Rosenheim – Diese Verhandlung war keine gewöhnliche. Noch bevor Richter Filipov das Verfahren gegen eine dreiköpfige Familie wegen Betruges und Urkundenfälschung eröffnen konnte, beschwerte sich einer der Angeklagten, dass er keinen Pflichtverteidiger beigeordnet bekommen habe. Er bestand darauf von einem Anwalt verteidigt zu werden. Nur mühsam konnte der Richter ihn zur Ruhe bringen und erklärte ihm, dass die Umstände dieses Verfahrens dies nicht zulassen. Weder die Höhe der zu erwartenden Strafe, noch die juristische Schwierigkeit dieses Verfahrens sei derart, dass eine Pflichtverteidigung angemessen sei.
Betrug und
Urkundenfälschung
bei Mietverhältnissen
Angeklagt waren ein Mann, der seit 43 Jahren mit seiner Familie in Rosenheim lebt, sowie dessen 27-jähriger Sohn und seine 55-jährige Ehefrau. Der Vorwurf: Der Vater und sein Sohn hätten sich mit fingierten und gefälschten Verträgen Mietzuschüsse im fünfstelligen Bereich ergaunert. Die Mutter wurde der Beihilfe beschuldigt.
Angefangen habe das Ganze, als der Vater und seine Söhne, die aufgrund mehrerer Krankheiten arbeitsunfähig seien, gegenseitig und im Wechsel aus der gemeinsamen Eigentumswohnung geworfen wurden. Im selben Haus wurde zudem zunächst für den älteren Sohn (29) eine Einzimmerwohnung angemietet. Als dieser jedoch im Jahre 2020 auszog, begann der Vater diese Wohnung an verschiedene Untermieter mit teils überhöhten Preisen zu vermieten – ohne, dass die Vermieterin davon je erfahren habe.
Der Angeklagte trug in die gefälschten Mietverträge sich selber oder seinen mitangeklagten jüngeren Sohn als Mieter ein und ließ sich beziehungsweise seinem ebenfalls erkrankten jüngeren Sohn Mietzuschüsse vom Jobcenter überweisen. Als man beim Jobcenter aufgrund der Ungereimtheiten bei den Unterschriften in den Mietverträgen misstrauisch wurde, kontrollierte man die Verhältnisse in dieser Wohnung und der Schwindel flog auf.
Daneben wurde auch klar, dass diese Wohnung inzwischen derart verwahrlost war, dass die Eigentümerin im Zeugenstand feststellte, dass es sich „nur noch um Wohnschrott“ handelt. Um dieses Appartement wieder bewohnbar zu machen, sei eine Investition von 40000 Euro notwendig.
Obwohl sich der Vater während der Verhandlung als wesentlicher Drahtzieher dieser Betrügereien herausstellte, zeigte sich dieser zunächst wenig einsichtig. Die Ehefrau, die unter anderem vor ihrem Mann in die Türkei flüchtete und ihn der gemeinsamen Wohnung verwies, konnte hingegen glaubhaft machen, dass sie keine Ahnung hatte, wie ihr Mann auf ihrem Bankkonto agierte.
Auch der angeklagte Sohn konnte nachweisen, dass nicht er den Antrag auf Mietzuschuss gestellt und gefälscht hatte, sondern dies das Werk des Vaters war. Allerdings habe er sich nach Ansicht des Gerichts trotzdem strafbar gemacht, da er es unterlassen hatte, beim Jobcenter zu melden, dass er nicht mehr in der besagten Wohnung lebte.
Als Haupttäter blieb aber nur noch der Vater. Ihn beschuldigte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer einer erheblichen kriminellen Energie, mit der er die Urkundenfälschungen und gewerbsmäßigen Betrügereien begangen hat. Zudem sei beim Angeklagten keine Einsicht und Reue zu erkennen. Es seien ihm auch offensichtlich die enormen Schäden egal, welche er der Vermieterin zugefügt hatte. Einzig die Tatsache, dass er bislang noch niemals vorbestraft gewesen war, ermögliche es, hier die Gefängnisstrafe von zehn Monaten gerade noch zur Bewährung auszusetzen. Gegen den Sohn sei eine Geldstrafe zu verhängen, die Ehefrau hingegen freizusprechen.
Richter: „Dreistigkeit
ohnegleichen“
Dem folgte das Gericht in weiten Teilen und sprach gegen den Vater, der am Ende doch noch um Entschuldigung bat, eine Haftstrafe von acht Monaten aus, die es zur Bewährung aussetzte. Ihm bescheinigte der Richter eine Dreistigkeit ohnegleichen und versah ihn mit einer Geldauflage von 500 Euro, damit er diese Bewährungsstrafe nicht für einen Freispruch hielte. Daneben muss er auch die erschwindelten Zuschüsse von über 5000 Euro zurückerstatten. Der Sohn kam mit einer Geldstrafe von 70 Tagesätzen davon. Die Ehefrau wurde freigesprochen. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig.