„Müssen mit mehr Leerstand rechnen“

von Redaktion

Interview Rosenheimer Immobilien-Experte Thomas Wüstefeld mit düsterer Prognose

Rosenheim – Thomas Wüstefeld kümmert sich in der Innenstadt um die Vermietung zahlreicher Gewerbeflächen. Im OVB-Gespräch erklärt er die aktuelle Situation, verrät, welche Möglichkeiten Vermieter haben und warum es weniger Autos in der Stadt braucht.

In der Stadt gibt es im Moment 37 Leerstände. Ist das in Ihren Augen ein Grund zur Sorge?

Die Zahl wird noch steigen. An der Münchener Straße, gegenüber vom Salinplatz, müssen wir zunehmend mit Leerstand rechnen. Einige Unternehmen werden in den kommenden Monaten die Flächen verlassen. Die Lage ist dort zunehmend unattraktiv geworden.

Helfen günstigere
Mieten?

Es ist die einzige Stellschraube, die Eigentümer haben. Aber selbst das bringt in den meisten Fällen recht wenig. Denn günstigere Mieten steigern nicht automatisch die Attraktivität. Die Münchener Straße hat an Attraktivität verloren. Viele Geschäfte – wie beispielsweise das Kosmetikgeschäft Rituals – suchen nach Alternativen und ziehen anschließend in bessere Quartiere. In dem Fall in die kleine Fußgängerzone.

Also ist die kleine Fußgängerzone in Rosenheim ein attraktiver Standort?

Auf jeden Fall. Im Moment gibt es dort zwar noch eine Baustelle, aber sobald die beendet ist, wird die Aufenthaltsqualität dort sehr hoch sein. Es wird beispielsweise Bänke und Bäume geben. Ein weiterer Vorteil: Es fahren dort nicht permanent Busse und Autos vorbei.

Wo läuft die Vermietung im Moment denn überhaupt noch gut?

Am Ludwigsplatz und am Max-Josefs-Platz. Dort gibt es eine hohe Aufenthaltsqualität. Trotz der vielen Autos am Ludwigsplatz. Ziel müsste jetzt sein, die angrenzenden Straßen noch attraktiver zu machen.

Die Kaiserstraße ist vielen ein Dorn im Auge.

Auch hier muss die Aufenthaltsqualität erhöht werden. Das ginge durch eine Einbahnstraße, verbreiterte Gehwege und eine zusätzliche Bepflanzung. Als Außenstehender lässt sich leicht reden, aber es braucht an dieser Stelle Überlegungen und Ideen. Dann kann es auch gelingen, dass sich hochwertige Geschäfte ansiedeln. Wenn die Straße so bleibt, wird das Angebot über Dönerbuden nicht hinausreichen.

Auch am Max-Josefs-Platz gibt es Leerstand. Das ehemalige Geschäft der Parfümerie Wiedemann zum Beispiel.

Dieses Gebäude ist für viele Kunden keine 1A-Lage mehr. Der Eingang wird vom Max-Josefs-Platz kommend vom Restaurant verdeckt. Dadurch laufen viele Bürger an dem Geschäft vorbei. Auch wenn es von der anderen Seite besser ist, spielt das bei vielen Interessierten eine große Rolle. Eine Gastronomie könnte hier interessant sein. Aber das ist Zukunftsmusik.

Wäre eine Umnutzung der Erdgeschosse in ihren Augen sinnvoll?

Das ist tatsächlich sehr schwierig. Das liegt an der Struktur der Einzelhandelsflächen. So gibt es beispielsweise keine Fenster – lediglich im vorderen Bereich. Dadurch ist der hintere Teil oft stockdunkel. Ein Umbau ist in den meisten Fällen nicht möglich. Auch eine Büronutzung ist oft schnell vom Tisch. Denn viele Betreiber wollen Parkplätze haben. Und genau die sind in der Innenstadt Mangelware.

Eine weitere Idee, um Leerstände zu vermeiden, sind Concept- und Pop-up-Stores.

Ich weiß nicht, ob dieses Konzept wirklich aufgeht. Natürlich ist es besser als eine leere Fläche. Aber auch das steigert in meinen Augen nicht die Attraktivität. Zudem haben viele Eigentümer keine Lust auf Pop-up-Stores, weil es viel Arbeit ist und die meisten Initiatoren kein Geld bezahlen wollen.

Braucht es zusätzliche Einzelhandelsflächen?

Nein. Was uns fehlt, sind die Frequenzbringer, wie es sie beispielsweise im Aicherpark gibt. In der gesamten Innenstadt gibt es beispielsweise keinen Elektrohändler. Meiner Meinung nach sollte der Fokus darauf liegen, die Aufenthaltsqualität zu erhöhen und die Straßen in der Innenstadt zu entlasten. Und das sage ich, obwohl ich selbst Autofahrer bin.

Im Raum steht, die Fußgängerzone auszuweiten.

Eine sehr gute Idee.

Interview: Anna Heise

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