Rosenheim – Wenn Sascha Kaufmann an den Abend des 28. April 2023 denkt, bekommt er Gänsehaut. Um 22.52 Uhr, fiel alles von ihm ab. Es ist der Abend, an dem die Starbulls Rosenheim das entscheidende Spiel um den Aufstieg in die DEL2 gewinnen. Für den 37-jährigen Rosenheimer ein Moment der Freude – nach all den Jahren voller Leid, Angst und Trauer.
Nach dem Overtime-Krimi habe er nur noch schreien wollen. „Da war mir kurz egal, ob die Kinder und die halbe Nachbarschaft aufwachen“, sagt er am Telefon. Als er weiterspricht, wird er leise und schluchzt: „Leider hat sie das nicht mehr miterlebt.“ Rund einen Monat vorher, am 18. März 2023, verlor seine Frau Katharina Kaufmann den Kampf gegen den Krebs. „Durch sie bin ich überhaupt erst zum Eishockey gekommen.“
Im Kinderheim
kennengelernt
Kennengelernt hätten sich die beiden als Kinder im Rosenheimer Kinderheim „Schöne Aussicht“. „Ich bin als Neunjähriger hergekommen, Katharina war die Tochter der dortigen Hauswirtschafterin“, erzählt Kaufmann. Im Gegensatz zu ihm, sei seine Frau schon immer tief in Rosenheim verwurzelt gewesen – sei es im Trachtenverein Alt Rosenheim, im Volleyballverein oder beim Sportbund. „Sie war ein echtes Rosenheimer Blut“. Und sympathisch sei man sich sofort gewesen. „Aber es hat noch ein paar gescheiterte Beziehungen gebraucht, bis wir zusammengefunden haben.“ Danach ging es „Schlag auf Schlag“. Hochzeit im Jahr 2013, ein Jahr später kam Tochter Lilly auf die Welt – nicht ohne Probleme.
Lilly sei „viel zu früh“ bereits nach sechs Monaten geboren worden. „Das war wie der erste Nackenschlag für uns“, erinnert sich Kaufmann. Glücklicherweise sei alles gut gegangen.
Zwei Jahre später kam Sohn Laurin dazu. Bis das Leben der Familie Mitte 2021 komplett auf den Kopf gestellt wurde. Bei einer Untersuchung erhielt Katharina Kaufmann die Schock-Diagnose: B-Zell-Lymphom. Eine Krebserkrankung des Lymphsystems. „Sie hat den Kampf angenommen wie eine Löwin“, erzählt Kaufmann. „Mit Chemotherapie und allem Drum und Dran.“ Ende 2021 war die gelernte Arzthelferin krebsfrei. Da habe man wieder nach vorne geblickt, Pläne für die Zukunft gemacht. Die Familie zog in ein kleines Bauernhaus in der Nähe von Tuntenhausen. Es sei Hoffnung aufgekommen, dass alles wieder gut wird. Bis zum Mai 2022.
Der Krebs kam zurück. „Und das mit Vollgas mit Pauken und Trompeten.“ Es bildeten sich Metastasen im Gehirn. Danach an der Wirbelsäule. „Und trotzdem haben wir gesagt: Wir haben es einmal geschafft, wir schaffen es noch mal“, sagt Kaufmann. Dann versagt ihm die Stimme. „Aber so kam es leider nicht.“ Der Zustand seiner Frau verschlechterte sich. Es folgten monatelange Aufenthalte im Münchner Klinikum „Rechts der Isar“. Der gelernte Koch kündigte seinen Job, um für die Kinder da zu sein und fast täglich ins Krankenhaus zu fahren. Auch das Geld wurde knapp. Ohne die Hilfe der Schwiegermutter „wäre da nichts mehr gegangen“.
Auch für die Kinder sei die Zeit nicht einfach gewesen. Vor allem, da Krankenhausbesuche bei der Mutter aufgrund der Corona-Regeln mit einem „riesigen Aufwand“ verbunden gewesen wären. Trotzdem hätten Kaufmann und seine Frau ihnen stets die Wahrheit gesagt. „Die wussten, dass die Mama kämpft, der Krebs aber fieser sein kann.“ Im September 2022 erhielt die Familie die Nachricht, dass Katharina Kaufmann sterben wird. „Ab da an ist die Zeit nur noch an einem vorbeigelaufen“, erinnert sich der 37-Jährige. Er habe funktioniert, bis zum Tag des Todes. „Im Radio lief die Bayern-Hymne und kurz danach ist sie für immer eingeschlafen“. Einen Tag nach Beginn der Play-offs der Starbulls.
Trotz der Krankheit habe seine Frau die Spiele der Rosenheimer immer verfolgt. „Zwar nicht mehr im Stadion, aber vor dem Fernseher waren wir in voller Montur dabei.“ Eishockey und American Football seien ihre große Leidenschaft gewesen. „Sportarten halt, wo es auch mal scheppert“, sagt Kaufmann und lacht. Schon als Kind stand Katharina Kaufmann in der „Grünen Wand“ – die Rosenheimer Fankurve – und trommelte die Mannschaft zum Aufstieg 1993.
Die Gene hat sie unseren Kindern weitergegeben“, sagt Sascha Kaufmann. Die seien mittlerweile schon große Fans. „Vor allem, weil man im Eishockey ausnahmsweise auch mal Schimpfwörter hernehmen darf“, sagt er und lacht. Deshalb sind die Dauerkarten für die nächste Saison fest eingeplant.
Fangemeinschaft
vergisst ihn nicht
Besonders gefreut habe es den 37-Jährigen, dass ihn die Fan-Gemeinschaft auch nach dem Tod seiner Frau nicht vergessen hat. So überreichte das Crash-Team – ein Rosenheimer Fan-Club – Kaufmann und seinen Kindern an der Meisterfeier einen Spendenscheck in Höhe von 750 Euro. „Wir veranstalten auf den Auswährtsfahrten Tombolas und der Erlös daraus wird seit Jahren gespendet“, sagt Thy Grahn, ein Vorstandsmitglied des Crash-Teams. Und da die Eishockeyfamilie zusammenhalte, sei sofort klar gewesen, dass die Kaufmanns in der „schweren Zeit unterstützt werden“.
Für was Kaufmann das gespendete Geld hernehmen wird, wisse er noch nicht genau. Bei einem ist sich Sascha Kaufmann hingegen ganz sicher: „Katharina hat die Meisterschaft von oben mitentschieden und den Puck über die Torlinie geschoben.“