Miniaturwelten am großen Tisch

von Redaktion

In einem Rückgebäude im Aicherpark in Rosenheim ist der Rosenheimer Tabletop Club (RTC) beheimatet. Auf Tischplatten werden dort epische Schlachten, Scharmützel und Gefechte geschlagen, Ritter und Weltraumkrieger, Monster und Maschinen treffen aufeinander. In Miniaturform.

Rosenheim – „Wenn die Oma auf der Familienfeier fragt, ist es natürlich ein bisschen schwieriger zu erklären. Da muss man weit, weit ausholen“, räumt Maximilian Reichl vom Rosenheimer Tabletop Club (RTC) ein, „meistens fange ich dann mit Zinnsoldaten an. Aber jüngere Generationen sind da meist eher offener. Diese ganzen Nischen- und Nerdhobbys sind ja inzwischen nicht mehr so verpönt, wie das noch vor, sagen wir mal, 15 Jahren der Fall war, sondern das geht immer mehr in den Mainstream.“ „Mein Ansatz ist immer zu sagen: ‚Das ist so etwas Ähnliches, wie Schach zu spielen“, ergänzt Maximilian Hof, „nur ein bisschen komplizierter und mit einer Portion Glück durch das Würfeln. Und jede Einheit hat ihre spezielle Aufgabe, so wie sich auch beim Schach jede Figur nur auf eine bestimmte Art bewegen darf.“ Beide sind im Vorstand des Vereins.

Blick nach
England

„Ich hole bei der Frage meistens etwas weiter aus, weil Tabletop, wenn du mit jemanden der aus dem deutschsprachigen Raum kommt redest, was anderes für ihn oder sie bedeutet, als wenn ich mit einem Briten oder US-Amerikaner spreche“, meint wiederum Reichl, „dort ist England ja wirklich alles, was du auf dem Tisch spielst: Brett- und Kartenspiele und so weiter. Die würden eher von ‚miniature wargaming‘ – ‚Kriegsspiele mit Miniaturen‘ sprechen. Hierzulande werden aber die meisten darunter das verstehen, was wir hier machen: Taktische Spiele mit Figuren, die meist in einem Fantasy- oder Science- Fiction-Szenario angelegt sind.“

Wir plaudern mit den beiden und sitzen dabei auf gut eingesessenen Couches in den Räumlichkeiten des RTC in einem Rückgebäude im Aicherpark. Draußen brummt der Verkehr, drinnen erfahren wir mehr über das Austragen von Schlachten im Kleinmaßstab. Space Marines. Orks. Riesige Drachen und Dämonen. Hunderte, Tausende von ihnen stehen in Reih und Glied in Regalen und Vitrinen. Dazu ein Kulissen-Arsenal, welches eines Filmstudios würdig wäre: Verwunschene Ruinen, Bunkeranlagen, ganze Wälder. Alles in Miniaturform und auf seinen Einsatz wartend. Wenn es dann soweit ist, werden sie epische Schlachten, verzwickte Scharmützel und aufwendige Kämpfe in Reichen der Fantasy und Science Fiction schlagen. „Jede dieser Vitrinen gehört einem Mitglied“, erklärt der 31-jährige Reichl und führt uns lange Gänge entlang an diesen vorbei. Zusammen mit den Figuren sind darin auch Siegesurkunden von allerhand Turnieren und Wettbewerben aufbewahrt und ausgestellt. „Wir haben einen Mitgliedsbeitrag, damit man die Räumlichkeiten mitbenutzen darf. Davon wird neue Ausstattung, wie Möbel, speziell die Spieltische und Zubehör, angeschafft.“

„Angefangen hat das Ganze als reiner Tabletop-Club, hauptsächlich weil wir 2012 nach der Schließung eines Ladens, in dem wir zuvor unsere Spiele ausgetragen haben, einen neuen Treffpunkt suchten“, erinnert sich Reichl, „es kam dann relativ schnell zur Gründung. Im vergangenen Jahr hatten wir zehnjähriges Jubiläum. Mit unseren Räumlichkeiten hier im Aicherpark hatten wir eine ordentliche Portion Glück, denn sie gehören einem unserer Gründungsmitglieder. Früher war hier die Discothek ‚Atlantis‘ beheimatet. Ein erster Meilenstein war dann, als wir auf 50 Mitglieder angewachsen waren. Dass sich so viele Leute dafür finden, hatte bei der Gründung niemand zu hoffen gewagt“, meint Reichl. Andere Vereine, wie beispielsweise ihre Kollegen in Burghausen, kommen gerade mal auf 30 Mitglieder und haben kein eigenes Vereinsheim. „Die Zehn-Jahres-Feier war dann auch insofern bemerkenswert, weil es in einem Nischenhobby wie unserem schon bemerkenswert ist, wenn ein Verein so lange zusammen hält“, bemerkt Hof.

