Rosenheim – Ob das Weihnachtssingen heuer stattfindet, war zunächst gar nicht sicher. Denn: Mit starkem Wind und leichtem Regenwetter war es draußen alles andere als weihnachtlich. Damit die Besucher nicht frieren mussten, lud die Stadtbibliothek Rosenheim kurzerhand alle Teilnehmer in den zweiten Stock zum Singen ein. So konnten Ernst Schusser, Volksmusikpfleger des Landkreises Rosenheim, seine musikalische Begleitung Eva Bruckner und die Besucher im Warmen singen und musizieren.
Es wird gesungen
und gewippt
„Tun Sie so, als hätten Sie ein bisserl getrunken“ sagte Ernst Schusser zu dem Publikum und stimmte mit seiner Ziehharmonika das Lied „Jetzt kommt die heilig Weihnachtszeit“ an. Die etwa 50 Besucher summten, wippten und hüpften zu der Melodie, die von Eva Bruckners Gitarre begleitet wurde. „Fesch habt‘s des gemacht“ sagt Schusser.
Bei dem nächsten Lied „O Tannenbaum“ hörte man von draußen einen schrillen Pfeifton, wie von einer Trillerpfeife. „Schaut’s, wir singen so schee, dass der draußen gepfiffen hat“, sagte Schusser und das Publikum lachte. Im Lied „Geh, mein Bruder, geh mit mir“ pfiffen die Sänger und Sängerinnen zurück – nach der Strophe „Wenn wir gehn zum Stall hinein / grüßen wir das Kindelein / pfeifen eins dazu, pfeifen eins dazu“.
Es wurde aber nicht nur gesungen, gelacht und gepfiffen, sondern auch getanzt – links, rechts, einmal drehen zum Takt von „Kling Glöcklein, klingelingeling“. „Wir sind kein Chor“, sagt Schusser „wir sind eine Gemeinschaft“. Der Unterschied liege darin, dass in der Gemeinschaft jeder singe, wie er wolle.
Schusser geht es vor allem darum, die traditionellen Lieder am Leben zu erhalten. In dem Gesangsbuch „Alle Jahre wieder“, das vom Bezirk Oberbayern herausgegeben wurde, sind 26 Weihnachtslieder zum Mitsingen und Musizieren niedergeschrieben. Schusser und Bruckner haben daran mitgearbeitet und verteilten es an die Weihnachtssänger. Traditionelle Lieder würden die Botschaft von Liebe und Besinnlichkeit am besten vermitteln, ist Schusser überzeugt.
Zwischendrin erzählte Schusser Anekdoten. In einer erinnerte er sich an seinen Großvater, der zu Weihnachten Zigarren an den Weihnachtsbaum gehangen hat. „Des war der Großmutter immer zwider, weil’s so gestunken hat.“ Das Publikum reagierte erstaunt und belustigt.
„Es werd scho
glei dumpa“
Nach den Liedern war noch lange nicht Schluss: Die Menschen gingen hinunter ins Erdgeschoss, um sich Glühwein oder Kinderpunsch zu holen – wie alle Jahre spendiert von Max Fahrenschon – und draußen in Gruppen zu plaudern. Der Wind und der Nieselregen schien den meisten Besuchern nach dem Umtrunk nichts auszumachen.
Zwischen den mit Lichterketten behangenen Christbäumen am Salzstadel sangen Schusser und das Publikum ein letztes Lied: „Es werd scho glei dumpa“. Mit der Tasse Glühwein in der einen und dem Liederbuch in der anderen Hand sangen die Menschen gegen den Wind an. So konnte der Abend doch noch mit Gesang ausklingen.