Rosenheim – Einmal im Monat sitzt Volker Schmidt in seinem Büro im Rosenheimer Romed-Klinikum und klickt sich durch die Beschwerden von Angehörigen und Patienten. Jeder von ihnen bekommt eine Antwort, mit einem Großteil vereinbart er anschließend ein Treffen oder ein Telefonat. Jetzt spricht der ehemalige Krankenpfleger über seine Rolle als Patientenfürsprecher – und erklärt, warum er sich kein schöneres Ehrenamt vorstellen könnte.
Sie sind im Romed-Klinikum kein Unbekannter.
Ich habe mein ganzes Berufsleben im Gesundheitswesen verbracht und bin seit 1983 im Rosenheimer Klinikum als Krankenpfleger beschäftigt. Es ist ein toller Beruf, trotz aller Probleme. Ich bin zudem immer berufspolitisch aktiv gewesen, war 30 Jahre lang Mitglied im Betriebsrat und eine Zeit lang als Betriebsratsvorsitzender tätig.
Und nach über 30 Jahren haben Sie immer noch nicht genug vom Krankenhaus?
Eigentlich schon. Nachdem ich 48 Jahre gearbeitet habe, bin ich mit einem guten Gefühl in die Rente gegangen. Ich hab mich darauf gefreut, mehr freie Zeit zu haben. Ehemalige Kollegen aus dem Klinikum haben mich dann gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, als Patientenfürsprecher tätig zu sein. Beim ersten Mal habe ich noch abgelehnt, als sie mich ein zweites Mal gefragt haben, stimmte ich schließlich zu.
Haben Sie die Entscheidung bereut?
Nein, überhaupt nicht. Am Anfang hatte ich etwas Sorge, dass es zu viel Aufwand wird. Aber es ist überschaubar.
Was vielleicht auch daran liegen könnte, dass vielen überhaupt nicht bewusst ist, dass es im Klinikum einen Patientenfürsprecher gibt.
Das stimmt. Dabei bin ich der festen Überzeugung, dass meine Tätigkeit vielen Patienten guttun würde und sich manche Probleme durch ein Gespräch einfacher lösen lassen. Mein Ziel ist es deshalb, mehr Werbung für mein Ehrenamt zu machen.
Welche Voraussetzungen muss man als Patientenfürsprecher mitbringen?
Man muss unabhängig sein. Zudem sollte man jemand sein, der gut zuhören und vermitteln kann. Mein Vorteil ist sicherlich, dass ich sowohl als Betriebsrat als auch als Krankenpfleger tätig war, die Ansprechpartner kenne und weiß, wie ein Krankenhaus tickt. Außerdem muss man sich natürlich an die Schweigepflicht halten.
Mit welchen Problemen kommen Patienten und Angehörige zu Ihnen?
Häufig sind es die klassischen Beschwerden. Es kommt vor, dass sich Patienten nicht richtig behandelt oder verstanden fühlen, kritisieren, wie Ärzte oder Pfleger mit ihnen gesprochen haben, oder glauben, dass Fehler passiert sind. Ich höre zu, erkläre, wie ein Krankenhaus funktioniert. In den meisten Fällen hilft es bereits, wenn man den Angehörigen eine gewisse Empathie entgegenbringt. Andererseits gehe ich den Beschwerden selbstverständlich auch nach. Einen Teil leite ich an unser Beschwerdemanagement weiter, einen Teil kann ich selbst lösen. Es ist wichtig, gegenseitiges Verständnis aufzubringen. Ich sehe mich selbst jedoch mehr als Vermittler und weniger als Problemlöser.
Wird zu viel geschimpft?
Selbst als ich noch beruflich aktiv war, wurde immer häufiger geschimpft. Das ist mittlerweile ein gesellschaftliches Problem. Wir machen für unsere eigenen Probleme immer öfter andere Leute verantwortlich und versuchen noch nicht einmal, selbst etwas dazu beizutragen, um das Problem zu lösen. Ein Großteil unserer Gesellschaft sucht halt immer nach einem Schuldigen. Dabei kann es durchaus ratsam sein, selber etwas Geduld aufzubringen, um Konflikte zu entschärfen. Gerade in einem Akutkrankenhaus, wie es die Rosenheimer Einrichtung ist.
Inwiefern?
