Rosenheim – Daniel Friedl spielte schon während seiner Schulzeit mit dem Gedanken, Lehrer zu werden. „Nach meiner Schreinerlehre konkretisierten sich meine Bemühungen, Berufsschullehrer zu werden“, sagt er. Die Diskussion über Quereinsteiger ist für ihn nicht neu. Ihr Einsatz kann hilfreich sein – sie können aber auch zum Fluch werden. Der 25-Jährige wollte kein „klassischer“ Lehrer werden. Schulfächer wie Geschichte, Englisch oder Physik zu unterrichten, kam für ihn nicht infrage. Er studiert im letzten Semester an der TH Rosenheim Ingenieurpädagogik. Der Schwerpunkt liegt in der Bautechnik. Nach dem Bachelor haben Absolventen die Möglichkeit, als Ingenieur in der Baubranche zu arbeiten oder den Masterstudiengang „Berufliche Bildung“ dranzuhängen, um Lehrer an einer Berufsschule zu werden.
Deutschland hat zu
wenig Ressourcen
Aufgrund des Lehrermangels brauche es jede Hilfe. Dennoch steht Friedl den Quereinsteigern auch skeptisch gegenüber. „Quereinsteiger haben teilweise eine weniger umfassende pädagogische Ausbildung und schaden dadurch Schülern, Kollegen und nicht zuletzt sich selbst“, sagt er. Doch aufgrund des Lehrermangels seien sie seiner Meinung nach eine wichtige Unterstützung. „Außer ich verliere meine Wunschstelle als Berufsschullehrer an einen Quereinsteiger, dann wären sie für mich Fluch“, sagt Friedl.
Sein Kommilitone Thomas Köhn sieht das etwas anders. Deutschland hätte zu wenig Ressourcen. „Eine der wenigen Ressourcen, die wir haben, sind gut ausgebildete Fachkräfte“, sagt der 25-Jährige. Jede Lehrkraft werde gebraucht, damit das Bildungs- und Ausbildungssystem nicht noch schlechter werde. „Meiner Meinung schadet es auch ganz und gar nicht, wenn Leute ein bisschen mehr Praxiserfahrungen mitbringen und in ihrem Leben mal was anderes als die Schule und die Uni gesehen haben“, sagt Köhn.
Attraktivität des
Lehrberufs schwindet
Seit seinem 16. Lebensjahr arbeitet Köhn als Jugendleiter mit Heranwachsenden. Die Arbeit habe ihm immer viel Spaß gemacht. „Ich war schon immer vielseitig interessiert und konnte mir sowohl das Arbeiten als Lehrkraft, als auch das Arbeiten als Ingenieur im Baubereich vorstellen“, sagt Köhn.
Der Grund für den Lehrermangel ist für ihn klar. „Meiner Meinung nach sinkt die Attraktivität des Lehrberufs größtenteils nicht wegen der Ausbildung, sondern eher wegen schlechter werdenden Rahmenbedingungen im späteren Beruf“, sagt er. Der Lehrermangel führe zu Dauerstress, aber auch der gesellschaftliche Respekt und die Anerkennung für den Beruf gehen zurück.
Dem stimmt seine Kommilitonin Charlotte Hüll zu. Schon im Lehramtsstudium müsse sich viel verbessern. Es sei ein langes Studium, was sich die Studenten auch leisten müssten. Immer mehr Studiengänge werden im dualen System angeboten. „Warum nicht im Bereich der Lehre“, sagt Hüll. Damit werden Studenten finanziell entlastet und erhalten früh praktische Einblicke.
Auch die 24-Jährige wollte schon immer Lehrerin werden. Nach dem Abitur brauchte sie aber erst mal Abstand von der Schule und begann eine Ausbildung als Schreinerin. Sie bekam Einblicke in die Berufsschule und entschied sich, dass dieses Arbeitsumfeld besser zu ihr passe als die allgemeinbildende Schulform. Über Quereinsteiger hat sie eine klare Meinung: „Die Zahlen des Lehrermangels sprechen für sich, um zu sehen, dass man jeden brauchen kann, der gerne unterrichten möchte und den Aufgaben gewachsen ist.“
Laut dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus kann nicht jeder einfach als Quereinsteiger anfangen. An einer beruflichen Schule müssen Sondermaßnahmen beachtet werde. In diesem Rahmen durchlaufen Quereinsteiger einen 24-monatigen Vorbereitungsdienst (Referendariat), der mit dem Zweiten Staatsexamen für das Lehramt an beruflichen Schulen abschließt. „Wegen Quereinsteigern das Studium abzubrechen, ist meiner Meinung nach Quatsch, denn sie stellen keine Konkurrenz dar“, sagt Hüll.
Massiver Notstand –
Schlimmeres droht
Dem schließt sich Lea Barth an. „Die Quereinsteiger sind nicht das Problem, sondern dass der ‚normale‘ Weg noch so steinig ist“, sagt die 24-Jährige. Je mehr Lehrkräfte es gibt, desto besser sei das für alle Beteiligten. Zustimmung kommt auch von Sandra Bley, Studiendekanin der Ingenieurpädagogik. „Hierzulande gibt es etwa 2,5 Millionen Schüler, die von rund 125000 hauptamtlichen Lehrkräften unterrichtet werden“, sagt sie. Seit Jahren werde es schwieriger, den Bedarf an Berufsschullehrern mit entsprechend ausgebildeten Lehrkräften zu decken. „Der Mangel ist massiv“, sagt Bley. Denn von den aktuellen Lehrkräften werden bis 2030 circa die Hälfte in den Ruhestand gehen. „Die Schulen im Bundesgebiet benötigen jährlich etwa 4000 bis 4500 neue Lehrkräfte. Dem gegenüber steht ein Angebot von circa 2000 bis 2500 Absolventen“, sagt die Studiendekanin.
Problematisch lange
Ausbildungsdauer
Die Ausbildung zur Berufsschullehrkraft sei im Bereich Lehramt am längsten, denn vor dem Studium müssen Studenten eine Berufsausbildung machen. Außerdem gebe es nur wenige Studienstandorte, die meisten davon liegen in einer teuren Metropole. „Die Ingenieurpädagogik ist eine Maßnahme, um diesen Umständen zu begegnen“, sagt Bley.
An der Hochschule angewandter Wissenschaften (HAW) wird das Bachelorstudium gemacht. Die Studenten haben die Möglichkeit, in die Industrie zu gehen oder an einer Universität den Master für das Lehramt zu machen. Während der Pandemie startete der neue Studiengang – bislang mit positivem Erfolg.
Das betonen auch die vier Studenten. Der Studiengang vereine die wichtigsten Module aus Innenausbau, Holztechnik und Holzbau und -ausbau. Auch das familiäre Klima zwischen den Dozenten und Kommilitonen sei eine nette Abwechslung zum Lernen.