Rosenheim – Es war ein beängstigendes Erlebnis, das Ulrich Bathmann auf einer seiner unzähligen Expeditionen erlebte. Mit dem Polarschiff „Polarstern“ ging es mit einem Forscherteam in die Antarktis, um Proben vom Meereis zu entnehmen. Mit zwölf Personen stieg Bathmann vom Schiff. Sie stellten die Geräte auf das Eis und wollten gerade mit der Entnahme der Proben beginnen, als die Gezeiten umschlugen. „Das Eis brach und die Schollen fingen an, sich zu bewegen. Wir trieben immer weiter weg von unserem Schiff“, erinnert sich der Meeresforscher.
Das Forscherteam trieb weit auf das offene Meer hinaus. Die Verbindung zum Schiff brach ab. Die Angst stieg bei den Forschern. „Die Herausforderung bestand darin, die jungen Kollegen zu beruhigen und zusammenzuhalten“, sagt Bathmann. Einige liefen zu den Geräten, um sie zu bergen. Doch in dieser Situation sei es wichtiger, zusammen nach einer sicheren Stelle zu suchen. Gemeinsam tasteten sie sich vor, bis sie eine stabile Position fanden. Dann setzte sich die „Polarstern“ in Bewegung und verschwand. Erneut kam bei dem kleinen Forscherteam Panik auf. „Das Schiff musste einmal wegfahren, um uns gezielt anfahren zu können“, sagt Bathmann.
Ein „Kopfmonster“ mit ganz viel Ruhe
Schließlich konnten alle wieder sicher auf das Schiff gelangen und die Expedition ging weiter. Es ist ein Moment, der Bathmann bis heute nicht loslässt. „Ich hatte in diesem Moment viel Verantwortung und musste rational bleiben, um die Gefahrensituation besser analysieren zu können“, sagt er. Es sei eine seiner Stärken, auch in solchen Situationen ruhig zu bleiben. „Einige Leute sagen, ich bin ein Kopfmonster“, sagt Bathmann.
Liebe zum Meer
seit jungen Jahren
Das Meer hat Bathmann schon immer fasziniert. Mit seiner Familie reiste er in den Ferien oft an die Ostsee. In seiner Heimat Mölln in Schleswig-Holstein verbrachte er als Jugendlicher jede freie Minute in der Natur. Vor allem die umliegenden Seen begeisterten ihn. „Und da fing es an, dass ich mich intensiver mit der Flora und Fauna beschäftigt habe“, erinnert sich der Meeresforscher.
Für ihn war klar, dass er in diesem Bereich arbeiten möchte. Nach seinem Abitur ging es für ihn an die Universität Kiel. Dort studierte er biologische Ozeanographie, Zoologie und Biochemie. Schon während seines Studiums nahm er an Expeditionen teil und untersuchte neue Lebensräume. „Das Unsichtbare sichtbar machen, das ist das Besondere an meinem Beruf“, sagt Bathmann. Vor allem der Ozean und die Küstenmeere haben es ihm angetan. „Wir wissen nicht direkt, was unter der Oberfläche passiert, da wir diese nicht sofort visuell erfassen können“, sagt Bathmann. Dafür muss er zunächst die Organismen an die Oberfläche holen. Mithilfe von Messdaten kann er dann interpretieren, was im Meer vor sich geht. Und dafür braucht es mehr als nur Biologie. Auch die Chemie, die Physik und die Geologie muss Bathmann heranziehen, um klare Ergebnisse zu erhalten.
Schon 27-mal war Bathmann auf den Meeren unterwegs. Zehn davon war er der wissenschaftliche Fahrtleiter. So ging es für ihn zunächst in die Ostsee, die Nordsee und in den Nordatlantik. Danach führte er Expeditionen in der kanadischen Arktis durch und reiste weiter in den Südozean, als er am Alfred-Wegner-Institut beschäftigt war.
Mehrfache Reisen
in die Antarktis
In die Antarktis verschlug es den Forscher mehrmals. Hier erlebte er Aufregendes. „Eine große Herausforderung ist die Dunkelheit im antarktischen Winter“, erinnert sich Bathmann. Bis zu 50 Personen auf einem Schiff „eingesperrt“. Kein Privatbereich, um sich zurückzuziehen. Jeden Tag auf engstem Raum beieinander. Und dann die Dunkelheit, die bis zu 23 Stunden andauert. „Als Verantwortlicher muss man nach Beschäftigungen suchen, um die Truppe bei Laune zu halten“, sagt Bathmann. So fanden regelmäßig Fotowettbewerbe, Tischtennisturniere und Samba-Tänze statt.
Und dort machte Bathmann auch eine besondere Entdeckung in seiner Laufbahn. Während seiner Doktorarbeit in den 80er-Jahren entdeckten Forscher, dass die kleinen Planktonorganismen, also mikroskopisch kleine Organismen Einfluss auf das globale Klima haben. Dies geschieht durch Reaktionen , wie das Wachstum, Absterben oder dem Binden von chemischen Substanzen. Während einer Expedition konnte Bathmann dies mit eigenen Augen sehen. „Selbst im antarktischen Winter, wenn alles mit Meereis bedeckt ist, tobt das Leben unter dem Eis weiter“, sagt er. Kleine Eisorganismen, wie einzellige Algen, Ruderfußkrebse und der antarktische Krill führen bei mehreren Minusgraden ihr gewöhnliches Leben weiter.
Nun kommt der Meeresforscher nach Rosenheim, um über die neuesten Erkenntnisse seiner Forschung zu berichten. Seit zehn Jahren ist er auch forschungspolitisch tätig. Wie im Verein Konsortium Deutsche Meeresforschung und in der Deutschen Allianz Meeresforschung für Wissenschaft und Forschungsministerien. Gemeinsam mit 100 Wissenschaftlern geht er der Frage nach, welche Möglichkeiten es heute gibt, um ingenieurstechnisch die Aufnahmekapazität von CO2 im Ozean zu erhöhen.
Bislang sind sie auf zehn Möglichkeiten gestoßen, wie im Ozean zusätzliches CO2 gespeichert werden kann. „Nun stellen sich die Fragen, welche naturwissenschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die Speicherkapazitäten zu erhöhen und welche Risiken damit einhergehen“, sagt Bathmann. Außerdem müsse geprüft werden, ob diese Möglichkeiten effektiv und international umsetzbar sind. Vor vier Monaten erschien dazu ein erster Zwischenbericht.
Lösungen zum Klimawandel gesucht
„All diese Möglichkeiten sind nicht die Globallösung. Damit wird der Ozean nicht das CO2-Problem allein lösen. Aber dadurch können wir uns mehr Zeit verschaffen, um den Energiewandel umzusetzen“, sagt Bathmann. Unter anderem möchte er darüber mit den Rosenheimern während der Veranstaltung diskutieren. Der Klimawandel gehe jeden etwas an.
Auf Rosenheim freut sich der Forscher sehr. „Ich komme gerne nach Rosenheim, weil ich sehr gute Erinnerungen an diese Stadt habe“, sagt Bathmann. Und auch die Betreiber des Lokschuppens freuen sich über den Besuch. „Herr Bathann ist eine faszinierende Persönlichkeit“, sagt Dr. Jennifer Morscheiser, die Leiterin des Lokschuppens. Mit seinen Lebenserfahrungen sei er ein passender Gesprächspartner im Bereich der Vulkanologie und dem Klimawandel. „Zusammen mit dem Wissensvermittler Holger von Neuhoff bilden sie zusammen einen tollen Abschluss für die Vortragsreihe der Vulkan-Ausstellung“, sagt Morscheiser.