Rosenheim – Die Inschriftentafel, die ursprünglich den unteren Abschluss bildete, ist schon lange verloren. An wen erinnert das frühbarocke Gedenkmal? Hier helfen die beiden „sprechenden Wappen“ weiter, die bereits Otto Titan von Hefner 1860 in seiner „Chronik von Rosenheim“ zwei prominenten Familien zuordnete. Der gekrönte Bär, der an einem Felsen aufspringt, verweist auf die Rosenheimer Familie Peer, die drei Gimpel (Dompfaffe) auf einem schrägen Balken auf das Wasserburger Geschlecht der Gumpelzheimer. Damit haben wir Andreas Peer (1581 bis 1654) und Sabina Gumpelzheimer (um 1581 bis 1636), die 1601 geheiratet haben.
Wohlhabender
Händler und Ratsherr
Die Peer stammen ursprünglich aus Hall in Tirol. Simon Peer (1561 bis 1634), der Vater von Andreas Peer, kam als junger Mann nach Rosenheim und brachte es hier als Wein- und Getreidehändler zu Wohlstand und als Bürger und Ratsherr zu Ansehen. Bekannt wurde Simon Peer durch die Stiftung der Spitalkirche St. Joseph (Weihe 1620) in der Innstraße, die der Sohn Andreas nach dem Stadtbrand 1641 wieder aufbauen ließ. An den Stifter erinnern hier eine Gedenktafel über dem Kirchenportal und ein Grabstein im Inneren.
Sabinas Vater Georg Gumpelzheimer der Jüngere war 1599, also zwei Jahre vor der Hochzeit, gestorben. Nun lag es an der Witwe Maria, die vier Töchter, allesamt noch ledig, standesgemäß zu verheiraten. Die Gumpelzheimer haben ihren Ursprung in dem kleinen Dorf Gumpertsham bei Babensham, nicht weit von Wasserburg am Inn, wo sie ab 1440 als Bürger und Ratsmitglieder erscheinen.
Georg Gumpelzheimer der Jüngere bewohnte mit seiner Familie ein gediegenes Anwesen mit Hauskapelle am Marienplatz (heute Nr. 17, Markthallen). Hier hatte er einen gut sortierten Tuchladen, die beiden anderen Geschäfte waren in Hall in Tirol und Linz an der Donau. Von hier betrieb er einen internationalen Tuchhandel mit Stoffen aus England, Schlesien oder auch Oberitalien, der ihn zum wohl reichsten Wasserburger Patrizier und Handelsherrn des 16. Jahrhunderts machte. Georg Gumpelzheimer besaß umfangreichen Immobilienbesitz, auch in Rosenheim, und hatte etlichen Rosenheimern Geld geliehen; auch die Marktkammer stand mit 450 Gulden bei ihm in der Kreide. Was einzig fehlte, war ein Sohn. So starb mit Georg Gumpelzheimers Tod 1599 die männliche Linie in Wasserburg aus.
Doch zurück zum Epitaph in St. Nikolaus. Ausgehend von Andreas Peer und Sabina Gumpelzheimer lassen sich nun auch die beiden Figuren einordnen. Es sind die Namenspatrone der Eheleute, die heilige Sabina und der heilige Andreas. Es fällt auf, dass die beiden Heiligen nicht mit den Wappen darunter korrespondieren. Die Skulpturen wurden offensichtlich vertauscht, vielleicht bei der letzten Umsetzung des Gedenkmals, als es um 1960 aus Gründen des Denkmalschutzes von der Westfassade an den heutigen Platz in der Vorhalle kam. Ursprünglich war das Epitaph im Kircheninneren und sollte jeden Betrachter an die Stifter erinnern, später kam es bis 1880 an den Chorschluss im Osten.
Einige Beschädigungen des Werks, das stilistisch zwischen Spätrenaissance und Frühbarock einzuordnen ist, fallen auf. Den Heiligen fehlen ihre Attribute (Andreaskreuz und Palmzweig der Märtyrerin), ebenso ist der rechte Arm Christi auf dem Relief der Marienkrönung abgebrochen und fehlt. Diese Bildlösung ist ungewöhnlich, normalerweise hält der Gottessohn mit der Linken die Krone über das Haupt seiner Mutter. Dann steht der Arm nicht frei und ist nicht so bruchgefährdet.
Die anspruchsvolle Gesamtgestaltung, die hohe Qualität der Arbeit sowie Stilvergleiche der Engelsköpfchen, Korkenzieher-Locken und Fruchtgirlanden verweisen auf David Zürn und seine Werkstatt in Wasserburg am Inn, die er hier ab 1628 bis zu seinem Tod 1666 führte, wie der Wasserburger Kunsthistoriker Ferdinand Steffan in mehreren Aufsätzen belegt.
Zur Datierung: Da Sabina Gumpelzheimer durch das kleine Kreuz als verstorben gekennzeichnet ist und wir wissen, dass sie am 6. Juli 1636 starb, muss das Epitaph nach ihrem Tod angefertigt worden sein. Auch aus stilistischen Gründen ergibt sich damit ein Zeitraum von Ende 1636 bis kurz nach 1640. Der schwere Stadtbrand von 1641 hinterließ jedenfalls keine Spuren.
Zürn-Werkstatt war
die Beste weitum
In den Entstehungsjahren lief in der Wasserburger Werkstätte von David Zürn eine wahre Hochproduktion, denn es gab tatkräftige Unterstützung durch die beiden älteren Brüder Martin Zürn und Michael Zürn d. Ä. Ausreichend Arbeit bei der Neuausstattung der Wasserburger Pfarrkirche St. Jakob mag die beiden im Winter 1635/36 angelockt haben, wovon die Kanzel heute noch zeugt. Nach Unstimmigkeiten zogen die Brüder im Winter 1639/40 dann weiter nach Burghausen.
Es erscheint naheliegend, dass Andreas Peer sich an die Werkstätte von David Zürn in Wasserburg wandte, als er ein hochwertiges Gedächtnismal für seine Familie in Auftrag geben wollte. Die verwandtschaftlichen Kontakte waren wohl nie abgerissen und in Rosenheim gab es zu dieser Zeit keine vergleichbar qualitativ hochwertig arbeitende Werkstätte. Schön ist auch die Wahl der Marienkrönung als Hauptthema, womit Andreas Peer ausdrückt, dass Sabina seine Königin ist. Das Epitaph markiert aber auch ein Ende, denn mit dem Tod von Andreas Peer 1654 starben die Peer in Rosenheim aus.