Rosenheim – Gegensätze ziehen sich an, so wie die beiden Kugeln auf dem Freigelände des Romed-Klinikums in Rosenheim. Die eine Kugel ist groß, rostbraun und matt. Nähte vom Zusammenfügen einzelner Eisenplatten lassen sich noch erkennen. Die andere Kugel ist deutlich kleiner, glänzt goldfarben, hat eine polierte, spiegelnde Oberfläche, ist aus Messing und zeigt oben eine zweistufige, unregelmäßige Eintiefung.
Gegensätze
ziehen sich an
Gegensätze ziehen sich an, so wie die beiden Künstler, die diese Kugeln geschaffen haben. Hans Thurner, der mit den drei „Bs“, Bauer, Bürgermeister und Bildhauer, schweißte die rostbraune Eisenkugel über einem inneren Hilfsgestell zusammen. Von Ute Lechner stammt die gegossene Messingkugel.
Und so wie sich die beiden Kugeln unterscheiden, so verschieden sind auch die beiden Schöpfer. Doch gerade aus ihren Unterschieden schöpften die beiden Ideen und Kraft.
Ute Lechner, die schlanke, großgewachsene Berlinerin, aufgewachsen in Hessen, Mutter, Abgeordnete, Absolventin der Kassler Kunstakademie, introvertiert und nachdenklich, und Hans Thurner, der stämmige Oberbayer aus dem kleinen Dorf Landertsham bei Obing, einige Jahre jünger, künstlerischer Autodidakt und begnadeter Handwerker, extrovertiert und humorvoll, begegneten sich im Dezember 1978 auf dem „Weihnachtsmarkt der Künstler“ des Kunstvereins Rosenheim in der Städtischen Galerie.
Beide stellten aus, beide konnten nicht verkaufen und beide, die damals Ehepartner und Kinder hatten, muss die Liebe wie der Blitz getroffen haben. Nach einem Jahr der Korrespondenzen taten sie sich zusammen und machten seit 1980 mit ihren vielfältigen Installationen und Ausstellungen auch international auf sich aufmerksam. Mit den Kugeln beschäftigten sie sich seit Anfang der 2000er-Jahre. Eigentlich ist die Kugel der vollkommenste geometrische Körper im Raum, wie der Kreis für die Fläche. Doch hier geht es nicht um Mathematik, sondern um unsere Erde, und so weisen auch zwei kleine Tafeln auf den Titel und das grundlegende Thema der Kugelarbeiten hin: „Die Erde ist keine vollkommene Kugel“. So wenig vollkommen die Erde ist, so wenig vollkommen ist auch der Mensch. Beide zeigen Spuren der Zeit und der Vergänglichkeit, wie der Rost der Eisenkugel.
Ab September 2005 konnten Ute Lechner und Hans Thurner für ein Jahr eine ganze Reihe ihrer in Größe und Gestaltung unterschiedlichen Kugeln als Skulpturenweg am Klinikum Rosenheim präsentieren.
„Gerade das Thema dieser Ausstellung ist dazu geeignet, Patienten begreiflich zu machen, dass in unserer Welt nichts vollkommen ist. Im Gegenteil: ständiger Wandel im Laufe des Lebens und eine Vielzahl möglicher Erkrankungen zeigen uns immer wieder, wie gebrechlich oder verletzlich wir sind.“ So Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer und der Ärztliche Direktor Professor Dr. Manfred Persigehl im Vorwort des Kataloges. Nach Abschluss des Kunstprojektes kauften 2006 die Chefärzte des Klinikums die beiden heute noch aufgestellten Kugeln an und stifteten sie für die Grünanlage.