Rosenheim – Mit seinem weißen Sicherheitshelm ausgestattet, steigt Endrit Muzaqi den 75 Meter hohen Kran hinauf. Sprosse um Sprosse. Es ist heiß. Die Luft ist stickig und erschwert den Anstieg. Immer wieder bleibt Musaqi stehen und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Kurz schaut er nach oben, dann klettert er weiter. Oben angekommen, lässt er sich auf den Sitz in der Fahrerkabine fallen. Von hier oben kann er auf Rosenheim und die Alpen blicken. „Vor der Höhe habe ich immer noch Respekt“, sagt er und schaut aus dem Fenster. Für das Interview geht es deshalb wieder 75 Meter in die Tiefe. Langsam steigt er hinunter. Als er den Asphalt wieder unter seinen Füßen spürt, atmet er erleichtert aus.
Höhenangst als ständiger Begleiter
„Alleine hochlaufen ist am schlimmsten“, sagt Muzaqi und lacht. Die Höhenangst ist auch nach einem Jahr im Beruf sein ständiger Begleiter. An seinen ersten Gang in die Luft kann er sich noch gut erinnern. Das erste Mal sei gar nicht so schlimm gewesen. Der zweite dafür um so mehr. „Wenn du oben bist, merkst du erst, wie hoch es eigentlich ist“, sagt er. Auch wenn Muzaqi nicht gerne auf den Kran steigt, lohnt es sich. „Die Aussicht von dort ist das Besondere an meinem Beruf“, sagt er.
Der 24-Jährige wollte – aufgrund seiner Höhenangst – niemals Kranführer werden. „Ich musste es vielmehr machen“, sagt Muzaqi. Seinem Vater gehört die Firma „M&M Abbruch“, die für die Abrissarbeiten in der Hafnerstraße zuständig ist. Vor sieben Jahren fing er im Familienbetrieb an. Er habe nach seinem Schulabschluss keine Ausbildung gemacht. „Ich habe direkt auf der Baustelle angefangen“, sagt Muzaqi. Seitdem ist er in der Region unterwegs. Vor einem Jahr machte er die zusätzliche Ausbildung zum Kranführer. „Die dauert zwei bis fünf Tage. Am Ende muss man eine Prüfung ablegen“, sagt er.
Seitdem ist Muzaqi zuständig für den Giganten aus Stahl. „Das Gute ist, dass ich gar nicht mehr nach oben steigen muss“, sagt der Rosenheimer und zeigt auf die Fernbedienung um seinen Hals. Damit könne man einen Kran vom Boden aus steuern. „Ich habe von hier unten die bessere Übersicht“, sagt Muzaqi.
Oben in der Luft sei er nur, wenn es nötig ist. Die Kabine ist sehr schmal. Platz hat nur ein Mensch, denn der Sitz und die Steuerungen nehmen die gesamte Kabine ein. „Meine Kabine habe ich deswegen nicht eingerichtet“, sagt der Kranführer und lacht. Immer mit dabei ist nur sein Handy für den Notfall – und gegen die Einsamkeit. Ein weiterer Grund, warum der 24-Jährige nicht so gerne in der Luft arbeitet.
Die Höhe sei beängstigend, trotzdem seien bislang keine Unfälle auf dem Kran passiert. Denn nach jeder Leiter befindet sich eine Zwischenebene, die vor dem tiefen Fall schützt. Auch nach außen ist der Kranführer durch die überkreuzten Metallstangen geschützt. Den Beruf als Bauarbeiter wollte Muzaqi schon immer machen. Trotzdem hat er für die Zukunft andere Pläne. „Ich möchte den Betrieb meines Vaters übernehmen“, sagt Muzaqi. Für ihn sei es schade, dass handwerkliche Berufe immer unattraktiver wirken. „Der Bau stirbt langsam aus“, sagt er. Viele wollen den Beruf nicht mehr ausüben. Der Kranführer vermutet, dass es daran liegt, dass sich viele nicht schmutzig machen wollen. „Es ist aber ein Beruf, der notwendig ist“, sagt er.