Rosenheim – „Also gut: Ich ruf jetzt die ersten drei an. Wenn mir die absagen, lass ich’s bleiben, jetzt und in Zukunft“, dachte sich Irmgard Furtner. Sie bekam aber keine Absagen, sondern hoch erfreute Zustimmung und so kam es, dass es heuer wieder ein Treffen der „Gillitzer-Kinder“ gab. Die „Gillitzer-Kinder“, das ist eine Gruppe von etwa 20 Menschen, die in den 1950 er-Jahren im Gillitzerblock groß geworden sind. Damals beherrschte dieser noch als komplettes und beeindruckendes Ensemble Rosenheims Stadtzentrum.
Idee für das Treffen entstand 2002
Auf die Idee, dass man sich treffen könnte, war Irmgard Furtner 2002 gekommen. Damals hatte Karl Mair, zu dieser Zeit noch Stadtheimatpfleger, ein Buch über Thomas Gillitzer und seine Bauten geschrieben und war dadurch in Kontakt mit Irmgard Furtner gekommen. Die wiederum hatte in der Folge die Idee, man könnte doch schauen, ob sich nicht so etwas wie ein „Klassentreffen“ derer organisieren ließe, die damals als Kinder im Gillitzerblock zusammen spielten. Es gelang, und bis 2017 traf man sich in losen Abständen achtmal. Dann kam Corona und Irmgard Furtner war schon überzeugt, dass nicht nur der Gillitzerblock, sondern auch die Treffen der „Gillitzer-Kinder“ Geschichte wären.
Das aber sind sie keineswegs, wie sich nun an einem Montag im Juni zeigte. Im Gegenteil: Ein Mitglied der Gruppe, Horst Kaluza, schlug vor, man sollte in Zukunft die Zeitabstände solcher Treffen deutlich verkürzen: „Sonst kann es passieren, dass wir für die weiteren auf die nächste Reinkarnation warten müssen“, scherzte er.
Ein Vorschlag, der von allen anderen positiv aufgegriffen wurde. Auch die Idee, sich doch auch mal in Berchtesgaden zu treffen, wo Horst Kaluza zu Hause ist, fand Zuspruch. Auch daran sieht man, dass die Gruppe von 80-Jährigen nicht nur rückwärtsgewandt in Erinnerungen schwelgt, sondern auch aktiv und unternehmungslustig ist.
So kommt es auch, dass man bei den Treffen beileibe nicht nur über Kindheit und Jugend spricht, sondern auch über das Jetzt – und dabei auch über Gott und die Welt. Wenn sich 20 Leute treffen, die sich länger nicht gesehen haben, gibt es ja Themen mehr als genug. Gelacht wird viel. Denn immer wieder werden auch Anekdoten erzählt – zum Beispiel die Geschichte, wie Artur Schneider in die Gruppe fand.
Schneider wohnt mittlerweile in Salzburg und war dort in einer Wirtschaft zufällig auf Horst Kaluza getroffen und mit ihm ins Gespräch gekommen. Man fragte sich nach der Herkunft, stellte dann fest, dass man jeweils seine Wurzeln in Rosenheim hatte – und zwar im Gillitzerblock. Dabei kam dann auch heraus, dass die beiden zwar in verschiedenen Aufgängen, aber dennoch im Grunde Wand an Wand gewohnt hatten, sodass Horst Kaluza am Ende feststellte: „Dann bist du der, der immer so falsch Klavier gespielt hat.“
Ganz außen vor ist die Rückbesinnung auf die Jugend im Gillitzerblock bei den Treffen deshalb nie, zu zahlreich sind die Erinnerungen und vor allem – zu positiv. Das Leben sei damals weniger hektisch, rein schon vom Verkehr her, aber nichtsdestotrotz städtisch gewesen, erinnert sich Irmgard Furtner. „Es war einfach immer etwas los.“ Denn Thomas Gillitzer wollte mit seinem Gebäudekomplex, der um die Jahrhundertwende entstand, städtisches Leben im Münchner Format nach Rosenheim holen. Deshalb gab es im Gillitzerblock nicht nur viele Geschäfte und Gewerbe, sondern auch ein Hotel und jede Menge Wohnungen.
Eine verödete Stadt war undenkbar
Damals war eine Innenstadt, die nach Geschäftsschluss verödet, undenkbar und absolut nicht vereinbar mit städtischem Leben. Für Leben sorgte nicht zuletzt das Kino, das es ebenfalls im Komplex gab. Irmgard Furtner hat ein Bild aus dem Jahr 1959 dabei, das vor dem Eingang eine dicht gedrängte Menschenmenge zeigt – gespielt wurde damals der Film „Der Tiger von Eschnapur“. Gleichzeitig gab es auch schon das, was später die große Konkurrenz der Kinos werden sollte: Josef Mitterpleininger erinnert sich an das erste Radio- und Fernsehgeschäft Rosenheims, das im zweiten Stock in einer ehemaligen Wohnung zu finden war.
Im Grunde ist so der Gillitzerblock für die „Gillitzer-Kinder“ nie abgerissen worden. Er lebt fort – nicht in wehmütiger Rückbesinnung, sondern als lebendige Erinnerung an einen schönen und gemeinsamen Lebensabschnitt. Eine Erinnerung, die, und das ist das ganz Besondere an dieser fidelen Truppe, sich nicht im Früher verliert, sondern durchaus lebendig mit dem Jetzt im Einklang steht.