Rosenheim – Alfred Ringler führt kein gewöhnliches Leben. Die meiste Zeit verbringt der 76-Jährige in den tiefsten Moorlandschaften, auf den höchsten Gipfeln oder in den dunkelsten Wäldern der Region. Der Grund: Der Rosenheimer Biologe setzt sich seit über 60 Jahren für den Schutz und Erhalt der Natur und der Landschaft in Bayern ein. Dafür wurde er mehrfach mit Preisen – unter anderem dem bayerischen Landeskundepreis für sein Lebenswerk – ausgezeichnet. Sogar schon als Kleinkind.
„Mit drei Jahren habe ich meinen ersten Preis gewonnen“, erzählt Ringler am Telefon. Er spricht ruhig, macht vor jedem Satz eine kleine Pause und überlegt, wie er seine Geschichte am besten erzählen kann. Denn erinnern kann er sich an alles, „trotz des fortgeschrittenen Alters“, sagt er und lacht. Damals sei er bei einem Wettbewerb gewesen, bei dem heimische Vogelarten erraten werden mussten. „Und wie die aussehen und zwitschern, wusste ich aus unserem Garten“, sagt der gebürtige Erdinger. Das Problem sei nur gewesen, dass er noch nicht schreiben konnte. „Ich hab die Vögel dann einfach aufgemalt, das hat gereicht“, sagt Ringler.
Liebe zur Natur
von Vater geerbt
Die Liebe zur Natur habe er von seinem Vater „geerbt“. Dieser war Kreisbeauftragter für Naturschutz in Erding. „Deswegen war ich mehrmals in der Woche draußen unterwegs, weil er mich überall mitgenommen hat“, erinnert sich der 76-Jährige. Mit zehn Jahren sei er schließlich alleine mit dem Fahrrad durch die Gegend gefahren und habe „die Natur erforscht“. Allerdings nicht nur irgendwie: „Ich habe systematisch Daten gesammelt und Buch geführt“, sagt Ringler. Zunächst über Vögel, später über Pflanzen. Meist hat ihn dabei interessiert, welche Arten es gibt, wie viele Exemplare davon und wie diese Arten nebeneinander existieren.
Das Wissen und worauf er achten muss, hat sich Alfred Ringler fast ausschließlich mit Büchern selbst beigebracht. „Mit 14 Jahren wusste ich eigentlich alles über die Pflanzenwelt bei uns, sodass ich einige meiner Untersuchungen veröffentlichen konnte“, sagt der Biologe. Diese sind ihm zufolge auch heute noch von wissenschaftlicher Bedeutung, da sie als Vergleich zu neueren Beobachtungen dienen.
Genauso wie seine Untersuchungen zur Botanik eines Waldgebiets bei Pang, in dem er nach dem Umzug nach Rosenheim forschte. Von seiner Arbeit hierzu erfuhr auch die Untere Naturschutzbehörde des Rosenheimer Landratsamts. „Die haben das für sich übernommen und mir Geld angeboten“, sagt der Biologe. Daraufhin habe er als Schüler immer wieder für die Behörde gearbeitet und Gutachten zu neuen Naturschutzgebieten erstellt. „Wie oft ich dafür die Schule geschwänzt hab“, erinnert sich Ringler und lacht.
Nach der Schule studierte Ringler Biologie und wurde Projektleiter des Landschaftspflegekonzepts für das Umweltministerium. Die Aufgabe: „Eine Handlungsanleitung erstellen, wie man mit der Natur in Bayern umgehen muss.“ Und für den Job muss man seelisch sehr stabil sein, sagt Ringler.
Ständig stehe man dabei zwischen den Landwirten und Naturschutzverbänden und verärgere mit Entscheidungen eine Seite. „Da ist man weniger Biologe, sondern Konfliktmanager.“ Da ginge es darum, sich in andere hineinzuversetzen und mit den Betroffenen zu reden. Vor allem bei Themen wie dem Massentourismus in den Bergen oder der Rückkehr der großen Beutegreifer wie Wolf und Bär. „Da eine Lösung zu finden, die allen passt, ist unmöglich“, sagt Ringler.
Eine beängstigende
Dynamik
Beim Klimawandel hingegen wird man eine Lösung finden, glaubt der Rosenheimer Biologe. Zwar könne dieser nicht gebremst werden, aber die Natur habe sich immer etwas einfallen lassen. „Wenn ich daran nicht glauben würde, hätte ich keine Kinder in die Welt gesetzt“, sagt er.
Die ersten Auswirkungen des Klimawandels seien auch schon lange in der Region zu sehen. Zum Beispiel an der Hochries. Dort seien rund um den Gipfel erst in den vergangenen Jahren aufgrund des Klimawandels Bäume gewachsen. „1960 stand da noch kein einziger“, sagt Ringler. Das sei zwar positiv, da die Wurzeln der Bäume den Berg zusammenhalten, dennoch zeige es die beängstigende Dynamik des Klimawandels.
Ringler bleibt
optimistisch
Diese könne man auch am Rückgang der Moorlandschaften und Feuchtgebiete um Rosenheim herum erkennen – ein Fachgebiet von Alfred Ringler. „Die trocknen alle aus“, sagt er. Und das sei von großem Nachteil, da Moore viel CO2 binden könnten. Diese Landschaften müsse man daher schützen, ansonsten könne der Klimawandel noch „dramatisch werden“. Vor allem, wenn die Niederschläge ausbleiben und die Landschaft noch trockener wird. „Da können wir uns das Ausmaß jetzt noch gar nicht vorstellen“, sagt Ringler.
Dennoch will der Biologe optimistisch in die Zukunft blicken. „Diese Weitsicht, der sorgfältige Blick auf die Geschichte der Landschaften sowie die sachliche und erfrischend unideologische Herangehensweise an seine Forschungsfelder machen Alfred Ringler zu einem besonderen Naturschützer und zu einem Vorbild für die bayerische Heimatpflege“, würdigt auch Dr. Rudolf Neumaier, Geschäftsführer des Landesvereins für Heimatpflege, das Lebenswerk des Rosenheimers. Darauf ausruhen will sich Alfred Ringler aber nicht. „Zur Ruhe habe ich mich noch lange nicht gesetzt“, sagt er und lacht. Er hält weiter Vorträge, erstellt Gutachten für Verbände und Ministerien und ist so viel wie möglich in der Natur unterwegs – solange es geht. „Auch wenn die ganz hohen Berge nicht mehr drin sind, da ich nicht mehr so geländegängig bin“, schmunzelt er.