„Wir haben absoluten Handlungsbedarf“

von Redaktion

Bürgerversammlung klärt Themen wie Wohnbebauung und Entwicklung Endorfer Au

Rosenheim – Noch ist es ruhig im Gasthof „Alt-Für-stätt“. Nach und nach treffen die Rosenheimer ein. Sie sitzen beisammen und unterhalten sich. Dann betritt Oberbürgermeister Andreas März (CSU) den Gasthof.

Er begrüßt die Bürger und tritt ans Mikrofon. Im vergangenen Jahr gab es wegen Corona nur zwei Bürgerversammlungen im Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum. Dieses Jahr wollte März wieder eine ungezwungene Atmosphäre schaffen, um einen direkten Austausch mit den Bürgern zu haben. Er lud in den Gasthof „Alt-Fürstätt“ ein. Alle Stühle sind jetzt besetzt. Dicht sitzen die Bürger beieinander. Sie wollen Klarheit rund um ihre Stadtteile Fürstätt, Oberwöhr und die Aisingerwies. Und über ihre Sorgen und Nöte sprechen.

Tempo-30-Zone in der
Hochgernstraße

Eines dieser Probleme besteht in der Hochgernstraße. Wer von der Oberwöhr-straße über die Mangfallkanalbrücke in die Hochgernstraße einbiegt, muss laut einer Anwohnerin im Wohngebiet Tempo 30 fahren. Danach ist Schluss. „Die angrenzende Verbindungsstraße ist kurvig und eng und dort gilt 50“, sagt die Anwohnerin. Das Problem: Es gibt nur auf einer Seite einen Gehweg und der ist ziemlich schmal. Die Anwohnerin fragt, ob es nicht möglich sei, Tempo 30 für den gesamten Bereich einzuführen oder einen breiten Gehweg zu bauen. Besonders für Kinder sei der Verkehr an dieser Stelle gefährlich.

Der Bürgermeister ist sich der Situation bewusst. Dennoch sind ihm die Hände gebunden – aus zwei Gründen. So schreibt die Straßenverkehrsordnung vor, dass innerorts grundsätzlich Tempo 50 gilt. Ausnahmen sind Schulen und Kindertagesstätten, die ihren Eingang direkt an der Straße haben. „Aber wenn das Wohngebiet aufhört und in eine innerörtliche Verbindungsstraße übergeht, gilt immer Tempo 50“, sagt März. Für ein neues Tempolimit bräuchte es eine Ausnahmegenehmigung der Verkehrsbehörde. Die aber, so März, sei schwer zu bekommen.

Der zweite Grund betrifft den Ausbau des Gehwegs. Auch das ist laut März nicht möglich: „Für einen Ausbau bräuchte die Stadt einen Grunderwerb, da es sich um ein Landschaftsschutzgebiet handelt.“ Sowohl die Ausnahmegenehmigung als auch der Grunderwerb seien schwer zu bekommen. „Es braucht für beides eine Begründung, die den Bedarf rechtfertigt“, sagt März.

Doch für die Bürger ist das Thema damit noch nicht durch, denn der Bedarf sei da. März hingegen wolle abwarten. Und zwar auf ein mögliches neues Gesetz.

„Dieses gibt den Städten und Kommunen mehr Freiraum“, sagt März. Wenn eine Kommune meint zu wissen, wo eine Tempo-30-Zone sinnvoll ist, könnte sie mehr Handlungsspielraum bekommen. Für einen weiteren Anwohner ist der Kreisverkehr südlich von Oberwöhr mehr als fragwürdig. Der Kreisverkehr an der Umgehungsstraße störe ihn.

Bürgermeister März
muss auch mal lachen

Eine der drei Ausfahrten führt ins Nichts. „Kommt da noch ein Projekt oder wollte man nur einen Kreisverkehr bauen?“, fragt er und bringt damit den Oberbürgermeister zum Lachen. März erklärt, dass die Ausfahrt in ein zukünftiges Gewerbegebiet führen wird. Der Prozess, welche Betriebe dort bauen werden, sei ins Stocken geraten. „Wir bauen immer erst die Erschließung und dann erfolgt die Bebauung von Gewerbebetrieben“, antwortet März.

