Rosenheim – Naloxon-Nasenspray kann Leben retten. Davon ist Veronika Kunkel überzeugt. Sie arbeitet in der Fachambulanz für Suchterkrankungen der Diakonie Rosenheim und begleitet Menschen auf ihrem Weg aus der Sucht. Gemeinsam mit Bereichsleiter Maximilian Jaroljmek hat sie sich an diesem Nachmittag Zeit für ein Gespräch genommen.
Sie wollen aufklären, informieren und Möglichkeiten aufzeigen, wie der Tod der 25-jährigen Frau am Dienstag, 4. Juli, womöglich hätte vermieden werden können. Am frühen Abend des besagten Tages hatte eine Passantin zwei bewusstlose Personen in der Toilette eines Parkhauses in der Innenstadt entdeckt. Die Feuerwehr öffnete die Türe, doch für die 25-jährige Frau kam jede Hilfe zu spät. Der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen.
Kriminalpolizei
ermittelt
Die Kriminalpolizei übernahm die Ermittlungen zur Klärung der Todesursache. Weil in unmittelbarer Nähe der beiden Spritzen und ein Löffel gefunden wurden, scheint die 25-Jährige an einer Überdosis gestorben zu sein. „Bei einer Überdosis kann es zum Atemstillstand kommen“, erklärt Veronika Kunkel. In diesen Fällen kann ein Naloxon-Spray helfen. „Naloxon kann innerhalb weniger Minuten die atemlähmende Wirkung von Opioiden aufheben und damit Leben retten“, sagt Kunkel. Weil das Medikament in Rosenheim bisher kaum bekannt ist, gibt die Diakonie seit diesem Jahr Naloxon-Schulungen.
„Wir bieten Einzel- und Gruppenschulungen an“, sagt Veronika Kunkel. So seien sie und ihre Kollegen bereits in der Justizvollzugsanstalt in Bernau und im Haus Schwarzenberg in Bad Feilnbach gewesen. Sie zeigt auf eine kleine Dose, die vor ihr auf dem Tisch steht. In dieser sind ein Notfallplan, zwei Naloxon-Sprays, die Kopie des vom Arzt verschriebenen Rezepts sowie ein Atembeutel.
Bevor die Klienten die Notfall-Kit-Box in die Hand gedrückt bekommen, müssen sie eine rund 20-minütige Schulung absolvieren. In dieser lernen sie, welche Symptome auf eine Überdosis hinweisen. Kunkel spricht von einem eingetrübten Bewusstsein, blauen Lippen, verengten Pupillen sowie einer verringerten Atmung.
Nach dem theoretischen Teil wird den Teilnehmern erklärt, wie sie einen Notruf richtig absetzen und wie sie den Puls kontrollieren. Anschließend lernen sie, wie das Naloxon-Spray angewendet wird. Veronika Kunkel holt das Spray aus der Dose, zeigt es in die Runde. „Das Spray wird ohne es vorher zu testen in die Nase gesteckt“, erklärt sie. Das sei besonders wichtig, da nicht genügend Naloxon in dem Spray für einen Test ist.
Vorab sollte man ihr zufolge darauf achten, dass die Nase frei ist – beispielsweise von Erbrochenem. „Sobald das Spray in der Nase ist, muss der Sprühstoß abgegeben werden“, sagt Kunkel. Anschließend muss etwa zwei Minuten gewartet werden. „Ich empfehle immer, das Spray stecken zu lassen, damit man weiß, wo es schon angewendet wurde.“ Ist nach den zwei Minuten keine Reaktion zu erkennen, kann das zweite Spray verabreicht werden.
„Es ist ein niedrigschwelliges Angebot, das wir versuchen, unter die Leute zu bringen“, sagt Kunkel. Das Problem: Das Medikament ist in Deutschland verschreibungspflichtig. Verschrieben werden kann es nur an Personen, die eine Opioidabhängigkeit diagnostiziert haben. Weil diese bei einer Überdosis das Mittel jedoch nicht mehr selbst anwenden können, sind sie darauf angewiesen, dass eine Person aus ihrem Umfeld ihnen das Nasenspray verabreicht.
Bisher läuft es laut Maximilian Jaroljmek so ab, dass sich die Klienten nach einer Schulung ein Rezept vom Arzt ausstellen lassen müssen. Anschließend besorgen sie sich das Naloxon in der Apotheke. „Das ist sehr aufwendig und schreckt viele ab. Es gibt noch einige Hürden.“ Er wünscht sich, dass die Patienten einfacher an das Mittel kommen.
Einsatz
direkt vor Ort
So könnte sich Jaroljmek durchaus vorstellen, dass einige seiner Mitarbeiter durch den Salinpark gehen und Schulungen zur Verwendung des Naloxon-Nasensprays in der Szene anbieten. So könne es seiner Meinung nach eher gelingen, die Anzahl von Drogentoten zu reduzieren. „Naloxon wirkt aber nur bei einer Opioid-Überdosierung“, fügt Veronika Kunkel hinzu. In den kommenden Monaten wollen sie und Maximilian Jaroljmek dafür sorgen, dass die Schulungen noch mehr unter die Leute gebracht werden.