Rosenheim – Nepo Fitz geht selten mit einem Plan auf die Bühne. Bei seinem neuen Programm geht es in erster Linie um das, was er spontan alles draufhat. Im Interview verrät der 42-Jährige, warum er sich auf der Bühne zu Hause fühlt, und wie es ist, mit berühmten Eltern aufzuwachsen.
Ukraine-Krieg, Energiekrise und ein Rechtsruck in der Gesellschaft: Was macht die momentane Situation mit Ihnen?
Ich verfolge die Nachrichten natürlich fassungslos, aber bin nicht der Typ für sofortige Statements Tage nach den Geschehnissen. Wie US-Comedian Lewis Black es treffend formulierte: „Warum fragt ihr einen Comedian? Fragt erst mal Experten, alle verdammten Experten“ – „It can wait a week until you talk to the assholes“ – also uns. Ich freue mich jedoch, wenn Leute mit extremen Ansichten meine Shows besuchen.
Wieso das?
Ich liebe es, ihnen ihre geschlossenen Gedankensysteme oder zumindest den Abend zu verderben Die Vorstufe hatte ich schon: Faschingsgesellschaft. Es gibt nichts Humorloseres und Deutscheres: „Ab 11 Uhr 11 wird gelacht.“ 600 Leute im Saal buhten auf meine Frage, ob ihr Leben so desolat sei, dass sie sich einmal im Jahr selbst imaginäre Orden verleihen müssten. Danach habe ich gegen ihren und den Willen des Veranstalters noch weitere 20 Minuten Rocksongs ins Klavier gehämmert. Schön war’s.
Hat Comedy in Zeiten wie diesen überhaupt Platz?
Entertainment hat immer Platz, solang es entertaint – und darf den Leuten auch etwas zumuten und sie überraschen. Diese Faschingsveranstaltung zum Beispiel hatte das Unerwartete „gebraucht“. In einer bekannten österreichischen TV-Talentshow habe ich mal als Hitler einen Pro-Demokratie-Anti-Nazi-Tanz performt. Gewonnen habe ich damit natürlich nicht, aber dafür durften sie ihren Export-Braunauer noch mal live und in Farbe erleben – bis zum Selbstmord-Schuss.
Es gibt Gerüchte, dass Sie ohne Plan auf die Bühne gehen.
Ich bin der Plan. In Deutschland herrscht in Comedy und Kabarett immer noch die Referatskultur – auswendig lernen und dann schön aufsagen. Und dann klatscht das Publikum artig. Zwei Jahre die gleiche Show? So etwas passt nicht mehr in die aktuelle Zeit, in der Bewegungen und Gegenbewegungen aus dem Nichts kommen und sich in Online-Bubbles in Windeseile aufblähen. Da muss man die Klinge schärfen.
Haben Sie nicht Angst, dass Ihnen auf der Bühne irgendwann mal die Geschichten ausgehen?
Ich benutze auf der Bühne alles, was mir an Sprach-, Musik- und Interaktions-Tools zur Verfügung steht. Eine Stunde volles Rohr. Ich komme zum Auftritt, um selbst ein Spektakel zu erleben. Die Performance entwickelt sich spontan – wie in unserem Gespräch. Ich nehme die Stimmung im Raum auf, lass sie durch meinen Filter laufen und entlade sie dann gemeinsam mit dem Publikum in den schönen Abend. Und wenn ich mal eine Schweigeminute einlege, wird mir bei der Maschinengewehrschnauze keiner böse sein.
Wie haben Sie sich auf Ihr neues Programm vorbereitet?
Mit meinen bisherigen Shows seit 2008. Ich bin sogar mal ein halbes Jahr lang in meinen Keller und habe dort jeden Tag eine Stunde mit mir selbst geredet, später dann im Auto und vor der Kamera. Irgendwann kann man’s. Trotzdem kann es auch mal peinlich werden auf der Bühne – aber eher wegen der dem Adrenalin geschuldeten Grobmotorik: Nasenbluten nicht bemerken, hinter die Bühne fallen, Klavier umwerfen – hatte ich alles schon. Sobald ich auf der Bühne stehe, bin ich in meinem Film.
Also sind Sie im echten Leben nicht so eine Rampensau?
Tagesformabhängig! Mit Kaffee wie jetzt gerade bin ich überdreht. Aber ständig wie auf der Bühne zu sein, wäre unerträglich. Die Bühne ist ein sicherer Raum, um gemeinsam mit dem Publikum Emotionen und Gedanken auszuloten, die im Alltag fehl am Platz wären. Wer das nicht versteht, sollte lieber Schauspiel statt Extremismus wählen.
Erinnern Sie sich an einen besonderen Auftritt?
An viele – vor 3000 Zuschauern bis hin zu intimen Runden von 30 Personen, auf Kreuzfahrtschiffen, Firmenevents und Online-Streams auf Englisch. Ein denkwürdiger Moment war, als ich für meine krebskranke Tante und andere Patienten in einer Klinik auftrat. Sie meinte: „Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zu den Propheten kommen.“ Es war wahrscheinlich der letzte Auftritt, den einige von ihnen erlebten, und ich bin froh, ihnen damit eine Freude gemacht zu haben.
Von einigen Medien werden Sie als bayerische Lady Gaga bezeichnet. Eine treffende Beschreibung?
Egal, wo und vor wem ich auftrete, versuche ich immer, mein Ding zu machen. Natürlich ist es für mich eine Ehre, mit solchen Stars verglichen zu werden. Aber manchmal ist es mir dann doch unangenehm. Ich wurde auch einmal als der bayerische Robbie Williams angekündigt. Leute suchen immer nach Schubladen, in die sie mich stecken können. Als Ikea-Fan verstehe ich das.
Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Als fließendes Nichts, Motto „lebensbejahend negativ“. Im Beruf bin ich Musiker, der zu sprechen begonnen hat. Ich liebe es, mich mit neuen Dingen zu beschäftigen. Im Moment fasziniert mich Cinematografie, daher zeichne ich jede Show auf und mache einen Video-Podcast. Ich habe das Wandern in Island für mich entdeckt – und wie ein perfekter Morgen aussieht.
Wie denn?
Mit einem Kaffee und zwei Croissants auf dem Balkon – jeden Tag.
Dass Sie auftreten, dürfte eigentlich niemanden verwundern. Sie sind der Sohn von Kabarettistin Lisa Fitz und Rockmusiker Ali Khan und standen bereits mit 15 Jahren zum ersten Mal auf der Bühne.
Ich war tatsächlich von klein auf dabei. Rockkabarettshows mit verrückten Teufelsmasken und Texten wie „Nymphomania Schizophrenia “ waren für mich normal. Mit 24 hab ich „rebelliert“ und BWL studiert – drei Monate lang, dann ist die Infinitesimalrechnung an mir gescheitert. Also doch lieber Live-Shows und seit Kurzem ein Coaching für angehende Live-Performer.
Kann man Kabarett erlernen?
Wenn noch nie irgendjemand über dich gelacht hat, helfen auch trockene Comedy-Techniken nichts. Aber jeder hat eine Geschichte zu erzählen und bei Anfängern scheitert es oft an anderen Dingen wie Schreibblockaden, Bühnentechnik oder Booking. Wenn du das Drumherum beherrschst, kannst du auf der Bühne einfach du selbst sein und Spaß haben.
Auf was können sich die Rosenheimer am Sonntag freuen?
Auf eine „Fetzengaudi“. Ich hoffe, sie bringen Lust, gute Laune, ihre Freunde – und Feinde mit.