Rosenheim – Es mag sein, dass ihn in der Nacht vom 25. Februar 2023 der 42-jährige Halfinger unfein angepöbelt hatte, als der Angeklagte gegen 22 Uhr einen nur scheinbar freien Stuhl an der Bar benutzen wollte. Es mag auch sein, dass der Türsteher den Falschen des Lokals verwies, als er die Diskussion beendete.
Dass der 33-jährige Angeklagte aber seinem Kontrahenten anschließend vor der Türe das Bier in dessen Gesicht schüttete, war sicher nicht geeignet, den Streit zu schlichten. Wirklich angeklagt war der Tunesier aber, weil er noch Minuten später draußen auf der Ruedorfferstraße erneut auf den Halfinger losging. Möglich, dass er dort auch verbal provoziert worden war. Zu viel des Guten war es aber, nochmals auf den Mann loszugehen und ihn mit einem Faustschlag niederzustrecken. Zwar war die Auseinandersetzung letztlich ohne größere Blessuren geblieben. Jedoch vermochte sich der Angeklagte nicht damit abzufinden, dass er von der Polizeistreife mitgenommen und in den Arrest gesteckt wurde. Dort geriet er dermaßen in Rage, dass er aus der Zelle heraus die diensthabende Beamtin mit übelsten Schimpfworten beleidigte. So legte ihm der Staatsanwalt nicht nur eine Körperverletzung, sondern auch die vollzogenen Beleidigungen gegen die Beamtin in seiner Anklage zur Last. Dies sah der Angeklagte völlig anders. Dass er den Halfinger geschlagen hatte, räumte er durchaus ein. Aber der, beziehungsweise drei bis vier Mann aus dessen Clique hätten auch auf ihn eingeschlagen. Ganz abgesehen davon, dass er im Lokal beleidigt worden sei und ganz zu Unrecht das Hausverbot erteilt bekommen habe.
Dass er tatsächlich gegen die Beamtin Schimpfworte verwendet habe, mochte er nicht ausschließen. Jedoch hätten ihn die Streifenbeamten gröblich und unberechtigterweise überwältigt und verletzt. Deshalb sei er so aufgebracht gewesen und habe deshalb gegen die Beamten auch Anzeige erstattet.
Dass es vor Gericht bestimmte Regeln einzuhalten gilt, war ihm auch nicht zu vermitteln. Wann immer, egal ob Richterin, Staatsanwalt oder ein Zeuge, etwas äußerten, das ihm missfiel, so fiel er diesen ins Wort und ließ sich auch durch Ermahnungen der Vorsitzenden Richterin Dr. Stefanie Oberländer nicht davon abbringen.
Das Überwachungsvideo der Polizei zeigte lediglich die Aggressionen des Angeklagten, woraufhin dieser auf ein Video verwies, das einer seiner Bekannten als Zeuge aufgenommen hatte und dieses von der Polizei nicht entsprechend gewürdigt worden sei. Auch sei der Mann, der gefilmt habe, nicht geladen worden. Dabei sei dieser ein wichtiger Entlastungszeuge. Daraufhin wurde das Verfahren unterbrochen, um eine Woche darauf dieses Video in Augenschein zu nehmen und zwei weitere Zeugen zu laden.
Beim zweiten Termin wurde nun das vom Angeklagten geforderte Video gezeigt und der Besitzer des Smartphones als Zeuge befragt.
Dieser bestätigte, dass der Angeklagte im Lokal verbal attackiert worden sei und man ihn tatsächlich zu Unrecht nach draußen schickte. Dessen Aufnahmen zeigten jedoch nicht die vom Angeklagten vorgebrachten Angriffe der gegnerischen Gruppe, sondern tatsächlich seine eigenen Attacken. Der weitere Zeuge, ein Türsteher des Lokales, konnte lediglich berichten, dass es sich nicht um eine sehr heftige Auseinandersetzung gehandelt hatte, weshalb er keinen Grund sah, dabei einzugreifen.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte in seinem Schlussvortrag, dass der Angeklagte möglicherweise wirklich provoziert worden sei, was aber den Faustschlag durch ihn keinesfalls rechtfertige. Dasselbe gelte für die Beleidigungen gegenüber der Polizeibeamtin.
Dazu käme, dass er bereits einschlägig vorgeahndet sei. Deshalb sei eine Geldstrafe nicht mehr angebracht. Er beantragte eine Haftstrafe von sieben Monaten, die man noch zur Bewährung aussetzen könne. Dazu solle er eine Arbeitsleistung im sozialen Bereich erbringen, die der Staatsanwalt in das Ermessen des Gerichts stellte.
Der Angeklagte, der ohne Rechtsbeistand erschienen war, hielt eine Aufrechnung der Attacken gegen ihn für angebracht und erklärte deshalb, durch alle Instanzen gehen zu wollen. Dies sei ihm unbenommen, erklärte die Richterin und verkündete sogleich das Urteil: Sechs Monate Gefängnis, wobei die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werde. Dazu müsse er aber 100 Stunden gemeinnützige Arbeit erbringen – andernfalls müsse er die Strafe absitzen.
Theo Auer