Rosenheim – Eigentlich ist Anton Kaiser ein Optimist. „Ich versuche immer, das Beste aus einer Situation zu machen“, sagt der Chef des Zirkus „Baldoni Kaiser“. Da seien die vergangenen Stunden keine Ausnahme gewesen. Und das, obwohl er jeden Grund gehabt hätte, den Kopf in den Sand zu stecken. Denn das Unwetter hat auch vor seinem Zirkus keinen Halt gemacht.
„Unser komplettes Tierzelt wurde zerstört“, sagt Kaiser. Erst am Montag seien er und seine Mitarbeiter mit ihren Wohnwagen angekommen. Nachdem sie die ersten Tage genutzt hätten, um Flyer zu verteilen, steckten sie mitten in den Aufbauarbeiten, als der Sturm kam. Das große Besucherzelt stand bereits. Auch das Zelt für die Tiere war fertig. Hier finden die rund 45 Tiere Unterschlupf. Es gibt Pferdeboxen, Stallungen für die Kamele, Alpakas und die Esel sowie Rückzugsorte für Hühner und Gänse. Doch genau jenes Zelt wurde in der Nacht auf Mittwoch innerhalb von Sekunden aus der Verankerung gerissen.
Baldoni-Tierzelt
komplett zerstört
„Die Feuerwehr ist gekommen und hat uns geholfen, die Tiere rauszuholen“, erzählt Anton Kaiser. Sie seien übergangsweise in den Transportwagen untergebracht worden. Mittlerweile stehen einige Tiere auf der Koppel, andere haben im Besucherzelt Unterschlupf gefunden. „Wir haben ein paar Sitzreihen abgebaut, um Platz zu schaffen“, sagt der Zirkus-Chef.
Zwar sei er froh, dass weder seine Mitarbeiter noch die Tiere zu Schaden gekommen sind, trotzdem stehe er vor einem großen Problem. „Wir sind für solche Fälle nicht versichert“, sagt Anton Kaiser. Die Wohnwagen seien beschädigt, das Tierzelt komplett zerstört. Um Letzteres reparieren beziehungsweise ersetzen zu können, hofft er auf finanzielle Hilfe aus der Bevölkerung. „Nach der Corona-Pandemie ist das der nächste Schlag“, seufzt Kaiser. Davon kann auch Maximilian Reidl ein Lied singen. Der Immobilienunternehmer ist der Geschäftsführer der „Königlichen Oberbahnamt Projekt GmbH“ und hat sich vor vier Jahren dazu entschieden, das denkmalgeschützte Haus am Bahnhof zu kaufen. Der Sturm hat das Blechdach des ehemaligen Oberbahnamts zerrissen. „Mehr als die Hälfte hat sich gelöst und ist runtergefallen“, sagt Reidl. Seit 7 Uhr sei er vor Ort gewesen und habe versucht, mithilfe der Stadt die Situation in den Griff zu bekommen.
Oberbahnamt
schwer beschädigt
Knapp neun Stunden später konnte das komplette Dach entfernt und durch eine provisorische Wetterschutzfolie ersetzt werden. „Die Sicherheit ist wieder hergestellt“, sagt der Geschäftsführer. In den kommenden Tagen sollen die Überreste des Daches abgeholt und die Absperrungen entfernt werden. Reidl rechnet mit einem Schaden im sechsstelligen Bereich.
Insgesamt geht Christian Schwalm, Pressesprecher der Stadt, im Bereich der Integrierten Leitstelle (ILS) Rosenheim von rund 400 Einsätzen aus. Erste Notrufe gingen gegen 0.20 Uhr bei der ILS ein, die neben der kreisfreien Stadt auch für die Landkreise Rosenheim und Miesbach zuständig ist „Kurzfristig wurde die Anzahl der Disponenten erhöht, um alle Anrufe bedienen zu können“, sagt Schwalm. Alle sechs Feuerwehren der Stadt wurden laut Schwalm durch einen Vollalarm in Bereitschaft versetzt. Die Einsatzkräfte mussten unter anderem ins Romed-Klinikum und das Eisstadion ausrücken, weil dort die Feuermelder ansprangen.
„Währenddessen gingen weitere Alarmmeldungen aus allen Stadtteilen und dem Innenstadtbereich ein“, sagt Schwalm. Gemeldet wurden umgestürzte Bäume, die auf Autos gefallen waren oder Straßen blockierten, dazu jede Menge herumliegende Äste, umgefallene Mülltonen und schlecht gesicherte Bauzäune. Zwischen 0.11 Uhr und 1.30 Uhr waren zudem 500 Privatkundenanschlüsse nicht verfügbar. „Welche Wucht hinter den Böen steckte, zeigt, dass fünf Ampeln im Bereich der Kreuzung an der Äußeren Münchener Straße, aber auch Verkehrsschilder an der Westerndorfer Straße einfach umgebogen wurden“, sagt Schwalm.
Spuren an der
Westtangente
Das bestätigt auch Ursula Lampe, Pressesprecherin des Staatlichen Bauamts. „Der heftige Sturm hat auch an der Westtangente Spuren hinterlassen“, sagt sie. Nach wie vor sei die Ampelanlage an der Anschlussstelle Westtangente/ST2078 ausgefallen. „Vermutlich dauert es noch bis zum heutigen Donnerstag, bis die Anlage wieder regulär in Betrieb gehen kann“, sagt Lampe und bittet um „erhöhte Aufmerksamkeit in diesem Bereich“.
Immerhin: Laut Christian Schwalm kann davon ausgegangen werden, dass keine Personen verletzt worden sind. Wie hoch der entstandene Sachschaden ist, lasse sich im Moment noch nicht einschätzen.