Rosenheim – Um 22.09 Uhr jubelt das Publikum am vergangenen Donnerstag im Ballhaus so laut, dass man Angst um die bereits beschlagenen Fenster bekommt. Johannes Eisner, Sänger der Rosenheimer Band Kaffkiez, hatte gerade angekündigt, „New York, Rio, Rosenheim“ zu spielen – aus Nostalgie, das Lied hatten sie schon als Schülerband gespielt. Doch dann bricht Sänger Eisner ab: „Da fehlt doch etwas“, ruft er dem ausverkauften Ballhaus zu. Dann betreten die Sportfreunde Stiller die Bühne – und gefühlt bricht im Saal ein Vulkan aus.
Keine Rede
von Routine
Am Tag vor dem Konzert ist Eisner am Telefon: „Klar, das Lampenfieber wird mit der Zeit weniger“, sagt er. Kaffkiez ist in Deutschland ziemlich erfolgreich: Ihre Lieder werden millionenfach gehört, Konzerte im ganzen Land sind ausverkauft. Von Routine will Eisner trotzdem nicht sprechen, auch wenn es schon das dritte Mal in Rosenheim ist. „Heimspiel ist Heimspiel. Die Menschen hier im Publikum kennen uns, denen können wir nichts vorspielen.“ Manch ein Bandmitglied hätte in den Tagen vor dem Konzert schlecht geträumt, sagt Eisner. Die Geschichte erzählt er auch einen Tag später im Ballhaus.
Er, Johannes Gottwald, Benedikt Vodermaier, Niklas Mayer und Florian Weinberger gründeten sich vor über zehn Jahren als Schülerband am Karolinen-Gymnasium. Jahrelang waren sie als Coverband in der Region unterwegs.
Erst mit eigener, deutscher Indiemusik und dem Namen Kaffkiez kam im Jahr 2020 der Erfolg. Am 26. Januar kommt das zweite Album unter dem Namen „Ekstase“ auf den Markt. „In den vergangenen Monaten haben wir uns viel auf das neue Album fokussiert und viel Zeit in Studio und Proberaum verbracht. Live zu spielen ist da immer der Lohn“, sagt Eisner. Entsprechend gab es im Ballhaus schon erste Hörproben.
Auf dem Konzert läuft Eisner über die Bühne, geht in die Knie, schreit in die Luft, alle singen mit. Dass die Bühne bis auf wenige Scheinwerfer vor großen weißen Vorhängen relativ spartanisch eingerichtet ist, kümmert niemand. In den Texten von Kaffkiez besingt Eisner die Lebensrealität von Menschen in ihren 20ern: Es geht um wilde Partynächte, Liebe und Trennungen, Lieder wie „Ohne euch“ erzählen von der Sehnsucht nach Freiheit. Das kombiniert die Band mit eingängigen Melodien und treibenden Rhythmen. Heraus kommen Songs, die perfekt für die Live-Performance geeignet sind.
Kein Wunder also, dass der Andrang auf die Tickets groß war. Schon eine Stunde vor der Vorband reicht die Schlange vor dem Eingang das gesamte Ballhaus entlang. Oben im Saal passt die Stimmung, sobald die ersten Takte von „Alles nur gelogen“ aus den Lautsprechern dröhnen – ein Lied über die Schattenseiten des Musikerlebens. Das Publikum, jünger als das noch vor einigen Jahren war, tanzt, klatscht und bricht regelmäßig in sogenannte „Moshpits“ aus. Im Publikum bilden sich dabei große Kreise, bis der Rhythmus einsetzt: Dann laufen alle aufeinander zu und tanzen gemeinsam. Auch Pianist Gottwald und Bassist Vodermaier kommen von der Bühne runter, um mitzumachen – man ist ja daheim.
Mitten in der Menge steht Maxine Bönisch. Ein Kaffkiez-Konzert hatte sie einst so von Rosenheim begeistert, dass sie aus Augsburg herzog. „Mein Herz hängt an den alten Songs“, sagt sie. Besonders auf den Trennungssong „Du bist schuld“ freut sie sich am Donnerstag – sie muss nicht lange warten. Es ist inzwischen ihr drittes Konzert von Kaffkiez. „Die Musik der Band hat sich schon verändert“, sagt Bönisch. Zwei andere Fans in der ersten Reihe bekommen von der Band ein T-Shirt geschenkt: für das 50. Konzert, dass sie besuchen.
„Gerade Indie hat ja eine sehr loyale Fanbase“, sagt auch Johannes Eisner. Dreimal spielten sie in diesem Jahr im Ballhaus, dreimal ausverkauft. Dass Kaffkiez mit der eigenen, eher unangepassten Indiemusik wohl nie einen Radiohit wie „New York, Rio, Rosenheim“ landen wird, hat Eisner akzeptiert: „Wir haben unseren Frieden damit geschlossen, nicht in den großen Radiosendern zu laufen. Dafür sind wir kreativ sehr selbstbestimmt.“ Es gehe darum, vor den eigenen Fans zu spielen – und die Sportfreunde Stiller kann man sich ja dazuholen.
Aus dem Ballhaus
in die Festhalle
Ihre loyale Fanbase hat jetzt dafür gesorgt, dass Kaffkiez aus dem Ballhaus auszieht. Zum Konzert im kommenden Jahr – genau ein Jahr später, am 21. Dezember 2024 – kommt die Band in die Auerbräu-Festhalle.
„Wir haben jetzt einfach gemerkt, dass das Ballhaus zu klein wird und viele Leute keine Tickets mehr bekommen haben. Da ist auch ganz viel Dankbarkeit“, sagt Eisner. Die Karten für das Konzert sind bereits unter www.kaffkiez.com erhältlich.
Dass Kaffkiez inzwischen jede Menge Bühnenerfahrung hat, ist spürbar. Da kann auch ein kaputtes Kabel am Bass direkt beim ersten Song niemanden aus der Ruhe bringen. Und wenn Niklas Mayer am Schlagzeug „Nie Allein“ einzählt, das Lied, mit dem alles angefangen hat, das die Band vom Rosenheimer „Kaff“ in die „Kieze“ der Großstädte katapultiert hat und Eisner die Menge, egal ob Jugendfreunde oder neue Fans, auffordert, das „Ballhaus auseinanderzunehmen“ – dann kann man sich sicher sein, dass genau das passieren wird.