Rosenheim – „Dieses Land ist in jeder Beziehung ein Gegenentwurf zu dem, was Nazideutschland einst war. Und zu verdanken ist unsere stabile Demokratie mit ihrem Primat der Toleranz auch der Erinnerungskultur.“ Das sagte Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern. Sie war Gast während einer Feierstunde in der Innenstadt, bei der drei Erinnungszeichen – am Bekleidungsgeschäft Adlmaier und an zwei Ahornbäumen am Ludwigsplatz – für die jüdischen Familien Fichtmann, Kohn und Westheimer enthüllt wurden. Diese sind während der Nazi-Zeit aus der Stadt vertrieben worden und kamen zum Teil in Konzentrationslagern um.
Mahnung in der
Öffentlichkeit
Für Charlotte Knobloch wie für Dr. Thomas Nowotny von der Rosenheimer Initiative Erinnerungskultur sind solch sichtbare Zeichen gerade heute wichtig. „Die letzten Zeitzeugen, die die Gräuel überlebt haben, werden nicht mehr lange unter uns sein“, sagte Charlotte Knobloch. „Es wäre entsetzlich, wenn mit ihrer Stimme auch das Erinnern verstummen würde. Diese deutlich sichtbaren Zeichen ermahnen uns, dass es in Deutschland nie wieder ein tatenloses Zusehen gegenüber Aggression und Hass geben darf.“
Es habe, so sagte Charlotte Knobloch weiter, ein langes, sehr langes Ringen gegeben, bis es zu dieser Form der Erinnerung in der Gestalt von Möbius-Schleifen gekommen sei. Doch jetzt sei es so weit, und das sei gut. Dem pflichtete auch Dr. Thomas Nowotny bei, der begrüßte, dass nun auch Rosenheim einen Weg für die Erinnerungskultur in der Stadt gefunden habe, die von einer breiten Öffentlichkeit mitgetragen werde. Die Möbius-Bänder als Erinnerungszeichen – gestaltet von der Münchner Künstlerin Christiane Huber – hätten darüber hinaus durchaus besonderen Symbolwert. Denn mit dieser unendlichen Schleife werde deutlich, dass es für das Erinnern kein Ende geben dürfe.
Der Leiter des Stadtarchivs, Dr. Christian Höschler, gab während der Veranstaltung einen kurzen Abriss über die Entwicklung eben dieses Erinnerns in Rosenheim, deren Anfänge in den 80er-Jahren lagen. Es sei nicht einfach gewesen, dafür eine Form zu finden, die allgemeine Zustimmung fand. Genau diese breite Zustimmung aber sei eminent wichtig. Denn Ziel des sogenannten „Rosenheimer Weges“ sei es, die Erinnerungskultur durch einen breiten Dialog und ebenso breite Zusammenarbeit mit Leben zu füllen.
In der Feierstunde am Max-Josefs-Platz und Ludwigsplatz war dies schon einmal gelungen. Viele Mitarbeiter der Stadtverwaltung waren anwesend, auch Rosenheims Altbürgermeisterin Gabi Bauer. Vor allem aber gut 150 Teilnehmer aus der Bevölkerung.
„Mitten aus der
Zivilgesellschaft“
Damit sei dann, so sagte Charlotte Knobloch, auch für die Zukunft gewährleistet, was am Anfang des Erinnerns in Rosenheim stand: „Der Elan kam schon zu Beginn mitten aus der Zivilgesellschaft heraus“. Auch für Oberbürgermeister Andreas März ist die Erinnerungskultur heute wichtiger denn je. Die Erinnerungszeichen machten deutlich, wohin Hass und Ausgrenzung führten, so sagte er, „und schon jetzt manifestieren sich Ausgrenzung und Hass nicht mehr allein nur in Worten, es folgen bereits Taten“.
Gerade vor diesem Hintergrund verdiene die Bereitschaft der Familie Adlmaier, das Erinnerungszeichen für die Familie Fichtmann deutlich sichtbar an ihrem Geschäft anzubringen, hohen Respekt. Hierüber waren sich alle Anwesenden einig und Charlotte Knobloch sprach sogar von einer beispiellosen Haltung.