, fasste Pfarrer Sebastian Heindl die derzeitige Situation der Kirche zusammen.

Wenn man dann an Fronleichnam durch die Stadt ziehe, stelle sich da schon die Frage, was die Menschen denken, die dieses Bild von außen sehen. „Schütteln sie verwundert den Kopf und bewundern einige vielleicht auch den Mut, dass diese Menschen noch zu ihrem Glauben stehen?“

Bei Fronleichnam gehe es um das Allerheiligste und damit auch um die Frage, was einem heilig ist. Für Pfarrer Sebastian Heindl ist es das Leben. Darum müsse jeder Einzelne Sorge dafür tragen, dass das Leben auch das Allerheiligste bleibt.

Nach dem Gottesdienst setzte sich dann die Prozession in Bewegung und wanderte über Königstraße, Rathausstraße zum Max-Josefs-Platz und von dort wieder zurück zur Kirche zum Schluss-Segen. Karin Wunsam

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