Restaurierung eines Wahrzeichens

von Redaktion

Risse, bröckelnder Putz, morsche Balken: Die 355 Jahre alte Rundkirche Sankt Johann Baptist und Heilig Kreuz muss dringend saniert werden. Nun startet das Millionenprojekt. Die Arbeiten bergen zahlreiche Herausforderungen.

Rosenheim – Es ist ein Millionenprojekt, an dem eine große Zahl an Firmen, Handwerksbetrieben, Architekten und Projektleiter aus ganz Deutschland beteiligt sind: Die Sanierung der Rundkirche Sankt Johann Baptist und Heilig Kreuz im Rosenheimer Stadtteil Westerndorf am Wasen stellt die Beteiligten vor Herausforderungen. Zwei Jahre lang, so die aktuelle Prognose, herrscht deshalb dort Ausnahmezustand. Danach soll das 355 Jahre alte Bauwerk in neuem Glanz erstrahlen und für die nächsten Jahre gewappnet sein.

Franz Unterlinner packt an, wo er gebraucht wird. Und das ist derzeit oft der Fall. Der Schreinermeister aus Westerndorf ist Kirchenpfleger der Pfarrei Mariä Himmelfahrt. Dort steht mit dem barocken Kleinod eine der bekanntesten Rundkirchen nördlich der Alpen. Viele Besucher aus nah und fern kommen jedes Jahr, um das einzigartige Bauwerk im Rosenheimer Süden zu bestaunen. Kirche, Gasthaus, Feuerwehr und Dorfweiher: Westerndorf konnte bis heute seine dörfliche Struktur bewahren.

Einblick in das
Innere der Kuppel

Hier ist der 70-Jährige zu Hause und ehrenamtlich vielseitig engagiert. Mit Leidenschaft kümmert er sich um die Filialgemeinde und verkörpert damit auch die große Verbundenheit der heimischen Bevölkerung mit „ihrer“ Kirche. Doch dreieinhalb Jahrhunderte haben ihre Spuren an dem Gotteshaus hinterlassen. Es gibt Risse an der Gebäudehülle, von denen bis heute niemand so recht weiß, woher genau sie eigentlich kommen.

Über eine steile Treppe führt Unterlinner beim Pressetermin in den versteckten Dachstuhl, das Innere der riesigen Kirchen-Kuppel, die normalerweise nicht öffentlich zugänglich ist. „Hier müssen dringend Holzlatten und Balken getauscht werden“, sagt er und wirft den Schein einer Taschenlampe auf die Konstruktion mit scheinbar unendlich vielen Verzweigungen.

Die Luft ist stickig hier oben. Es ist dunkel. Nur durch eine eigens für die Sanierung eingerichtete Luke auf der Ostseite scheint etwas Licht. Neue Dachschindeln sind ebenso erforderlich wie frische Wandfarbe außen am Kirchenschiff. Dort bröckelt an immer mehr Stellen der Putz. Die Folgen von Wind und Wetter sind sichtbar geworden. Zugleich nutzen die Verantwortlichen die Renovierung, um weitere Maßnahmen zu bündeln. „Wir bekommen einen Trink- und Brauchwasseranschluss“, erklärt der Rosenheimer. Ein gepflasterter Fußweg am Friedhof soll zudem einer älter werdenden Gesellschaft den barrierefreien Zugang ermöglichen.

Vor wenigen Wochen ist der Startschuss für das wohl umfassendste Bauprojekt in der jüngsten Vergangenheit von Westerndorf am Wasen gefallen. Es ist keine leichte Aufgabe, alles unter einen Hut zu bringen. Projektleiter, Architekten, Vertreter vom Erzbischöflichen Ordinariat in München sowie der Stadtteilkirche Am Wasen sind eingebunden, ebenso etliche Ehrenamtliche.

Schon das Gerüst war
eine Herausforderung

Schon das Baugerüst war eine Herausforderung. Die Kreisform machte eine Spezialanfertigung einer Münchener Gerüstbaufirma erforderlich. Ein Fahrstuhl ermöglicht den Zimmerern der Firma Schnitzenbaumer aus Bad Feilnbach sowohl Einstieg als auch Transport von Mensch, Material und Maschine in die Kuppel. Im Inneren angekommen werden jetzt erst einmal Podeste und Zwischenebenen eingebaut, um überhaupt arbeiten und sich sicher bewegen zu können.

Rund 15 Meter ist die Kuppel hoch. Wer hier werkelt, muss schwindelfrei und körperlich fit sein und sich im Winter womöglich dick anziehen, wenn der Erler Wind in luftiger Höhe um die mächtigen Mauern pfeift. Es folgt außerdem die Installation einer leistungsstarken Beleuchtung als Ersatz für zwei in die Jahre gekommene Baustrahler. Im Anschluss rücken Fachkräfte mit Spezial-Staubsaugern der Firma Zosseder an. Sie entfernen den Feinstaub aus dreieinhalb Jahrhunderten, befreien die Kuppel von Schutt, Schmutz und Ruß – eine bisher nie da gewesene und umfassende Säuberungsaktion.

Stets im Zeitablauf berücksichtigt werden muss auch die graue Langohrfledermaus, eine extrem seltene Tierart, von der es im gesamten bayerischen Alpenraum nur noch zwei Kolonien gibt. Läuft alles wie geplant, findet sie ein Ersatzquartier in einem alten Bauernhof unmittelbar in der Nachbarschaft, bevor eine Spezialfirma aus Kassel anrückt. Sie installiert dann eine Seilbahn und ermöglicht damit punktuelle Ausbesserungen am Kuppeldach.

Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind die beengten Platzverhältnisse an der Kirche. Um eine provisorische Lagerfläche schaffen zu können, hat Grundanlieger Anton Weinfurtner unbürokratisch geholfen und eine Fläche zur Verfügung gestellt. So können Material und Maschinen angeliefert werden.

„Wir möchten uns bei ihm und allen, die dazu beitragen haben, diesen Platz zu schaffen, bedanken“, so Unterlinner. Denn nur mit einer intakten Dorfgemeinschaft und einem „Miteinander“ sei ein solches Großprojekt möglich.

Bis Ende 2025
Beeinträchtigungen

Zugleich bittet er alle Kirchenbesucher und Grabanlieger um Verständnis, wenn es bis Ende 2025 zu Beeinträchtigungen am Friedhof kommt. Zeitweise können einzelne Flächen und Wege nicht zugänglich oder von Baumaterialien blockiert sein. Die verschiedenen Bauzustände können immer wieder diverse Beeinträchtigungen mit sich bringen. Ob auch die Kirche selbst aus Sicherheitsgründen für einen gewissen Zeitraum nicht zugänglich sein wird, lässt sich noch nicht final sagen. Falls es zu einer Sperrung kommen sollte, informiert die Stadtkirche rechtzeitig.

Glücklich ist auch Pfarrer Fabian Orsetti. „Ich freue mich sehr, dass die Restaurierung nun beginnen kann. Sie wurde ja von langer Hand geplant und ich bin dankbar, dass das Erzbistum diese Maßnahme großzügig unterstützt“, sagte der Leiter der Stadtteilkirche. Sehr dankbar ist er aber vor allem auch dafür, dass sich auch so viele Ehrenamtliche um die Kirche kümmern und dabei mithelfen, sie zu erhalten. „Sie ist ein wunderbarer Raum des Gebetes und zugleich in ihrer außergewöhnlichen Rundform ein Wahrzeichen Rosenheims“, so der Geistliche. Damit dies so bleibt, dafür möchte sich auch Franz Unterlinner weiterhin tatkräftig einsetzen.

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