Rosenheim – Eine 15-minütige Diskussion über die Bayerische Verfassung und das Grundgesetz. Das soll künftig in bayerischen Schulen jede Woche auf dem Pflichtprogramm stehen. Zumindest haben das die CSU und die Freien Wähler in ihrem Koalitionsvertrag unter dem Punkt „Bildung“ festgehalten. Schülern Themen wie Demokratie zu veranschaulichen und dies vermehrt im Unterricht zu behandeln, wird von allen Seiten befürwortet. Die Grundidee kommt also gut an, doch von der Umsetzung sind noch nicht alle in Rosenheim überzeugt.
Lehrerverband: „Ein
Stück weit lächerlich“
Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) findet nicht, dass man die Grundsätze der Demokratie in 15 Minuten pro Woche erklären könne. „Wir sind dankbar, dass das Thema erkannt wird. Aber der Vorschlag der Verfassungsviertelstunde ist ein Stück weit lächerlich“, so Fleischmann. Der BLLV begrüße den Ansatz der Verfassungsviertelstunde, zweifle aber am richtigen Format. Es müsse größer gedacht werden. Man müsse demokratische Prozesse direkt in den Unterricht integrieren. Als Gegenvorschlag bringt Fleischmann ein Praxisbeispiel aus ihrer Zeit als Lehrerin. Sie habe damals mit ihrer Klasse täglich 30 Minuten lang Zeitung gelesen. Die 15 Minuten wöchentlich hält sie für deutlich zu kurz. Den Vorschlag aus der Politik beschreibt sie als „Abhak-Mentalität“. Stattdessen wünscht sie sich eine „klare Bekenntnis“ zum Thema. Zudem wüssten die Lehrkräfte gerade in Zeiten wie diesen ohnehin, wie wichtig es sei, den Fokus auf demokratische Grundbildung zu setzen. Aber: Die BLLV-Präsidentin ist froh, dass Bildung auch in der Politik nun als wichtiger Punkt wahrgenommen wird.
Doch wie wird der Vorschlag an den Rosenheimer Schulen aufgefasst? Michael Holzner, Rektor der Mittelschule am Luitpoldpark, zeigt sich optimistisch. Er hielte die Idee für gut, einen Schwerpunkt auf die Themen Demokratie- und Werteerziehung zu legen. „Unsere Verfassung, das Grundgesetz und die Demokratie sind wichtige Güter, die es zu stärken gilt“, macht er deutlich. Besonders wichtig ist es Holzner, die bereits in den Lehrplänen enthaltene Themen genauer zu veranschaulichen und mehr miteinander zu verknüpfen. „Hierfür bleibt zum Teil zu wenig Zeit.“
Schulleiter durchaus
optimistisch gestimmt
Magdalena Singer, Direktorin der Mädchenrealschule Rosenheim, ist vorerst nicht abgeneigt von der Verfassungsviertelstunde. Sie weiß aber auch: „Es bräuchte ein gutes Konzept“. Schließlich könne man politische Zusammenhänge einer Zehnjährigen nicht genauso erklären wie einer 17-Jährigen. Man müsse es also auf jede Klasse einzeln herunterbrechen und die Lehrkräfte bräuchten einheitliche Vorgaben und einen verbindlichen Plan, was gelehrt wird. Singer merkt zudem auch, dass derzeit Bedarf und Interesse an der Besprechung politischer Themen bei den Schülern vorhanden ist. Dies werde zum Teil bereits im Geschichts-, Sozialkunde- und Deutschunterricht aufgefangen. Dennoch fände Singer es „toll, wenn mehr politisches Verständnis in den Schulen Einzug hält.“
Am Ignaz-Günther-Gymnasium (IGG) wird das grundsätzliche Ziel der Verfassungsviertelstunde befürwortet. Der stellvertretende Schulleiter Udo Segerer merkt jedoch auch an, dass in den vergangenen Jahren immer wieder von den Schulen erwartet wurde, neue Themen aufzugreifen. So etwa Gesundheit, Alltagskompetenz oder Digitalisierung. Diese Themen müssten auch irgendwo untergebracht werden. „Bei allen zusätzlichen Inhalten, die an die Schulen herangetragen werden, sollte immer dazu gesagt werden, was stattdessen gekürzt werden kann“, wünscht sich Segerer. Wie Fleischmann zweifelt auch er bei der angedachten Viertelstunde am richtigen Format. Die Inhalte der Verfassung sollten ihm zufolge „an der Schule gelebte Praxis“ sein. Daher plant das IGG auch bei der nächsten Überarbeitung der Schulverfassung, das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung noch stärker als Grundlage zu nutzen. Aus der Sichtweise des Elternbeirats des Ignaz-Günther-Gymnasiums ist der Tenor zunächst positiv. Die politische Bildung sei aus Elternsicht ein wichtiges Element der allgemeinen Schulbildung.
Elternbeirat findet
Zeitrahmen „fraglich“
„Das Bestreben, die Werte der Demokratie in den Vordergrund zu rücken“, begrüßt der Elternbeirat einem Sprecher zufolge. Doch auch hier gibt es Kritik. Es sei „fraglich“, was eine Viertelstunde pro Woche bewirken kann. Als wirkungsvoller empfänden die Eltern es, wenn die Inhalte schlichtweg in den Unterricht integriert oder demokratische Prinzipien im Schulleben gelebt würden. Hier sei das IGG aber ohnehin bereits gut aufgestellt.