Rosenheim – Man darf gerne darüber schmunzeln: Benjamin Bergmann nimmt vier alte Motor-Rasenmäher, bündelt sie durch Holzlatten zu einem Block, verpasst ihnen ein silberfarbenes Aussehen, stellt sie ins Grüne auf einen mit Erde aufgefüllten Betonsockel, haust alles mit einem Gitterkäfig ein und betitelt das Ganze mit dem hochtrabenden Begriff „Quadriga“.
Vier Rasenmäher
als Grundlage
Doch ganz so einfach ist es nicht. Die Grundlage bilden zwar vier Rasenmäher, aber Teile davon wie die Körbe, die Reifen oder auch das Holz, das die vier Elemente dieser Skulptur zu einem Block verbindet, sind aus Aluminiumguss. Die unterschiedlichen Oberflächen und Materialien werden durch die Vernickelung, die dem Ganzen einen warmen goldschimmernden Silberton gibt, vereinheitlicht. Der Titel „Quadriga“ löst beim Betrachter eine Assoziationskette aus, von der Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin, mit der König Friedrich Wilhelm II. 1793 den Machtanspruch Preußens demonstrierte, bis zum berühmten Wagenrennen im Film „Ben Hur“. Seit der Antike wurden die imposanten Viergespanne bei Triumphzügen und Wagenrennen eingesetzt. Hier nun nicht vier Pferde, die einen Kampfwagen ziehen, sondern vier Rasenmäher, die nicht mähen. „Es ist die Quadriga des kleinen Mannes, der beim Anblick der großen Rasenfläche beschließt, sich die Arbeit leichter zu machen. Also bindet er vier Rasenmäher zusammen, um breiter mähen zu können“, erläutert der Künstler seine Grundidee.
Benjamin Bergmann hat diese Assemblage für den Skulpturenweg „Natur und Reflektion“ auf der Landesgartenschau 2010 geschaffen, einem Projekt von Werner Böck und seiner Firma Marc O’Polo zur Förderung junger Kunstschaffender. Ursprünglich stand die „Quadriga“ im Mangfallpark Süd. 2018 wurde sie auf den Innspitz versetzt, als Ersatz für den „Nabel der Welt“ des Wiener Künstlers Werner Reiterer, dem im wahrsten Sinne des Wortes die Luft ausgegangen war und der abgebaut werden musste.
Stefan Wimmer, der 2010 den Skulpturenweg kuratierte, schreibt dazu in der entsprechenden Broschüre: „In der Tradition des Denkmals in der Gartenlandschaft des 18. und 19. Jahrhunderts wählt Bergmann die Quadriga als monumentales Objekt. In seiner Quadriga – bestehend aus vier Rasenmähern auf einem eingezäunten Betonsockel – wird jene hehre Verbindung zwischen Denkmal, Skulptur und Heldenverehrung – vergleichbar zu den klassischen Landschaftsgärten – ironisch hinterfragt.“
Bergmanns „Quadriga“ ist absurd – der Titel, das Material, die Kombination. Das Objekt macht uns stutzig, lässt unsere Gedanken kreisen und letztendlich kann es uns zum Schmunzeln bringen. Das Spiel mit Alltagsgegenständen reizt den Künstler. Besonders, wenn sie nicht „funktionieren“, nicht zum alltäglichen Gebrauch zur Verfügung stehen.
Herausgehoben aus dem Alltagszusammenhang, in einen ganz anderen Kontext gesetzt, zur Skulptur verfremdet, begegnen uns seine Kunstwerke: beispielsweise ein Wischmopp in Bronze gegossen, der wie von Wunderhand gehalten frei im Raum steht. Oder „I’ve got the power“, eine Stromleitung mit Schalter in Aluminium, die uns „den Hebel zur Macht verspricht“!? Und wer hat ihn noch nicht gesehen? In München, unweit der Pinakothek der Moderne, ein überdimensionaler Basketballkorb, der unerreichbar auf einem Hausdach platziert ist und uns stutzen lässt. Sein Titel sagt fast alles: „Never Ever – Nie und Nimmer“. In seinen gebauten Bildern, die im Betrachter Erzählungen und Assoziationen auslösen, stellt Benjamin Bergmann gerade durch das Mittel der Überzeichnung die Realität in Frage.
Die Schönheit
der Absurdität
„Das Schöne an der Absurdität ist für mich die Nachhaltigkeit der Verwirrung. Irgendwann ertappt man sich, darüber nachzudenken, ob nicht das Absurde doch mehr von der Wirklichkeit haben könnte als diese selbst.“ Wer sich für die absurd-fantasievollen Objekte und Installationen von Benjamin Bergmann interessiert, dem sei ein Blick auf seine Website www.benjaminbergmann.de empfohlen.