Letzter Warnschuss für Angeklagten

von Redaktion

Ein junger Mann flieht mit einem Auto angetrunken vor einer Polizeikontrolle in Rosenheim, rast als Geisterfahrer durch eine Einbahnstraße und landet an einem Baum. Vor Gericht kommt heraus: Es ist nicht sein erstes Delikt dieser Art.

Rosenheim/Kolbermoor – Für einen Kolbermoorer endete eine Flucht vor der Polizei in Rosenheim letztlich vor Gericht.

In der Nacht zum 15. Januar 2023 war der damals 18-jährige Produktionshelfer angetrunken mit dem Auto seines Bruders, begleitet von einem Beifahrer, in Rosenheim unterwegs, als ihn eine Polizeistreife auf der Loretowiese zu einer Routinekontrolle anhielt. Doch statt anzuhalten, gab der junge Mann Gas und raste mit mehr als 80 Stundenkilometern durch die Westermayerstraße – entgegen der Einbahnstraßenregelung, in der zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise kein anderer Verkehrsteilnehmer unterwegs war.

„Glück“, dass niemand
zu Schaden kam

Er raste weiter in die Heilig-Geist-Straße, wo er dann mit halsbrecherischer Geschwindigkeit versuchte, in die Frühlingstraße abzubiegen. Dabei verlor er die Kontrolle über sein Fahrzeug und prallte gegen einen Baum. Weder er noch sein Beifahrer kamen dabei zu Schaden. Lediglich der Wagen und der Baum trugen Schäden davon. Wegen des Baums sollte er 700 Euro an die Stadt entrichten, und sein Bruder, der nichts von der nächtlichen Spritztour gewusst hatte, verlangte Schadenersatz für das beschädigte Auto, den der junge Mann in monatlichen Raten abstotterte.

Zunächst war der Kolbermoorer wegen eines „verbotenen Autorennens“ gemäß Paragraf 315d angeklagt. Das hätte im Falle eines Personenschadens eine Haftstrafe bis zu fünf Jahren bedeuten können. „Dass das nicht geschehen ist“, so der Vorsitzende Richter beim Jugendschöffengericht, Hans-Peter Kuchenbaur, „war pures Glück des Angeklagten“. Auch half ihm die Aussage eines damals beteiligten Polizisten, der auf Nachfrage des Richters erklärte: „Nein ich hatte nicht das Gefühl, dass der Angeklagte mit uns quasi ein Rennen austragen wollte. Der hat schlicht und einfach versucht, sich der Kontrolle zu entziehen.“

Ein höchst
gefährliches Verhalten

Allerdings stellte der Richter mit Bedauern fest, dass ihm der Angeklagte aus einer früheren Verhandlung bereits bekannt war. Darüber hinaus hatte es sich damals um ein ähnliches Delikt gehandelt. Er war damals mit einem Leichtmotorrad ebenfalls ohne Führerschein unterwegs gewesen.

Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe erklärte, dass bei dem jungen Mann zum Tatzeitpunkt des ersten Falls sicher „schädliche Neigungen“ vorhanden gewesen seien. Solche sind Voraussetzung für eine Jugend-Haftstrafe. Mit einem Alter von über 18 Jahren kann jedoch sehr wohl bereits das Erwachsenen-Strafrecht angewendet werden. Deshalb, so der Vertreter des Jugendamtes, könne in diesem Fall der Paragraf 27 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) Anwendung finden. Der besagt, dass die Schuld des Angeklagten festgestellt wird, dass aber die Strafe unter entsprechenden Auflagen zur Bewährung ausgesetzt wird.

Das sah die Staatsanwältin nicht so. In jedem Fall habe der Angeklagte ohne Fahrerlaubnis und unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen ein höchst gefährliches Verhalten an den Tag gelegt. Sie könne beim Angeklagten auch keinerlei Reue und Einsicht erkennen. Dazu käme, dass er – obwohl schon einschlägig vorgeahndet – erneut ein ähnliches Vergehen begangen hätte.

Sie beantragte eine Einheitsjugendstrafe von 14 Monaten, die freilich zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Darüber hinaus beantragte sie eine Führerscheinsperre von zweieinhalb Jahren Dauer und einen sogenannten „Warnschuss-Arrest“ von drei Wochen.

Der Verteidiger, Rechtsanwalt Harald Baumgärtl, verwies zunächst darauf, dass sein Mandant durchaus reuig sei. In welcher Form sich das zeige sei freilich eine Mentalitätsfrage. Nicht jeder seiner Mandanten bräche eben bei Gericht in Tränen aus. Sein Mandant sei schuldig. Jedoch habe er nun durchaus begriffen, welchen „Blödsinn“ er damals angestellt habe.

Eine Woche Arrest und
Führerschein-Sperre

Baumgärtl plädierte dafür, der Empfehlung des Jugendgerichtshelfers zu folgen, nämlich einer Verurteilung nach Paragraf 27. Zusätzlich, so der Verteidiger, sollten ein oder mehrere Freizeitarreste genügen, zumal ein längerer Arrest wohl seine Arbeitsstelle gefährden würde. Darüber hinaus müsse er nun ohnehin für den Erwerb eines Führerscheins die Medizinisch-Psychologische Untersuchung bestehen. Deshalb genüge eine einjährige Sperre für den Erwerb der Fahrerlaubnis.

Das Schöffengericht entschied sich letzten Endes für eine Verurteilung nach Paragraf 27 JGG, verhängte eine Woche Arrest und 18 Monate Sperre für eine Fahrerlaubnis. Ein Bußgeld von 1000 Euro muss der Kolbermoorer in monatlichen Raten abbezahlen.

„Sollte ich sie hier wiedersehen, dann sind sie garantiert umgehend im Gefängnis!“, warnte Richter Hans-Peter Kuchenbaur den jungen Angeklagten.

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