„Eine Stadt getaucht in Regenbögen“

von Redaktion

Der Christopher Street Day war nur der Anfang. Am Montag gründeten drei junge Rosenheimer den Verein „LGBTQ+“, der sich für die Belange queerer Menschen in Rosenheim und Umgebung einsetzen soll. Ihr Traum: ein gleichberechtigter Teil der Rosenheimer Gesellschaft zu werden.

Rosenheim – Sarah Broßart achtet genau auf ihre Umgebung, bevor sie die Hand ihrer Frau nimmt. Sie habe bereits Nazi-Parolen zugerufen bekommen. Auch die Regenbogenflagge holt sie nur ungern in großen Menschenmassen hervor. Oft habe sie Angst vor Übergriffen.

Die Akzeptanz für die queere Community ist nur ein Grund, warum Sarah Broßart mit Anna Gmeiner und Jonas Turber den Verein „LGBTQ+“ gegründet hat. „Ich will auch mit meiner Frau Händchenhalten durch Rosenheim gehen können“, sagt Broßart.

700 Menschen beim
CSD in Rosenheim

„Die Gründung des Vereins war schon lange notwendig gewesen“, sagt Gmeiner. Anlass bot nun der erste Christopher Street Day (CSD) in Rosenheim. 700 Menschen aus der Region gingen für die Rechte Queerer auf die Straße. Zu dieser Gemeinschaft gehören Personen, die nicht heterosexuell sind oder sich nicht mit den traditionellen Geschlechtern identifizieren. Laut Gmeiner war der erste Rosenheimer CSD ein voller Erfolg. „Er hat einen Funken in Rosenheim entfacht, denn wir nicht erlöschen lassen wollen“, sagt sie.

Auf diesem Funken baut nun der Verein auf. „Es gibt vieles, an dem es in Rosenheim noch mangelt“, sagt Broßart. So fehle es vor allem an Beratungsstellen für queere Menschen. Viele Betroffene wüssten nicht, an wen sie sich mit ihren Problemen und Ideen wenden können. Außerdem habe der CSD gezeigt, wie viele Menschen dieser Community in Rosenheim und Umgebung leben – und das oft im Verborgenen.

„Vieles findet hinter verschlossenen Türen statt“, sagt Gmeiner. Das solle in Zukunft anders sein. Die drei wollen sich mehr für die queere Community einsetzen. „Vor allem jetzt, wo die Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Ehen wieder zurückgeht“, sagt Gmeiner.

Sie fordern mehr Offenheit. „Wir träumen von einer Stadt getaucht in Regenbögen“, sagt Gmeiner.

Doch so weit sei Rosenheim noch lange nicht. Mit 13 Jahren habe sie erschrocken festgestellt, dass in Rosenheim „noch einige konservative und homophobe Szenen präsent sind“. Das müsse sich ändern. Ein Anfang wäre, wenn Geschäfte die Regenbogenflagge raushängen würden. „Damit wir merken, dass wir hier gewollt sind“, sagt sie.

Mehr Akzeptanz für
queeres Leben

Dem pflichtet Turber bei. Er hofft, dass der Verein lange lebt und sich viele Aktionen etablieren. Der erste Schritt ist am vergangenen Montag mit der Gründung des Vereins erfolgt. An diesem Tag fand die Gründungsversammlung statt, an der 30 Mitglieder teilnahmen. Alle drei haben es in den Vorstand geschafft. Die Erste Vorsitzende ist Anna Gmeiner, Schatzmeister ist Jonas Turber und die Schriftführerin Sarah Broßart. Außerdem sind Mario Stemmler und Jonas Bettger die zwei Beisitzer. „Ich bin überwältigt, wie viele Menschen zur Vereinsgründung gekommen sind. Das ist der Beweis, dass es einen Verein wie diesen auch hier braucht, um endlich Akzeptanz für queeres Leben in Rosenheim zu schaffen“, sagt Gmeiner.

Für die Zukunft wünscht sich Turber, dass der Verein den Menschen Sicherheit gibt. „Wir wollen ein Teil der Gesellschaft in Rosenheim werden“, sagt er. Neben gemeinsamen Feierlichkeiten soll es auch hochwertige Angebote geben. „Wir wollen ein Ausgleich zwischen gemeinsamen Feiern und Vernetzung schaffen“, sagt Turber. Dabei steht die Aufklärung für nicht-queere Menschen und Vorträge in Bildungseinrichtungen im Vordergrund. Auch das seit Jahren bestehende Safe Space Café soll ausgebaut werden, um ein sicherer Ort für queere Jugendliche zu sein. „Es soll normal sein, dass wir da sind“, sagt Turber.

Konsequenzen für
Willinger CSU-Chef

Dass Aufklärung notwendig ist, zeige sich auch in der Politik. „Ich wünsche mir, dass die CSU Willing keine Fotos mehr von unserem CSD postet“, sagt Gmeiner. Auf der Facebook-Seite der Willinger CSU hatte deren Vorsitzender Markus Stigloher, der auch Dritter Bürgermeister der Stadt Bad Aibling ist, ein Foto von einer Menschengruppe beim CSD in Rosenheim gepostet, die ein Foto mit der Aufschrift „Queer.Proud.Grün“ hochhält. Stigloher kommentierte das Foto mit den Worten: „Was soll daran proud sein, wenn wer queer ist? Die Natur hat für die Queeren keine Fortpflanzung vorgesehen. Das ist der ultimative Big Fail im Leben der Queeren. CSU Willing meint: kein Adoptionsrecht für Homos.“

Bei den drei Gründern des Vereins „LGBTQ+“ führte dieser Post zu Ärger. „Es wäre schön, wenn es für so was Konsequenzen gibt“, sagt Gmeiner. Eine kurze und halbherzige Entschuldigung sei nicht ausreichend für diese Worte. Für die Zukunft wünschen sich die drei, dass „Gesellschaft und Politik Hand in Hand gehen“.

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