Rosenheim – Es ist eine Situation, die in den kommenden Wochen wieder vielen Urlaubern droht. Stundenlange Staus, Temperaturen von weit über 30 Grad und dann auch noch kilometerlange Schlangen vor den Mautstationen im Süden Europas. Julian Schmelzer kennt dieses Problem – aus eigener Erfahrung. Zu gut könne sich der 31-jährige Rosenheimer an die „ewig langen“ Autofahrten nach Italien während seiner Kindheit erinnern. Für ihn sei daher klar gewesen, dass eine Lösung hermüsse – und die will er nun gefunden haben.
Klein wie eine
Streichholzschachtel
Zusammen mit seinem Geschäftspartner Simon Baumgartner hat Schmelzer die Firma „maut1“ in Rosenheim gegründet und eine dem Gründer zufolge „deutschlandweit einzigartige“ Mautbox auf den Markt gebracht. Mit dem elektronischen Gerät in der Größe einer Streichholzschachtel ist es möglich, auf einer extra reservierten Fahrspur – in Italien zum Beispiel die „Telepass“-Spur – durch die Mautstation zu fahren. „Ohne sich anzustellen und zu warten bis jeder sein Kleingeld oder Kreditkarte gefunden hat“, sagt Schmelzer. Ihm zufolge könne man sich dadurch pro Mautstelle bis zu 45 Minuten sparen.
Die Box werde mit einem Klebestreifen an der Windschutzscheibe angebracht und öffne die Schranke der Mautstelle automatisch, sobald das Gerät das digitale Signal der Station empfängt. Außer das Kennzeichen des Fahrzeugs anzugeben und die Box „rankleben und losfahren“ müsse der Nutzer nichts machen, sagt Schmelzer. Auch eine Online-Registrierung und Angaben zum Reiseziel seien nicht notwendig.
Denn das Besondere an der Box aus Rosenheim sei, dass sie im Gegensatz zu anderen Mautboxen, die auf ein Land begrenzt sind, in mehreren Ländern gleichzeitig funktioniere. Derzeit in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal. Seit dem 14. Juli gehört auch Kroatien zum Angebot. Allerdings sei die Mautbox „etwas teurer“, als wenn man die Maut auf herkömmliche Weise an der Station direkt bezahlt. Zu den jährlichen Mietgebühren von rund 20 Euro komme ein einmaliger Aktivierungsbetrag von ebenfalls 20 Euro. Auf die streckenabhängigen Mautgebühren werde zudem ein Aufschlag von fünf Prozent berechnet. „Die Box macht die Urlaubsfahrt aber auch wesentlich bequemer und einfacher.“
Die Idee für die „maut1“-Box habe Schmelzer schon länger im Kopf gehabt. Und das, obwohl der 31-Jährige nur durch Zufall in die Mautbranche gekommen sei. Nach seiner kaufmännischen Ausbildung habe er eine Auszeit genommen und sich nach Vorschlägen des Arbeitsamtes bei einigen Firmen beworben. Unter anderem bei einem Unternehmen, das Mautboxen herstellt. Dort habe er auch Simon Baumgartner kennengelernt. „Auf unsere Verbesserungsvorschläge mit der Kombinationsbox sind wir auf taube Ohren gestoßen“, sagt Schmelzer. So sei die Entscheidung während der Corona-Pandemie gefallen, sich selbstständig zu machen.
„Das war genau der richtige Weg“, sagt Julian Schmelzer. In diesem Jahr mache das Unternehmen erstmals einen Umsatz von rund zehn Millionen Euro und habe inzwischen 70.000 Kunden. Von denen jedoch nicht alle zufrieden scheinen. Vor allem bei den Google-Bewertungen gibt es teils heftige Kritik an der Mautbox aus Rosenheim. Die Rede ist von extremen Signalschwächen bis hin zu Totalausfällen des Geräts. Einige berichten sogar, dass sie rückwärts aus der Mautstelle herausfahren mussten, da sich die Schranke nicht öffnete.
„Die Boxen sind technische Geräte, da kann es immer zu einem Defekt kommen“, sagt Schmelzer. Die Ausfallquote liege allerdings „weit unter einem Prozent.“ Das bestätigt der ADAC, ein Kooperationspartner von „maut1“, auf OVB-Anfrage. Ursächlich für eine Störung müsse nicht immer die Box sein, teilt ein Pressesprecher des Vereins mit. Auch ein Anwendungsfehler wie das falsche Anbringen an der Windschutzscheibe könne ein Grund sein. Zudem sei es wichtig, mit niedriger Geschwindigkeit an die Mautstelle heranzufahren, damit eine Kommunikation möglich ist.
Unterschiedliche
Systeme
Ein weiteres Problem seien die unterschiedlichen Mautsysteme der Länder. „Pro Land gibt es 20 bis 30 verschiedene Mautbetreiber“, sagt Schmelzer. Und vor allem die kleineren seien nicht immer auf „dem neuesten Stand der Technik“. Daran müsse die Software der Mautbox angepasst werden damit diese mit allen Systemen kompatibel ist. Ob mit oder ohne Mautbox, wer in den Süden in den Urlaub fährt, sollte dem „maut1“-Gründer zufolge auf ein paar Dinge achten: „Am besten vor der Reise schauen, durch welche Länder man fahren muss und welche Maut es dort gibt.“ Denn es gebe teilweise Streckenabschnitte, auf denen es keine Mautstelle gibt, aber trotzdem Gebühren anfallen. „Da läuft man schnell Gefahr, hohe Strafen zahlen zu müssen.“
Und wer doch mal in einer Mautstation „feststeckt“, solle Ruhe bewahren und den Hilfeknopf drücken. „Nur auf gar keinen Fall rückwärtsfahren, das ist strafbar.“