Ein Angeklagter mit zwei Gesichtern

von Redaktion

Das Jugendschöffengericht Rosenheim verurteilte einen 19-jährigen Rosenheimer wegen vorsätzlichem, unerlaubtem Führen einer Waffe, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Bedrohung und Beleidigung zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.

Rosenheim – „Ich kann ihnen nur dringend raten, ein gutes Bild abzugeben, denn es steht viel auf dem Spiel,“ appellierte Richter Bernd Magiera gleich zu Beginn der Verhandlung an den Angeklagten, der wegen fast identischer Delikte erst am 12. Juli zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung und einem vier wöchigen Dauerarrest verurteilt wurde.

Mit Nachbarn
in Streit geraten

Scheinbar völlig unbeeindruckt von dem damals laufenden Verfahren kam es noch vor der Urteilsverkündung zu den neuerlichen Vorfällen, die der Angeklagte laut Polizeiangaben lässig mit dem Hinweis abtat, dass er einen guten Verteidiger habe, der ihn schon raushaue. „Warum hauen sie solche Sprüche raus?“, wollte der Jugendrichter wissen.

Laut Anklage soll der 19-jährige zum Tatzeitpunkt ohne die erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis mit einer geladenen Luftdruckwaffe Glock 6mm in der Brunnholzstraße ohne Fahrerlaubnis mit einem Kleinkraftrad unterwegs gewesen und mit zwei Nachbarn in Streit geraten sein. Anschließend soll er sich äußerst störrisch gegenüber den Polizeibeamten gezeigt und die Feststellung der Personalien verweigert haben. Gegen eine Durchsuchung soll er sich massiv gewehrt haben. Deshalb habe man versucht, die Arme des Rosenheimers nach hinten zu bringen, doch der habe sich losgerissen und dabei sei die Waffe sichtbar geworden, die in seinem Hosenbund gesteckt habe.

Beamte mit
Waffe bedroht

Der Angeklagte habe versucht, danach zu greifen und gerufen: „Ich habe eine Waffe“, berichteten die beiden am Einsatz beteiligten Beamten. Dabei habe es sich um höchste Eskalationsstufe gehandelt, „denn wir sind in diesem Moment davon ausgegangen, dass es sich um eine scharfe Waffe handelt“. Geistesgegenwärtig habe der Kollege die Waffe am Schlitten packen und so ihren Einsatz verhindern können.

Anschließend habe es ein Gerangel um die Waffe gegeben, doch am Ende sei es gelungen, die Waffe zu entreißen und zu sichern. Erst da habe der Angeklagte gesagt, dass es eine Spielzeugwaffe sei, berichtete einer der Beamten. Beide beschrieben das Verhalten des Angeklagten als nicht altersgemäß und trotzig. Drohungen wie „ich schlage dir die Nase blutig“ oder „ich werfe dich von der Brücke“ seien eher ungewöhnlich. Ohne große Erklärung räumte der Angeklagte die mit den Aussagen der Zeugen bestätigten Tatvorwürfe ein. Dazu gehörte auch die Beleidigung eines Ladenmitarbeiters als „Esel“ in einem weiteren Fall. Der damit verbundene versuchte Diebstahl einer Creme zum Preis von 7,99 Euro war bereits im Vorfeld eingestellt worden.

Viel Positives hatten Bewährungshelferin und Jugendgerichtshilfe zu berichten. Demnach hat der Angeklagte, der eine sehr schwierige familiäre Situation mit straffälligem Vater und Gewalt gegen die alkoholkranke Mutter zu bewältigen hat, zwei Seiten. Er sei freundlich und nett, aber auch fordernd, aufbrausend und aggressiv. Der Dauerarrest habe ihn nachhaltig beeindruckt. Er habe das Einsperren als sehr hart empfunden und während der Zeit alle Maßnahmen genutzt, um seine Themen aufzuarbeiten und sein Leben zum Positiven zu wenden, so die sozialpädagogische Einschätzung. Eine Ahndung nach Jugendstrafrecht wurde angeregt. Auch die Bewährungshelferin schilderte das Verhalten des Angeklagten positiv. Er habe sich sehr zuverlässig gezeigt und sich aufrichtig bemüht, einen guten Weg zu finden. Zwei schon früher erstellte Gutachten bestätigen dem Angeklagten eine Impulsstörung mit einer ernsthaften Einschränkung, wo er dann keine bewusste Entscheidung treffe, sondern die seelische Komponente zum Tragen komme, sowie ein Abwehrverhalten bei Überforderung und einen emotional desolaten Zustand mit depressiven Tendenzen. Die Taten spiegelten aus Sicht der Anklagevertretung eine extreme Dreistigkeit wider. Entwicklungsverzögerungen und ein Mangel an Beherrschung seien nicht auszuschließen.

Der Angeklagte habe gewusst, dass ein Damoklesschwert über ihm schwebe, doch er sei scheinbar unbelehrbar. Die aktuellen Tatvorwürfe seien ein „copy and paset“ der Vorverurteilung. Die hohe Rückfallgeschwindigkeit und Persönlichkeitsmängel machten eine längere Gesamterziehung notwendig, betonte Staatsanwalt Auer und forderte unter Einbeziehung des Urteils vom Juli, eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Verteidiger Walter Holderle rückte die Vorprägung durch die Eltern und dessen bipolare Phasen in den Fokus. Immer wenn er sich in die Enge getrieben fühle, gehe er sofort in Gegenwehr.

Das Gericht habe bei der Vorverurteilung mit Bewährungshilfe, Betreuungshilfe und Arrest ein enges Korsett geschnürt, dass bereits Früchte zeige und beim Angeklagten zum Umdenken geführt habe. Mit einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren könne der gute Weg weitergehen. Das Jugendschöffengericht sah es ähnlich.

Aufrichtige
Entschuldigung

Der Angeklagte habe ein Geständnis abgelegt und sich bei den Geschädigten aufrichtig entschuldigt. Die Straftaten hätten vor dem letzten Urteil stattgefunden. Seither sei ein erzieherischer Wandel zu erkennen. Der Angeklagte hab viel Eigeninitiative gezeigt und sich dadurch eine günstige Sozialprognose erarbeitet, hieß es in der Urteilsbegründung.

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