Bouldern gegen Depression: Studie startet

von Redaktion

Wie wirksam ist Bouldern gegen Depressionen? Das untersucht eine wissenschaftliche Studie, die im Oktober auch in den Kletterhallen Bad Aibling und Rosenheim startet und für die es noch freie Plätze gibt.

Bad Aibling/Rosenheim – Gerät die Seele in Schieflage, verschlimmern sich psychische Probleme stetig oder wagen sich Betroffene nach langem Leidensweg endlich jemandem anzuvertrauen, sind zeitnah verfügbare Hilfsangebote oft weit außerhalb der Reichweite: Laut einer Analyse der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) beträgt die Wartezeit vom Erstkontakt in der psychotherapeutischen Sprechstunde bis zum Beginn der Psychotherapie im Schnitt 97 Tage.

Krankschreibungen
nehmen zu

Zugleich steigt die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Diagnosen stetig.

Deshalb setzen sich Sabrina Höflinger aus Frasdorf und Larissa Kranisch dafür ein, dass Menschen möglichst früh beziehungsweise präventiv tätig werden, wenn sie merken, dass sie emotional in eine Schieflage geraten. Seit vier Jahren bieten die beiden jungen Frauen Kurse „Bouldern gegen Depression“ an – mittlerweile an fünf Standorten zwischen München und Rosenheim.

Mit diesen wollen sie Menschen dabei unterstützen, bereits ins Tun zu kommen, „bevor sie auf der Warteliste für eine Therapie stehen“. Denn verschlimmerten sich die psychischen Probleme, fehle häufig der Antrieb, überhaupt aufzustehen, sich zu organisieren, zu strukturieren, geschweige denn etwas zu unternehmen.

Nun soll mit einer aktuellen Studie der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt wissenschaftlich untersucht werden, wie der Bouldersport auf die psychische Gesundheit wirkt. Hierfür arbeiten die Masteranden um Dr. Katharina Goßmann mit der Initiative „Bouldern gegen Depressionen“ von Sabrina Höflinger und Larissa Kranisch zusammen. Die beiden Frauen suchen nun Menschen, die an dieser Studie teilnehmen wollen. In ihr Konzept haben sie ihre bisherigen Erfahrungen integriert. So hat Sabrina Höflinger, selbst passionierte Klettersportlerin, schon während ihres Studiums der Sportwissenschaften nicht nur eine Handicap-Kletter-Gruppe betreut und sich mit den Auswirkungen von Klettern auf die Psyche näher befasst, sondern auch ihre Masterarbeit an der TU München darüber geschrieben. Sie begleitete auch die Studie „Klettern und Stimmung“ des Uniklinikums Erlangen am Standort Weyarn und beschäftigte sich intensiv mit therapeutischem Klettern bei Depressionen.

Auch Larissa Kranisch hat eine große Leidenschaft fürs Bouldern und Klettern. Ihre Expertise teilte die Trainings- und Coachingpsychologin unter anderem als Dozentin für Psychologie an der Hochschule Fresenius. Die Heilpraktikerin für Psychotherapie begann Anfang 2019 mit Sabrina Höflinger die Konzeptionierung und Manualisierung der Kursreihe „Bouldern gegen Depression I-III“. Sabrina Höflinger erläutert: „Manualisiert heißt, wir haben ein Konzept, in dem ganz genau drinsteht, was in der Stunde passiert. Diese feste Struktur ist wichtig für die Teilnehmer“, so ihre Erfahrungen. Zu den Kursen kommen im Übrigen Menschen unterschiedlichster Fitnessstufen, Gewichtsklassen, Alters oder Herkunft – Studenten, Topmanager, Arbeitslose, zwischen 20 und Mitte 60 Jahren. Viele davon mit körperlichen Themen, nach einer Krebstherapie oder Operation. Aber auch Angehörige erkrankter Menschen haben schon mitgemacht.

„Das Schöne am Bouldern ist, dass man es total individuell an den Einzelnen und seine jeweilige, momentane Situation anpassen kann“, so Sabrina Höflinger. Unter den Teilnehmern gebe es durchaus jene, „die ihre Ressourcen und Kräfte erst einmal maßlos überschätzen“. Aber auch andere, die sich nichts zutrauen und sehr zurückhaltend beginnen. „Es ist spannend. Meistens entwickelt sich in den Gruppen sehr schnell Empathie, die Teilnehmer helfen, loben, motivieren einander“, beobachtet die Trainerin. Das sei vor allem vor dem Hintergrund unwahrscheinlich wertvoll, da sich 80 Prozent der von Depression Betroffenen sozial stark zurückziehen. In den Kursen kommen sie wieder in Kontakt.

„Es gibt auch darüber hinaus Kommunikationsgruppen, in denen sich die Teilnehmer austauschen. Diese bleiben auch nach Kursende bestehen.“ Manche verabreden sich weiterhin – sei es zum Kaffee, zum gemeinsamen Bouldern oder Spazierengehen.

„Unsere Boulderkurse sind kein Ersatz für eine Therapie, sondern können präventiv oder begleitend und stabilisierend in Anspruch genommen werden“, betonen Sabrina Höflinger und Larissa Kranisch. Das Angebot basiert auf der von Höflinger begleiteten wissenschaftlichen Studie „Klettern und Stimmung“ des Uniklinikums Erlangen, die die Wirkung der Boulderkurse als ebenso effektiv wie die Kognitive Verhaltenstherapie einstufte. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit sollen nun durch die wissenschaftliche Studie vertieft werden. „Je mehr wissenschaftliche Erkenntnisse wir über die Wirkung der manualisierten Boulderkurse sammeln, umso mehr Menschen können wir diese innovative Maßnahme bei Burnout oder Depression zugänglich machen“, erklärt Höflinger. Und Kranisch ergänzt: „Das Ziel wäre, dass die Kurse zumindest präventiv und anteilig von den Krankenkassen übernommen werden und wir durch Prävention dabei helfen, emotionale Schieflagen zu vermeiden oder abzumildern.“

Auf offene
Ohren gestoßen

Eine Idee, die auch in der Inklusiven Kletterhalle „Basislager“ in Bad Aibling auf offene Türen stößt. „Das Thema ist uns wichtig. Wir spüren das auch, dass in unserer Gesellschaft die Zahl der Menschen mit psychischen Problemen nicht weniger wird. Wir finden es darum auch schön und wichtig, dass wir hier Kooperationspartner mit einem solch guten Konzept haben“, sagt Natascha Haug, Vorsitzende der DAV-Sektion Stützpunkt Inntal.

Kostenloser Informationsabend

Artikel 3 von 11