Rosenheim – Vor einigen Jahren sah das Leben von Nils Kurzeder noch ganz anders aus. „Ich war früher sehr übergewichtig“, sagt der Rosenheimer. Sport und gesunde Ernährung spielten für ihn keine große Rolle. Ihm habe es an Motivation gefehlt.
Nachdem er in der Schule immer wieder auf sein Gewicht angesprochen worden war, entschied er sich, sein Leben zu ändern. „Ich wollte nicht mehr der Dicke sein“, sagt Kurzeder. Er versuchte es mit Sport. Probierte Handball, Fußball und Kampfsport aus. Doch die Gewichtsabnahme kam erst, als er vor sieben Jahren die Leidenschaft für Kraftsport entdeckte.
Von karnivorer bis
veganer Ernährung
Mit 14 Jahren kannte sich Kurzeder noch zu wenig mit der Sportart aus. Er aß zu wenig und machte umso mehr Übungen. Das Kalorienzählen sei sein ständiger Begleiter gewesen. „Ich habe es in einem Maß betrieben, das man als Essstörung bezeichnen könnte“, sagt er.
Als es ihm an Kraft und Energie fehlte, kam die Wende. Er informierte sich über das Thema Ernährung. Und studierte die unterschiedlichsten Formen und probierte von karnivorer bis veganer Ernährung alles selbst aus. Sowohl bei der karnivoren Ernährung, bei der sich ausschließlich von Fleisch ernährt wird, als auch bei der veganen, habe er Mangelerscheinungen gehabt.
Heute streicht Kurzeder nichts mehr aus seinem Speiseplan. Nur das Kalorienzählen sei ihm noch wichtig. „Ich fühle mich besser, wenn ich weiß, was ich an einem Tag zu mir nehme“, sagt der 21-Jährige. Deshalb bringt er immer sein eigenes Essen mit. Für seine Tupperdosen sei er bei seinen Freunden bekannt. Eins ist für Kurzeder klar: „Die Ernährung ist mir sehr wichtig.“ Und das möchte er auch anderen Menschen näherbringen.
Nach seinem Schulabschluss begann Kurzeder eine Ausbildung bei der Polizei in Rosenheim. Nebenbei absolvierte er eine Weiterbildung zum Personaltrainer und spezialisierte sich auf über 60-Jährige. „Mir fiel auf, wie viel es an Aufklärung zum Thema Ernährung fehlt“, sagt Kurzeder. Das wolle er mit seiner Position im Bürgerrat „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ nun zu ändern versuchen.
Der Bürgerrat soll die verschiedenen Perspektiven der Bürger einbringen. Es gehe darum, was die Bürger in der Ernährungspolitik vom Staat erwarten. Der Bürgerrat werde auch beraten, wann der Staat bei dieser Thematik aktiv werden soll und wann nicht.
Der Deutsche Bundestag initiiert diesen Bürgerrat. Zu Beginn lud Bundestagspräsidentin Bärbel Bas 19327 zufällige Personen zur Teilnahme ein. Auch Kurzeder erhielt die Mail und willigte ein. Er habe ein Formular über persönliche Daten ausfüllen müssen. So wurde unter anderem nach dem Bildungsstand, Beruf und Ernährungsform gefragt. In einer Lotterie wurden die 160 Endteilnehmer ausgelost. „Und ich bin der glückliche Gewinner, der sich dazu zählen darf“, sagt der Rosenheimer.
In dieser Wahlperiode kann es maximal drei Bürgerräte geben. Der Bundestag entscheidet, ob ein weiterer Bürgerrat eingesetzt werden muss. „Am 29. September startet der erste Bürgerrat“, teilt die Pressereferentin des Bundestags, Anna Rubinowicz-Gründler, auf OVB-Anfrage mit. Seine Arbeit werde wissenschaftlich begleitet und evaluiert.
Doch wo soll der Staat eingreifen und wann ist es Privatangelegenheit? Für Kurzeder ist dieser Punkt bereits klar. „Der Staat sollte mehr eingreifen dürfen und mehr Aufklärung in Schulen und Kindergärten betreiben“, sagt er. Vor seiner Zeit bei der Polizei habe er im Kindergarten gearbeitet. „Es tat mir leid, wenn ein übergewichtiges Kind sich immer weiter ungesund ernährte“, sagt Kurzeder. Vor allem, wenn die vielen Kilos nicht mehr auf die Gene zu schieben seien. Doch viele Eltern wollten davon nichts wissen, sagt er. Für ihn steht damit fest: Da sollte der Staat eingreifen dürfen.
Nährwerte sollen
offengelegt werden
„Ich wüsste nicht, was die optimale Lösung ist“, sagt Kurzeder. Vielleicht könnten kostenlose Workshops und Ernährungsberatungen ein Anfang sein. Sowie mehr Transparenz im Umgang mit den Nährwerten. „Restaurants und Fast-Food-Ketten sollten verpflichtet werden, die Nährwerte ihrer Gerichte offenzulegen“, sagt der 21-Jährige. Wenn ein Gast nach den Nährwerten fragt, sollten diese für ihn einsehbar sein.
Nicht nur die Ernährung sei ausschlaggebend. „Es sollte auch bessere Angebote für sportliche Aktivitäten geben“, sagt Kurzeder. Die jüngere Generation werde immer gemütlicher und bräuchte neben dem Schulalltag einen sportlichen Ausgleich. Gerade für diese Altersgruppe nimmt Kurzeder gerne den Platz im Bürgerrat ein.