Rosenheim – Jemanden schikanieren, demütigen oder quälen. So wird der Begriff Mobbing im Duden erklärt. Und genau das hat schon mehr als ein Drittel (38,1 Prozent) der Schülerinnen und Schüler in Deutschland erlebt, wie eine Studie der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2022 zeigt. Zwei Jahre zuvor lag die Zahl bei 37,6 Prozent.
„Es ist mehr
geworden“
In Rosenheim bestätigt sich der Aufwärtstrend. „Es ist mehr geworden, ja“, erklärt Rektor Robert Mayr von der Grund- und Mittelschule Westerndorf St. Peter. Das Problem sei allerdings, dass das Mobbing in der Regel zunächst im Verborgenen stattfindet. Die sozialen Medien hätten diese Lage noch einmal verschärft.
Das weiß auch Sigrid Rechenauer, Schulleiterin am Karolinen-Gymnasium. „Mobbingprävention bedeutet auch Medienerziehung“, sagt sie auf OVB-Anfrage. Umso wichtiger sei es, auch die Eltern frühzeitig einzubinden: „Manchen ist gar nicht bewusst, was ihre Kinder da am Handy machen.“
Magdalena Singer, Direktorin der Mädchenrealschule Rosenheim, hat nicht den Eindruck, dass das Mobbing an ihrer Schule in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Allerdings gibt es an anderer Stelle Probleme: „Die Schülerinnen haben in der Corona-Pandemie verlernt, wie man miteinander umgeht“, sagt sie. Das Sozialverhalten sei seitdem deutlich schlechter geworden. Es sei ein ständiges sich Bemühen. „Man muss viele Dinge erklären, die eigentlich selbstverständlich sind“, sagt die Schulleiterin.
Bei entsprechenden Beratungsstellen ist die Lage ähnlich. „Generell haben die Anmeldung zu sozial-emotionalen Problemen von Kindern und Jugendlichen in Schulen zugenommen“, berichtet Manfred Jahn von der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle der Caritas Rosenheim. Man könne zwar nicht genau sagen, wie oft hier das Thema Mobbing dahinterstecke, es spiele aber oft eine „erhebliche Rolle“. Meist sind es allerdings die Eltern, die den ersten Schritt wagen und auf die Beratungsstelle zugehen. Für die Schüler seien erste Ansprechpartner in der Regel die eigenen Eltern oder Lehrer.
Die Daten der Telefonseelsorge der Diakonie bestätigen den Eindruck der Caritas ebenfalls. In der Bundesstatistik der Telefonseelsorge ist das Thema Mobbing unter „körperliche und seelische Gewalt“ integriert. Es lässt sich also nicht genau identifizierten, bei wie vielen Fällen es konkret um Mobbing ging. Besonders die Beratung per E-Mail ist in diesem Bereich stark angestiegen. Während es 2020 noch in 2,68 Prozent der E-Mails um körperliche und seelische Gewalt ging, so machte dieser Bereich 2022 bereits 5,29 Prozent aus.
Dass die Anfragen per E-Mail zugenommen haben, lässt sich laut Birgit Zimmer, Leiterin der Telefonseelsorge Rosenheim, leicht erklären. In der E-Mail-Beratung besteht längerer Kontakt zu den Ratsuchenden. Dadurch würden sich Menschen dort eher öffnen und Vertrauen haben, auch heikle Themen zu besprechen.
Auch an den Krisenchat wenden sich regelmäßig Betroffene. „Wir benennen in der Beratung deutlich das Unrecht. Die Betroffenen tragen keine Schuld daran, dass sie gemobbt werden“, erklärt Melanie Eckert, Mitgründerin des Krisenchats. Das niederschwellige Hilfsangebot über den Messengerdienst ist allerdings nicht als langfristige Lösung gedacht, sondern mehr als eine „Kurzzeitintervention“, wie Eckert es nennt. Gemeinsam mit dem Krisenchat können Betroffene dann Unterstützungsangebote vor Ort finden.
Neben der Telefonseelsorge und dem Krisenchat helfen auch die Jugendsozialarbeiter an den Schulen. Sie sprechen bei Konflikten mit Beteiligten und versuchen, diese im Zweifel auch unter Einbezug der Eltern zu klären.
Mayr findet es gut, wenn jemand mit den Schülern spricht, der sich außerhalb des Schulkosmos bewegt. So könne leichter eine Vertrauensebene geschaffen werden. Er weiß allerdings auch um die Probleme bei dieser Thematik. „Man muss vorsichtig sein. Es gibt auch Fälle, da wird ein Schüler des Mobbings beschuldigt, obwohl er nie etwas getan hat.“ Außerdem rät er in extremen Fällen, dass die Eltern des Betroffenen die Polizei einschalten.
Angebote
zur Prävention
Neben Sozialarbeitern, Vertrauenslehrern und Eltern bieten alle Schulen auch verschiedenste Präventivveranstaltungen an, um schon gegen Mobbing vorzugehen, bevor es überhaupt dazu kommt. Hierbei werden meist externe Ansprechpartner in die Schule gebracht, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen. So gab es am Karolinen-Gymnasium beispielsweise kürzlich den Anti-Gewalt-Kurs „Zammgrauft“ in Zusammenarbeit mit der bayerischen Polizei.
Aber auch das Thema Cybermobbing wird aufgegriffen, wie Singer von der Mädchenrealschule erklärt. Dort finden beispielsweise regelmäßig Präventionsveranstaltungen mit der Rosenheimer Beratungsstelle „Neon“ statt.