Rosenheim – Anna Grude ist aufgeregt. Und das schon seit einigen Tagen. „Ich habe in den vergangenen Nächten sehr schlecht geschlafen“, sagt sie. Sie sitzt in einem italienischen Restaurant, studiert die Speisekarte. Hin und wieder fährt sie sich mit der Hand durchs Gesicht. Noch genau erinnert sie sich an den Moment, als ihr Kulturreferent Wolfgang Hauck mitteilte, dass sie den Kulturförderpreis der Stadt Rosenheim erhält. „Ich war total überrumpelt und habe überhaupt nicht damit gerechnet“, sagt sie.
Oberbürgermeister
Andreas März lobt
Zumindest für die Mitglieder des Schul-, Kultur- und Sportausschusses schien die Entscheidung klar. Einstimmig sprachen sie sich für Anna Grude als Preisträgerin aus. „Anna Grude gelingt der Dreiklang aus künstlerischem, dramaturgischem und soziokulturellem Schaffen“, sagte Oberbürgermeister Andreas März. Mit Theaterproduktionen, Filmscreenings, Ausstellungen und Konzerten hat sie März zufolge ein Kulturangebot mit hoher künstlerischer Qualität geschaffen, das niederschwellige kulturelle Teilhabe für alle bietet.
Angst, der Rolle nicht
gewachsen zu sein
Es ist Lob, das Anna Grude lächelnd zur Kenntnis nimmt. Sie ist stolz auf das Erreichte, mag es gleichzeitig aber nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Im Rampenlicht. Vielleicht ist es einer der Gründe, warum sie lieber hinter der Bühne als auf der Bühne steht. Ihr Fokus liegt auf der Regie.
Ihr erstes eigenes Stück „Medea. Stimmen“ führte sie Anfang des Jahres auf. „Darauf bin ich tatsächlich am meisten stolz“, sagt sie. Zuvor habe sie hauptsächlich als Regieassistenz gearbeitet. „In dieser Position trifft man keine künstlerischen Entscheidungen oder hat die Verantwortung“, sagt sie. Als Regisseurin sei das anders. „Ich hatte Angst, dass ich der Rolle nicht gewachsen bin“, sagt Anna Grude. Sorgen, die – wie sie im Nachhinein weiß – unbegründet waren.
Neben dem Stück ist es vor allem das Kulturzentrum „Affekt“, das, was ihr in den vergangenen Monaten die meiste Energie abverlangt hat. Bereits 2022 spielte sie mit dem Gedanken, einen Ort zu schaffen, an dem Kulturinteressierte und Kulturschaffende zusammenkommen können. Inspiriert habe sie die Produktion „Neotopia“ vom Jungen Theater um Florentine Klepper in den Posthöfen – ebenfalls eine Leerstandnutzung. Etwas Vergleichbares wollte Anna Grude schaffen. Zum Theaterspielen, für Ausstellungen, Vorträge, Workshops für Schauspieler und Kinoaufführungen, aber auch zum Musikmachen.
Flötzinger suchte
einen Zwischenmieter
Weil die Flötzinger Brau-erei ungefähr zur gleichen Zeit nach einem Zwischenmieter für das ehemalige Wirtshaus „Zur Brez‘n“ an der Wittelsbacher Straße suchte, konnten sich Anna Grude und Brauerei-Geschäftsführer Lorenz Stiglauer schnell einigen. Unterstützung bekam sie unter anderem von Dramaturg Ludwig zur Hörst. Generell ist es Anna Grude immer wieder wichtig, hervorzuheben, dass es nicht ihr alleiniger Verdienst ist. Dass das „Affekt“ nur deshalb funktioniere, weil es in Rosenheim bereits eine große Kulturszene gibt. „Wir haben nur eine Plattform geschaffen“, sagt sie.
Der Kulturförderpreis ist deshalb in ihren Augen auch kein Einzelpreis, sondern ein Preis für die gesamte Rosenheimer Subkultur. „Wenn ich könnte, würde ich den Preis gerne in ganz viele kleine Stücke schneiden“, sagt sie. Trotzdem macht die junge Theatermacherin kein Geheimnis daraus, dass ihr die Auszeichnung viel bedeutet. „Es ist eine ganz besondere Form der Wertschätzung.“
Bereicherung der
Kulturszene
Das unterstreicht auch Kulturreferent Wolfgang Hauck: „Die Theaterregisseurin Anna Grude bereichert mit ihrem vielfältigen künstlerischen Wirken die Rosenheimer Kunst- und Kulturszene“, sagt er und weiter: „Mit dem Affekt hat sie mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern einen soziokulturellen Ort geschaffen, in dem unterschiedlichste künstlerische Gattungen ein temporäres Zuhause finden.“
Heute bekommt Anna Grude dafür den Kulturförderpreis überreicht. Am Ende ihrer Ziele ist die 28-Jährige damit selbstverständlich noch lange nicht. „Irgendwann möchte ich in großen Häusern Regie führen“, sagt sie. Ein Stück im Residenztheater, vielleicht im Staatstheater. Sie will inszenieren, Projekte machen und die Zuschauer mit Themen konfrontieren, die zum Nachdenken anregen. Aber erst einmal will sie feiern. Mit Freunden, Familie und Arbeitskollegen.