Man kann nicht immer gewährleisten, dass alles hundertprozentig rund läuft. Zum Beispiel die Notaufnahme ist bei uns ein Brennpunkt. Da liegt oft so viel Anspannung in der Luft, dass der Ton von Kollegen bei Patienten nicht gut ankommt. Sender und Empfänger verstehen einander nicht. Aber man darf nicht vergessen, mit welchen Fällen sie zum Teil konfrontiert werden und um welche Aufgaben sie sich kümmern müssen.
Also gibt es vor allem über die Notaufnahme Beschwerden?
Das ist ganz interessant. Diese Beschwerden sind tatsächlich äußerst selten. Deutlich häufiger geht es um den stationären Klinikaufenthalt, die Behandlung oder beispielsweise um die Besuchszeiten.
Vor allem während der Corona-Zeit gab es da sicherlich etliche Anrufe und E-Mails.
Ich kann mich vor allem an einen Fall erinnern, der absolut unglücklich gelaufen ist. Es ging um einen Patienten, der in einem kritischen Zustand war, von seinen Angehörigen aber nicht besucht werden durfte. Einfach, weil es die damaligen Regeln so vorgeschrieben hatten. Jeder hat sich korrekt verhalten, aber es war einfach nicht der richtige Weg. Mit etwas Fingerspitzengefühl konnten wir das Problem lösen. Aber man darf nicht vergessen, auch für uns war die Situation neu.
Welche Fälle landen noch bei Ihnen auf dem Tisch?
Kritik gibt es auch daran, dass viele Patienten früh entlassen werden. Gerade im Vergleich zu früheren Zeiten. Das liegt vor allem an der Krankenhausfinanzierung, die man sicherlich kritisch hinterfragen muss. Die Entwicklung trifft vor allem ältere Patienten, um deren Nachsorge sich dann beispielsweise das Personal im Pflegeheim kümmern muss.
Im Gegensatz dazu können etliche Patienten nicht entlassen werden, weil es an Plätzen in Pflegeheimen oder ambulanten Pflegediensten fehlt.
Die Situation hat sich nach der akuten Corona-Pandemie zumindest etwas entschärft. Wobei man dazu sagen muss, dass es vor allem ein Personalproblem gibt. Das ist zum Teil noch größer als in den Krankenhäusern. Das wiederum führt dazu, dass die Arbeit an den Angehörigen hängen bleibt, die aber häufig mitten im Berufsleben stehen – eine extrem schwierige Situation und eine wahnsinnige Herausforderung.
Wer beschwert sich häufiger: Patienten oder Angehörige?
Das hält sich die Waage. Aber sehr häufig sind die Angehörigen mit eingebunden.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie als Patientenfürsprecher etwas bewegen können?
Ich glaube, sonst würde ich das Ehrenamt nicht ausüben. Das wichtigste, was ich in meiner zweijährigen Tätigkeit als Patientenfürsprecher gelernt habe, ist, wie wichtig es ist, zuzuhören. Man muss verstehen, wie es dem Patienten geht und warum er das Gefühl hat, nicht gut behandelt worden zu sein. Das hilft, den Frust abzubauen und in den meisten Fällen gelingt es so, zwei Parteien wieder zusammenzubringen. Oftmals handelt es sich um ein Missverständnis. Aber natürlich kommt es auch vor, dass etwas komplett schiefgelaufen ist. Und dann müssen wir überlegen, wie das Problem gelöst und Veränderungen herbeigeführt werden können.
Wie nehmen Ärzte und Pfleger es auf, wenn sie von Ihnen kritisiert werden?
In der Regel gut. Das liegt wahrscheinlich auch daran, weil ich einen Großteil der Beschäftigten kenne und sie mich. Ich bin jemand, der Dinge hinterfragt. Und häufig ist es so, dass es zu einem Sachverhalt zwei komplett unterschiedliche Sichtweisen gibt. Und mein Job ist es, beide Parteien zusammenzubringen. Das gelingt häufig, aber nicht immer.
Gibt es eigentlich auch Beschwerden über das Essen im Krankenhaus?
Nein (lacht). Aber aus eigener Erfahrung und als jemand, der 40 Jahre lang im Krankenhaus gegessen hat, kann ich auch sagen, dass unsere Klinikküche einen sehr guten Ruf hat. Darauf wird viel Wert gelegt.
Ein großes Thema ist das Millionen-Defizit des Klinikums. Beschäftigt das auch Patienten und Angehörige?
Tatsächlich hatte ich auch hierzu noch keine Anfragen. Vielleicht liegt es auch daran, dass es sich dabei ja um kein reines Rosenheimer Problem handelt.
Interview: Anna Heise