Rosenheim – Große Lust noch mal nach Rosenheim zu fahren, haben Elisabeth und Peter Mottinger nicht. Zu tief sitzt der Frust bei dem Ehepaar aus Rohrdorf. Der Grund für den Ärger: die Parküberwachung in der Stadt. Denn an der haben die beiden einiges auszusetzen: Es gebe nicht ausreichend Parkplätze, die Parkhäuser seien zu teuer und jeder kleine Verstoß werde sofort geahndet. Besonders ein Vorfall vor wenigen Wochen hat das Ehepaar nach eigenen Worten „entsetzt“.
Arbeit erledigt – und
Strafzettel kassiert
Sie seien gerade auf der Kufsteiner Straße auf Höhe der Volksbank Raiffeisenbank unterwegs gewesen, als ihnen ein Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung neben einem Zustellfahrzeug der DHL am Straßenrand aufgefallen sei. „Der Wagen stand im Halteverbot, die Hecktür war aber offen“, erinnert sich Peter Mottinger. Deshalb habe der Fahrer nicht weit sein können.
In dem Moment als der Parküberwacher in sein Kästchen tippen wollte, sei der Zusteller „mit einer ganzen Karre voller Pakete“ zum Auto zurückgesprintet gekommen. „Der junge Mann hat sich sofort entschuldigt, dem Verkehrsüberwacher war das aber total wurst“, sagt Mottinger.
Normal mische er sich bei so etwas nicht ein, aber in dem Fall habe er etwas sagen müssen. „Das ist Schikane. Jemand erledigt seine Arbeit und bekommt dafür einen Strafzettel.“ Der Zusteller könne sich ja nicht einen Parkplatz suchen und „die schweren Pakete durch die halbe Stadt schleppen“. Zudem seien an der Stelle weder der Verkehr noch Fußgänger oder Radfahrer behindert gewesen. „Der Überwacher hat das Gespräch aber sofort beendet und weitergetippt“, sagt Mottinger. Wortlos hätte dieser daraufhin den Strafzettel in Höhe von 40 Euro an die Windschutzscheibe geklemmt und sei davongegangen.
Ehepaar kritisiert
„arrogantes Verhalten“
„Das ist arrogant und von oben herab“, sagt Mottinger. Wenigstens dem Fahrer hätte der Parküberwacher eine Begründung geschuldet. „Miteinander zu reden ist doch das Mindeste.“ Außerdem sei der Zusteller die ganze Zeit freundlich gewesen. Er habe wissen wollen, wo er an der Stelle stehenbleiben dürfe. „Dem jungen Mann war die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben“, sagt Elisabeth Mottinger. Deshalb habe sie sich auch entschieden, den Strafzettel für ihn zu bezahlen. „Der hat sich da ja nicht aus Gaudi hingestellt, sondern um zu arbeiten.“
Dass Paketzusteller „oftmals schwierige Situationen im Innenstadtbereich vorfinden“ ist der Verwaltung bekannt, bestätigt Christian Baab, stellvertretender Pressesprecher der Stadt. Deshalb werde bei einem „alternativenlosen Parken der Ermessensspielraum so weit als möglich ausgeschöpft“, sagt Baab. Eine Ahndung erfolge jedoch zwingend, wenn „in zumutbarer Nähe eine legitime Haltemöglichkeit bestanden hätte“.
Dagegen sei auch nichts einzuwenden, findet das Ehepaar Mottinger. Eine gewisse Ordnung müsse sein und „rechtlich war das korrekt, aber die Toleranz und Menschlichkeit hat gefehlt“. Und das komme zu häufig vor.
„Wer in Rosenheim zehn bis 15 Minuten nach Ablauf der Parkuhr zurückkommt, hat fast immer einen Strafzettel“, sagt Elisabeth Mottinger. Das sei ihr bereits selbst öfter passiert. Bei zwei Stunden bezahlter Parkzeit kann man ihrer Meinung nach schon mal ein Auge zudrücken. Manchmal, so findet sie, mache es den Anschein, als ob die Überwacher „nur warten, dass man überzieht“. „Das ist Abzocke. Mit zehn Euro verdient die Stadt immer noch genug“, sagt Peter Mottinger.
Zum Einkaufen lieber
nach Wasserburg
Insgesamt nahm die Stadt mit Bußgeldern im vergangenen Jahr 980000 Euro ein. Bei 41500 Verstößen. Heuer seien es bisher rund 450000 Euro und 21250 Verwarnungen gewesen, teilt Christian Baab mit. In Kempten im Allgäu mit 71918 Einwohnern – Rosenheim hat derzeit 65111 Einwohner – waren es 2022 Bußgelder in Höhe von rund 600000 Euro bei 23500 Verwarnungen.
Wie Christian Baab mitteilt, werden Problem- und Grenzfälle regelmäßig bei Dienstbesprechungen innerhalb der Abteilungen erörtert. Dabei werde immer versucht, Lösungen zu finden.
Elisabeth und Peter Mottinger haben mittlerweile ihre eigene Lösung gefunden: „Wir fahren zum Einkaufen lieber nach Wasserburg.“ Dort sei es immerhin möglich, mehrere Stunden kostenlos im Parkhaus zu stehen. „Da fühlt man sich willkommen, das macht die Innenstadt einladend“, sagt Peter Mottinger. Wenn Rosenheim eine „Einkaufs-stadt“ sein wolle, müsse die Parküberwachung besser werden.