Mit Schneeschleuder gegen weiße Pracht

von Redaktion

Erstmals seit 17 Jahren setzt Bauhof wieder Spezialgerät ein – 50 Lkw-Ladungen

Rosenheim – 2.45 Uhr morgens: Die Stadt schläft noch. Die Straßen sind nahezu komplett leergefegt. Doch am Baubetriebshof in Westerndorf St. Peter ist schon eine Menge los. Drei Lkw stehen bereit sowie mehrere kleine Räumfahrzeuge und ein großes Streufahrzeug. Hier ist seit knapp einer Woche Dauereinsatz angesagt. Denn die Schneemassen, die seit Freitag in Rosenheim gefallen sind, müssen auch irgendwie beseitigt werden. Räumen, streuen und noch mehr räumen: Die Mitarbeiter sorgen dafür, dass der Verkehr trotz der angespannten Wetterlage sicher und möglichst flüssig laufen kann. Allerdings sind die Massen an Schnee in diesem Jahr so enorm, dass auf spezielles Werkzeug zurückgegriffen werden muss: die Schneeschleuder.

Um drei Uhr
morgens geht es los

Pünktlich um drei Uhr zieht die Kolonne aus Lkw, Räum- und Streufahrzeugen in Richtung Ellmaierstraße los. Anton Hipf steuert die Schneeschleuder. Für ihn war der erste Einsatz am vergangenen Dienstag eine Premiere. Als das Gerät 2006 zuletzt im Einsatz war, hat er sich noch nicht ans Steuer getraut. „Die hat damals ein älterer Kollege gefahren, dem konnte man nichts recht machen“, scherzt Hipf. Für die selten eingesetzte Gerätschaft hat er eine Einweisung bekommen – mehr ist nicht nötig.

Die Schneeschleuder wird in diesem Jahr aufgrund der großen Menge an Schnee benötigt, die in so kurzer Zeit gefallen ist. Denn die Räumfahrzeuge können ihn nur an den Straßenrand schieben – und blockieren damit Fahrradwege und verengen die Fahrbahn. Die Schneeschleuder befreit so zumindest die größeren Straßen von den Schneemassen.

Sein Kollege Peter Scharfenort, der auch mit im Auto sitzt, kontrolliert den Fahrweg und die Geschwindigkeit. Per Funk ist er mit dem Lkw-Fahrer in Kontakt, der den Lastwagen vor der Schneeschleuder steuert. Nachdem die Schleuder den Schnee aufgegriffen hat, wird er in hohem Bogen über den Auswurfkamin auf die Ladefläche des Lkw geschleudert. „Aber zuerst kommen die Kleinen“, erklärt Hipf. Denn bevor die Schleuder den Schnee überhaupt aufnehmen kann, muss ein kleines Räumfahrzeug ihn vom Bordstein wegschieben.

Es ist Feinstarbeit, welche die Bauhofmitarbeiter mit der Schneeschleuder leisten müssen. Der Abstand zu Autos am Straßenrand muss passen, der Lkw muss genauso schnell fahren wie das Schneeschleuder-Fahrzeug und der Auswurfkamin muss in die richtige Richtung zeigen. „Es gibt auch modernere Geräte. Da schiebt die Schneeschleuder dann den Lkw“, sagt Hipf. Doch die Rosenheimer Schleuder ist Baujahr 1982 – hier muss also noch der Funk herhalten.

Über 50 Lkw-Ladungen Schnee haben die Baubetriebshof-Mitarbeiter auf diese Weise von den Straßen geholt. „Bis sechs oder sieben Uhr morgens geht es optimal, dann herrscht Chaos“, erzählt Klaus Westermeier, der einen der drei Lkw fährt, um den Schnee abzutranportieren. Sobald der Berufsverkehr beginnt, würde es keinen Spaß mehr machen. „Die Leute werden immer aggressiver im Straßenverkehr. Niemand nimmt mehr Rücksicht aufeinander“, sagt er sichtlich frustriert.

Erst am Dienstag hat er einen Zwischenfall mit einem Fahrradfahrer erlebt, der sich zwischen Lkw und Schneeschleuder gedrängt hatte, als er gerade zurücksetzen wollte. „Das ist saugefährlich“, weiß der Lkw-Fahrer mit 30 Jahren Erfahrung. Eigentlich arbeitet er für ein anderes regionales Unternehmen – doch jetzt unterstützen er und seine Kollegen den städtischen Baubetriebshof. Dort gäbe es sogar noch weitere zwei Fahrzeuge, die eingesetzt werden könnten, allerdings keine Fahrer.

Nicht einmal zwei Minuten dauert es, bis eine Ladefläche voll mit Schnee ist. Dann heißt es für Hipf und Scharfenort erstmal warten, bis dieser wieder abgeladen ist. „Die Schneemassen sind schon brutal in diesem Jahr“, sagt Westermeier auf dem Weg zur Abladefläche. Die drei Lkw bringen den Schnee zu unbebauten Flächen der Stadt Rosenheim. Heute ging es zum Klärwerk. Wo der Schnee am Ende landet, entscheidet der Leiter des Baubetriebshofes. Aber erstmal gilt: raus aus der Stadt, weg von den Straßen, Fahrrad- und Gehwegen.

Doch genau das ist auch ein wenig frustrierend, wie Scharfenort erzählt. „Da ist man das ganze Wochenende unterwegs und am Ende sieht man nichts mehr von unserer Arbeit“, sagt er. „Aber es ist ja alles zum Wohl der Bürger.“ Eben diese sind dem Winterdienst allerdings auch nicht immer wohlgesonnen. „Manche sind uneinsichtig, schimpfen oder rufen auch an und beschweren sich“, erzählt er.

Räumarbeit wird
häufig unterschätzt

Auch Norbert Schrank kennt die Beschwerden zu gut. Beim Schneeschleuder-Einsatz fährt er hinter der Lkw-Schleuder-Kolonne her und streut. Normalerweise ist er mit dem Schneepflug unterwegs und räumt die Straßen frei. Und auch hier hat der „alte Hase“, wie er sich selbst nennt, nach 37 Jahren beim Bauhof schon einiges erlebt. „Das ist alles nicht so einfach“, erklärt Schrank. Viele würden die Arbeit unterschätzen. Gerade jetzt sei er stark gefordert. Die Baubetriebshof-Mitarbeiter wechseln sich wochenweise mit der 24-Stunden-Bereitschaft ab. Wer dran ist, muss je nach Wetter auch nachts raus und streuen oder räumen.

Aber auch Schrank macht es gerne. Allen ist klar, wie wichtig ihr Job ist. Ob für den Rentner, der sonst mit dem Rollator im Schnee stecken bleibt, oder den Radfahrer, der zur Arbeit muss: alles zum Wohl der Bürger.

So funktioniert die Schneeschleuder

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