„Am Anfang war er alleine auf Tabletop ausgerichtet, was nach wie vor unser Schwerpunkt ist. Daneben auch Abende, an denen man gemeinsam seine Miniaturen bemalte oder sich über das Hobby austauschte. Aber inzwischen sind auch noch andere Aktivitäten dazugekommen, wie Brettspielabende und es werden auch immer mehr Sammelkartenspiele wie ‚Magic‘ gespielt.“ „Wir haben einerseits offizielle Veranstaltungen wie die genannten Malabende, die finden ein- oder zweimal im Monat statt. Aber unter der Woche kommt regelmäßig auch so etwas zustande, wenn jemand sich einfach nur für eine Runde zocken, zum Ratschen oder auf einen kleinen Umtrunk in gemütlicher Runde treffen will. Dementsprechend ist eigentlich fast jeden Tag was geboten“, ergänzt Maximilian Hof. Schließlich führen uns die beiden auf gleich drei Tischen vor, welche Bandbreite das Hobby bietet. Zuerst treten „Tyraniden“ und „Space Marines“ aus dem „Warhammer 40k“-Universum gegeneinander an. Panzer rücken vor, riesige Monster setzen sich in Bewegung. Dann treffen in der Fantasy-Variante von „Warhammer“ Orks und Ents, riesige Baumkreaturen im Kampf aufeinander. Schließlich wird es richtig kurios: Im Spielsystem „Malifaux“ treffen Horrorgestalten zwischen viktorianischen Bauten aufeinander. Eine Seite besteht dabei aus Straßenkatzen. Ja genau, Straßenkatzen. Die Katzen verlieren. Zuletzt konnte der Verein einen Erfolg bei den oberbayerischen Tabletop-Meisterschaften verzeichnen. Außerdem waren sie im April Gastgeber bei den Bayerischen „Malifaux“-Meisterschaften. „Wir sind inzwischen knapp über 80 Mitglieder, in den letzten Jahren kamen immer wieder mehr Leute dazu. Natürlich geht auch immer mal wieder jemand, aber wir werden langsam, aber sicher, immer mehr. Bis 2025 hoffen wir, die 100 zu erreichen“, gibt sich Reichl optimistisch.

„Altersmäßig sind wir komplett bunt durchgemischt. Unser jüngstes Mitglied ist 13 Jahre alt, das älteste Ende 50. Anders schaut es bei der Geschlechteraufteilung aus: Wir haben drei weibliche Mitglieder, die anderen sind alle männlich. Manche unserer Mitglieder spielen übrigens gar nicht aktiv, denen geht es mehr um das Bemalen und den Modellbau.“

„Unsere Mitglieder sind alle möglichen Leute. Schüler, Studenten, Bauarbeiter, Polizisten, Lehrer. Das ist das Schöne an diesem Hobby: Am Tisch kommen wir alle zusammen, egal wie dein Gehalt ist oder was du sonst so machst“, berichtet Reichl, „jeder kommt da auf eine andere Weise dazu. Ich selber habe schon immer ‚Magic‘ gespielt und kam dabei auch auf Turnieren und so weiter herum.

Anfänge im
Brettspielladen

Im ‚Funtainment‘ in München, einem großen Brettspielladen, den es leider nicht mehr gibt, haben mein Bruder und ich einige bemalte Miniaturen gesehen, waren beeindruckt und haben uns spontan eine Starterbox gekauft.“ Auch für Hof ging es mit einer Starterbox los. „Davor hatte ich immer mal wieder in das Thema hineingeschnuppert. Dann hat mich meine Mutter auf den Club hier aufmerksam gemacht und so bin ich 2019 dazu gestoßen.“ Je nach Tagesform würden sie durchaus auch zehn bis zwölf Stunden die Woche in das Hobby investieren.

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