Für Diskussion sorgte der Bebauungsplan vom Traminer Weg. Dort ist eine Wohnbebauung geplant, die nun schon einige Jahre in Anspruch nimmt. Dafür gibt es laut März drei Gründe. In der Nähe verlaufen Bahnstrecken, die Lärm verursachen. Außerdem seit die Erschließung nicht trivial und die Durchfahrt auf dem Traminer Weg sei aufgrund von Lärmmangel nicht vertretbar. „Entlang der Pürstlingstraße sollen neue Wohngebäude entstehen, die miteinander verbunden werden, sodass der Bahnverkehr für die dahinter liegenden Wohngebäude abgeschirmt wird“, stellt März die neuen Pläne vor. Dazu soll ein Verkehrskonzept erarbeitet werden, das im vierten Quartal dem Gemeinderat vorgelegt werden soll. Eine Umsetzung hätte zur Folge, dass der Traminer Weg von der Pürstlingstraße aus nicht mehr befahrbar wäre. Autofahrer müssten über die Niederschlesienstraße ausweichen – und das sorgt für Ärger. „Die Niederschlesienstraße muss es dann ausbaden, wenn es die Zufahrt in den Traminer Weg nicht mehr gibt“, sagt ein älterer Bürger. Mit einer Unterschriftensammlung wollen er und weitere Anwohner das verhindern. „Die Anwohner dieser Straße und der Oberschlesienstraße wehren sich vehement dagegen“, sagt er.

Ein Anwohner des Traminer Wegs schaltet sich ein. Für ihn sei das Durchfahrtsverbot mehr als nur willkommen. „Es werden dort Wohnungen gebaut, die auch von Familien genutzt werden. Ohne die Durchfahrt ist die Straße kinderfreundlich“, sagt er.

Dann ergreift eine ältere Dame das Mikrofon. Sie beklagt das Fehlen einer Bushaltestelle in der Bahnhofstraße. Die Haltestelle sei für viele notwendig, da sie direkt an die Ärztehäuser und die Hauptpost angrenze. Doch nun ist die Haltestelle verschwunden. Die Fahrgäste müssen nun am Bahnhof oder am Atrium aussteigen. Zum Leidwesen von Menschen mit Krücken, Rollator oder Rollstuhl. „An die Rosenheimer Einwohner denkt kein Mensch“, sagt die ältere Dame.

März könne das Problem verstehen, sagt er. Der Bus habe in der Bahnhofstraße stadteinwärts immer auf der rechten Seite gehalten. „Es war ein ausdrücklicher Wunsch im Ausschuss, dass die Haltestelle dort verschwindet und an den Regionalbus angebunden wird“, so März.

Eine weitere Frau fragt, ob nicht eine zusätzliche Bedarfshaltestelle eingerichtet werden könnte. März sichert zu, dies zum Fahrplanwechsel im Dezember zu prüfen. Der Oberbürgermeister unterrichtet die Anwohner außerdem über das weitere Vorgehen im Wohnquartier Oberwöhr West und die Quartiersentwicklung in der Endorfer Au. Die planungsrechtlichen Grundlagen sind für das Wohnquartier Oberwöhr West geschaffen worden. Nun fehlen nur noch die Bauanträge und die entsprechenden Baugenehmigungen. „Ich rechne damit, dass der Baubeginn im nächsten Jahr stattfindet“, sagt März. Geplant ist der Bau von 166 neuen Wohnungen.

Auch die Quartiersentwicklung in der Endorfer Au schreitet voran. „Die Endorfer Au ist in Rosenheim eigentlich ein Premium-Standort“, sagt März. Auf der einen Seite befindet sich die Mangfall und auf der anderen Seite der Kanal. Bei einer Begehung zeigten sich viele alte Häuser, alte Baubestände und ungenutzte Grünflächen.

Gebäude ist so
nicht vermietbar

Gemeinsam mit der GRWS soll das Quartier neu gedacht werden. „Wir haben da draußen absoluten Handlungsbedarf“, sagt der Oberbürgermeister. Viele Gebäude stammen aus den 50er- und 60er-Jahren und sind so nicht mehr vermietbar. Auch die Infrastruktur sei so nicht mehr tragbar.

„Das ganze Gebiet braucht eine richtige Sanierung“, sagt März den Bürgern. Dafür seien nun ein Architektenwettbewerb, eine Hochbauplanung und eventuell Genehmigungsverfahren notwendig.

März rechnet damit, dass ab 2025 mit der Sanierung der Hochhäuser begonnen werden kann. Eine Herausforderung sei derzeit, bezahlbaren Wohnraum zu finden. „Auch wenn die Lage gut ist, können wir keine Luxussanierungen machen“, sagt März. Der Wohnraum müsse für die Menschen, die dort leben, bezahlbar bleiben. Mit den beiden Projekten könne der dringende Bedarf an Wohnraum gedeckt werden.

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