Kolbermoor – Es ist ein kleines Wohnquartier südlich der Aiblinger Straße in Kolbermoor, in dem etliche Familien leben. Darunter die von Emily Karoß. Emily besucht die vierte Klasse der Mangfallschule an der Rainerstraße am alten Rathausplatz. Auf dem Weg dorthin muss sie sechs Straßen überqueren, doch es ist die erste, die die Schülerin vor die größte Herausforderung stellt. Denn dort, wo sie wohnt, hat die Aiblinger Straße keinen Bürgersteig, auf dem das Mädchen bis zur einzigen, weiter unten gelegenen Querungshilfe gelangen könnte. In den Morgenstunden herrscht meist starker Berufsverkehr; bei Weitem nicht alle Fahrzeuge halten sich an die innerorts vorgeschriebene Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde.
Wunsch nach
Zebrastreifen
Seit diesem Schuljahr geht Emily morgens selbstständig zur Schule. Mittlerweile schaffe sie es auch oft, alleine über die Straße zu gehen. „Aber sie hat Angst dabei und wartet morgens leider öfter auch mal einige Minuten, bis kein Auto mehr kommt oder sie rübergelassen wird“, schildert Mama Lilly. Emilys großer Wunsch: ein Zebrastreifen oder eine Ampel.
Dafür hat die Neunjährige vor den Weihnachtsferien eine Aktion gestartet: Sie hat Unterschriften gesammelt und einen Brief an den Kolbermoorer Bürgermeister Peter Kloo und den Rosenheimer Oberbürgermeister Andreas März geschickt, in dem sie ihr Anliegen schildert.
„Jeden Morgen fahre ich mit dem Roller zu meiner Freundin Isabella und wir fahren dann zusammen zur Schule. Vor allem jetzt im Winter ist es sehr dunkel und die Autos sind viel zu schnell unterwegs und sehen mich manchmal nicht, wenn ich warte, dass mich jemand rüberlässt. Manchmal ist es richtig unheimlich und ich habe Angst, dass ein zu schnelles Auto kommt und mich nicht sieht. Isabella und ich treffen uns manchmal am Nachmittag und dann können wir zu zweit über die Straße gehen, aber auch da haben wir Angst und müssen manchmal richtig lange warten, bis wir über die Straße kommen. Bitte schenkt mir und meinem Bruder und Isabella und den anderen Kindern und Bewohnern hier in der Straße eine Ampel oder einen Zebrastreifen.“
Dem Schreiben fügte Emily ihre Liste mit rund 30 Unterschriften – darunter die von Klassenkameraden und ihrer Lehrerin – hinzu. Überschrieben ist die Liste mit „Ich wünsche mir einen sicheren Schulweg!“
Dem Bürgermeister, Peter Kloo, ist die Situation an der Aiblinger Straße bekannt, schrieb er an das Mädchen zurück. „Da uns Straßenbreiten für eine Querungshilfe fehlen bzw. wir über Grundstücke auf eurer Straßenseite nicht verfügen können, ist es uns auch nicht möglich, einen Gehweg auf der südlichen Straßenseite zu errichten“, so Kloo. Er weist aber auch darauf hin, dass es sich bei der Aiblinger Straße um eine Kreisstraße (RO13) handelt, diese also nicht der Stadt gehört. Das Landratsamt Rosenheim sei die hierfür zuständige Behörde, die prüfen müsse, ob ein Fußgängerüberweg oder eine Ampel errichtet werden kann. Der Bürgermeister schränkt aber auch schon gleich ein: „Große Hoffnungen möchte ich dir hier allerdings nicht machen.“ Es tue ihm „sehr leid, dass weder ich noch das Christkind dir heuer diesen Wunsch erfüllen kann“, teilte er in seinem Brief vom 18. Dezember 2023 mit.
Auch der Rosenheimer Oberbürgermeister Andreas März hat das Schreiben der Schülerin in der Woche vor Weihnachten an das Landratsamt als zuständige Behörde weitergeleitet, wie Landratsamt-Sprecherin Sibylle Gaßner-Nickl dem Mangfall-Boten auf Anfrage bestätigt. „Er hat auch Emilys Eltern über die Weiterleitung informiert.“ Der stellvertretende Landrat Josef Huber hat sich nun in der ersten Januarwoche mit einer ersten Zwischenmeldung bei Emily gemeldet, da sich Landrat Otto Lederer noch im Urlaub befand. Laut Gaßner-Nickl wird sich Lederer der Sache persönlich annehmen. Aktuell läuft ihr zufolge die Anhörung bei den zuständigen Fachbehörden (Polizei und Straßenbaulastträger). „Das bedeutet, dass die Situation an der RO13 auch vor Ort geprüft und begutachtet wird. Auf dieser Basis wird dann entschieden, ob und welche Möglichkeiten für eine Querungshilfe es gibt.“
Entscheidung soll
noch im Januar fallen
Die Landratsamtssprecherin kündigt auch an, dass eine Entscheidung dazu voraussichtlich noch im Lauf des Januars fallen werde. „Im Anschluss wird Landrat Otto Lederer nochmal an Emily schreiben.“ Dass die Behörden auf Emilys Brief und ihre Aktion reagiert haben, freut die ganze Familie, die nun auf die Entscheidung wartet und hofft, dass sich die Verkehrssituation bessern wird. „Unsere Tochter hat vor einiger Zeit mal gesagt, dass sie sich bei uns wie in einem Gefängnis fühlt, da die Straße sie einsperrt und daran hindert, sich frei zu bewegen“, berichtet Lilly Karoß.
Die Eltern sind stolz darauf, dass sich ihre Tochter für ihr Anliegen so einsetzt. In der Nachbarschaft wohnen noch weitere Familien mit Kindern, die eines Tages vor dem gleichen Problem stehen würden wie Emily und vor ihr ihr großer Bruder Jakob, der mittlerweile das Gymnasium besucht. Aber auch für die älteren Bewohner des Gebiets südlich der Aiblinger Straße stelle die aktuelle Situation ein Problem dar, zumal sie zum Teil nicht so schnell über die Straße flitzen können wie Emily mit ihrem Roller, wenn sich mal eine Lücke im Verkehr auftut.
Auch, wenn es mit dem Zebrastreifen als Weihnachtsgeschenk 2023 nicht geklappt hat, Emily gibt nicht auf. Gemeinsam mit ihrer Freundin Isabella hofft sie weiter auf eine Möglichkeit, die Situation für Fußgänger sicherer zu machen – und dass niemand zu Schaden kommt.