Rosenheim – Die katholische Kirche in Rosenheim steht vor tiefgreifenden Veränderungen: Drei Stadtteilkirchen, neun Pfarr- und drei Filialgemeinden werden in Kürze zu einer Stadtkirche zusammengeführt – und das ohne Pfarrer Andreas Maria Zach. Er verabschiedet sich nach 16 Jahren aus Rosenheim. Im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen erinnert er sich an seine ersten Anfänge in der Stadt und wohin es ihn nun zieht.
Herr Zach, 14 Jahre lang waren Sie Pfarrer in Bischofswiesen. Dann zog es Sie im Jahr 2007 nach Rosenheim. Welche Erwartungen hatten Sie?
Gar keine. Ich wollte erst einmal sehen, wie Rosenheim schwingt und klingt.
Und wie schwingt und klingt nun Rosenheim?
Statt stolzes Bürgertum habe ich viel Heiterkeit erlebt. Rosenheim hat eine Geschichte als Handelsstadt. Das merkt man auch heute noch an der Offenheit seiner Bewohner. Die Stadt hat außerdem kulturell und sozial viel zu bieten. Und die Kirche genießt immer noch ein hohes Ansehen. Das merkt man am Zuspruch bei den Gottesdiensten und am Rückenwind, wenn es um kirchliche Projekte geht.
Bei ihrer Amtseinführung titelten die OVB-Heimatzeitungen „Hirte und Steuermann“. Sehen Sie sich immer noch so?
Ja, das bringt die Doppelrolle eines Pfarrers sehr gut auf den Punkt. Auf der einen Seite wendet man sich den Menschen in Not und Freude zu. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele strukturelle Aufgaben mit Verantwortung für Angestellte, in meinem Fall waren das zu Beginn meiner Tätigkeit 60 Leute. Mit der in Renovierung befindlichen Kirche St. Nikolaus habe ich dann auch noch 680000 Euro Schulden bei meiner Ankunft übernommen. Und dann begannen auch noch die Planungen für die Landesgartenschau. Das waren schon sehr große Herausforderungen.
Die Herausforderungen wurden nicht weniger. Priestermangel, Missbrauchsskandal und Austritte prägen die Schlagzeilen über die katholische Kirche. Sollte man nicht auch am Programm etwas ändern, statt nur an der Struktur?
Die vier Brennpunkte des synodalen Wegs sind ja bekannt. Pflichtzölibat bei der Priesterweihe, Frau in der Kirche, Sexualmoral und Klerikalismus. Seit meiner Weihe vor 41 Jahren plädiere ich mit Kollegen, dass sich hier etwas ändern muss. Beim „Programm“ liegt es doch bei jedem Pastoralteam, welches es aufstellt und bedient. Da haben wir in unserer Kirche wirklich viel Freiheit. Ich hatte durch die Bank junge, motivierte Mitarbeiter mit ganz verschiedenen Talenten. Das war für die Vielfalt des „Programms“ ein großer Vorteil. Aber wichtig ist dabei immer, dass Tiefe dabei ist. Glaube ist kein billiges Entertainment.
Man könnte auch darüber nachdenken, die Liturgie zu ändern?
Es gibt ja schon viele verschiedene Formen von Gottesdiensten und Andachten, bis hin zur Jazzmeditation. Da kann jeder aussuchen und hoffentlich etwas darin finden. Mir persönlich haben immer besonders gut die Kindergartengottesdienste gefallen.
Warum gerade die?
Weil Kinder in diesem Alter sehr fantasievoll und noch so schön direkt sind. Da habe ich viele lustige Momente erleben dürfen.
Nun steht die katholische Kirche in Rosenheim vor einem ganz neuen Kapitel. Viele Gläubige haben gehofft, dass Sie diesen neuen Weg noch ein Stück weit mitgehen.
Zunächst ist festzustellen, dass unsere Erzdiözese einen immer größeren Mangel an leitenden Priestern hat. Als ich in Rosenheim begann, gab es noch sechs installierte Pfarrer. Mit den Stadtteilkirchen waren es nur noch drei. Jetzt steht noch einer für die ganze Stadt zur Verfügung. Mit Domkapitular Monsignore Thomas Schlichting hat die Erzdiözese einen ihrer besten Männer nach Rosenheim gesandt. Ich will und darf diesem neuen Kapitel nicht im Wege stehen. Ohnehin habe ich eh nur noch ein gutes Jahr bis zu meinem Ruhestand und mit meinen 16 Dienstjahren gehöre ich eh zu den am längsten amtierenden Stadtpfarrern von St. Nikolaus.
Wohin zieht es Sie Anfang Dezember?
Ich habe meine künftige Stelle aussuchen dürfen und gehe nach Trostberg. Dafür gibt es zwei Gründe: Pfarrer Dr. Schomers, der mein künftiger Chef ist und aus Rosenheim stammt, und die Großfamilie meines älteren Bruders, die mit fünf sehr dynamischen Großneffen und -nichten nur acht Kilometer entfernt wohnt.
Nach Trostberg gehen Sie aber nicht als Pfarrer, sondern als Pfarrvikar. Das ist beruflich betrachtet ein Abstieg.
Das stimmt. Ich bin dort nicht mehr der, der Richtlinien festlegt. Eine gute Übung für meine Demut. Aber wie gesagt, es ist nur ein gutes Jahr und dann werde ich sehen, ob ich noch etwas weitermache oder mich zur Ruhe setze.
Haben Sie schon Pläne für Ihren Ruhestand?
Ich würde gern noch ein paar 3000er in den Alpen besteigen, auf denen ich bisher noch nicht stand.
Bei einem Abschied heißt es oft, man geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ist das bei Ihnen auch so?
Von dieser Redewendung halte ich nicht viel. Wie soll ich lachen, wenn ich noch gar nicht weiß, was mich in Trostberg erwartet. Weinen? Natürlich schmerzt jeder Abschied. Aber das, was ich von Rosenheim mitnehme, beschenkt mich ungeheuer. Es war wahrlich eine abenteuerliche Zeit. Trotzdem gehe ich von hier dankbar und zufrieden. Interview: Karin Wunsam