„Ich verlasse den Laden unter Tränen“

von Redaktion

30 Jahre lang haben sich Vesna und Fritz Lang um die Schuhe, Schlüssel und Lederwaren der Rosenheimer gekümmert. Jetzt ziehen sie einen Schlussstrich. Über den traurigen Hintergrund – und warum es auch eine gute Nachricht gibt.

Rosenheim – Vesna und Fritz Lang hatten einen Plan. Seit mehr als 30 Jahren betreiben sie das Geschäft „Schuh- und Schlüsselservice Lang“ im Gillitzerblock. Ende des Jahres sollte Schluss sein. Doch ein Schicksalsschlag veränderte alles.

„Mein Mann wird 63, er wollte in Rente gehen“, sagt Vesna Lang. An einem Brett hängen Schlüssel in verschiedenen Formen und Größen. An der Wand fällt ein Plakat ins Auge. In schwarzer Schrift haben die beiden verkündet, dass sie im Dezember aufhören. „Alles hat ein Ende, nur die Wurscht hat zwei“, steht da.

Ein Unfall
veränderte alles

Vorne links steht die Nähmaschine, an der Vesna Lang alles repariert, was mit Leder zu tun hat. Nur einige Meter entfernt befindet sich die Maschine ihres Mannes. Hier hat der gelernte Schuhmachermeister jahrelang Sohlen erneuert, Absätze angebracht und Löcher gestopft. „Mein Mann hat immer gesagt, er ist für das Grobe zuständig und ich für das Feine“, sagt Vesna Lang. Sie hätten sich perfekt ergänzt, konnten gut miteinander schweigen und noch besser miteinander lachen.

Doch richtig gelacht wurde in dem Geschäft an der Prinzregentenstraße schon seit einiger Zeit nicht mehr. Seit sieben Wochen schmeißt Vesna Lang den Laden alleine. Seit jenem Tag im September. Am Morgen des 8. September sei Fritz Lang mit seinem Motorrad auf der Miesbacher Straße verunglückt. Seitdem liegt er im Krankenhaus. Erst war er in Rosenheim, mittlerweile befindet er sich in München. „Es geht ihm den Umständen entsprechend“, sagt Vesna Lang. Es fällt ihr schwer, über das Geschehene zu sprechen. Immer wieder hält sie inne, holt tief Luft und wischt sich die Tränen aus den Augen. Die vergangenen sieben Wochen haben Spuren hinterlassen. Aus diesem Grund hat sich Vesna Lang dazu entschlossen, bereits jetzt einen Schlussstrich zu ziehen.

Erinnerungen an
schöne Jahre

„Natürlich habe ich mir den Abschied anders vorgestellt“, sagt sie. Mit Stehtischen. Einem Glas Prosecco. Einer Party inmitten zahlreicher Stammgäste. Seite an Seite mit ihrem Mann. Jenem Menschen, mit dem sie seit fast 40 Jahren verheiratet ist. Gekommen ist es ganz anders. „Ich verlasse den Laden traurig und alleine“, sagt sie. Während ihr Mann im Krankenhaus liegt, kümmert sich Vesna Lang um die Abwicklung des Geschäfts. Reparierte Schuhe, Gürtel, Taschen und Lederhosen können noch an zwei Terminen abgeholt werden. Anschließend muss alles ausgeräumt werden. Die Nähmaschine nimmt sie mit nach Hause, die schweren Maschinen ihres Mannes werden vorerst eingelagert. „Die bewahre ich für ihn auf“, sagt sie.

Trotz allem versucht sie optimistisch zu bleiben. Sie scherzt mit den Stammkunden, macht Witze, die auch von ihrem Mann hätten kommen können. Gerne erinnert sie sich an die vergangenen Jahre zurück. „Es war eine schöne Zeit“, sagt Vesna Lang.

Viel Gaudi mit der
Kundschaft

Ihr Mann sei immer hilfsbereit gewesen, humorvoll und gutmütig. Wenn einer mal seinen Geldbeutel vergessen hatte, habe er einen Zettel ans Schwarze Brett gehängt und sich das Geld Tage später geben lassen. „Wir hatten viel Gaudi mit der Kundschaft“, erinnert sich Vesna Lang. Es sei ein Grund gewesen, warum ihnen so viele Stammkunden über Jahre die Treue gehalten hätten.

„Natürlich waren viele traurig, als sie gehört haben, dass wir schließen“, sagt sie. Aber ganz aus der Welt sei sie nicht. Denn ihr Mann träumte schon lange davon, nach der Schließung des Geschäfts eine Werkstatt in seiner Garage in Stephanskirchen zu eröffnen. Dort wollte er weiterhin für seine Kunden da sein. „Wir hatten einen Plan, den ziehe ich jetzt alleine durch“, sagt Vesna Lang. In der Werkstatt ist sie unter der Rufnummer 08031/80528 zu erreichen und will weiterhin Leder-Näharbeiten erledigen. Nur vorerst eben nicht Seite an Seite mit ihrem Mann, sondern alleine.

Abholung von Reparaturen:

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