Balance-Tanz auf dem Vulkan

von Redaktion

Was einen Rosenheimer Slackliner zu immer neuen Weltrekorden treibt

Rosenheim – Eine Stunde und 15 Minuten. An diese Zeit erinnert sich Alexander Schulz besonders gut. In 800 Meter Höhe steht er auf einer Felswand vom Cañón del Sumidero im mexikanischen Staat Chiapas. Vor ihm breitet sich der Nationalpark aus. Unter ihm fließt ein Fluss. Plötzlich zieht Nebel auf und verdeckt die Sicht. Schulz interessiert das nicht. Er atmet einmal tief durch und verbindet seine Augen. Dann steigt er auf das Band.

1712 Meter weit
über das Band

Zwischen zwei Felsen ist das Band gespannt. 1712 Meter muss Schulz überqueren, um auf die andere Seite zu gelangen. Das Band wackelt unter seinen Schritten. Er streckt die Arme zu den Seiten aus, um das Gleichgewicht zu halten. Gesichert ist er nur durch ein Kletterseil an der Slackline. Und das alles macht der Rosenheimer nur, um den Rekord im längsten Highline-Lauf mit verbundenen Augen zu knacken. Denn das ist, was Schulz antreibt: neue Rekorde, immer höher, immer länger und an außergewöhnlichen Orten.

Anfragen aus
der ganzen Welt

So auch in Chiapas. Nach über einer Stunde hat Schulz es geschafft und einen neuen Weltrekord in der Tasche. Auf all seinen Reisen wird er von Regisseur und Produzent Johannes Olszewski begleitet. Er filmt den gesamten Ablauf der Rekordversuche. Von der Anreise bis zum Training und dem letztendlichen Lauf. Vor zehn Jahren gründeten die Freunde die Produktionsfirma „One Inch Dreams“. Anfangs waren sie zu fünft, nun sind nur noch die beiden übrig.

Die Kurzfilme über ihre Reisen laden sie auf ihrer Website hoch. Gleichzeitig suchten sie nach Sponsoren und Partnern für gemeinsame Projekte. Mit den Jahren erhielten die beiden auch Anfragen vom auswärtigen Amt oder Firmen, die einen Werbefilm drehen wollen. Nicht zuletzt vor zwei Jahren. Johannes Olszewski erhielt einen Anruf aus Kalifornien von der Lebensmittelkette McCafé, die zu McDonald‘s gehört. Sie wollten einen gemeinsamen Werbefilm über die Kooperation zwischen dem McCafé und der Ronald McDonald Stiftung drehen.

Auch hier stellte Alexander Schulz einen bahnbrechenden Weltrekord auf. Er lief auf einer Slackline zwischen zwei Heißluftballons in einer Höhe von 2230 Metern. „Es war toll, eine Werbung zu machen, die einen Charity-Gedanken verfolgt“, sagt Olszewski. Kurz darauf erhielten sie von einer Produktionsfirma, die für den Fernsehsender Pro7 Formate entwickelt, eine Anfrage für eine Zusammenarbeit. Im Rahmen der Sendung „Duell um die Welt“ sollten sie als eine Art „Stuntfirma“ das Projekt unterstützen. In den Jahren erarbeiteten sie ausgeklügelte Sicherheitskonzepte für die Installation und Absicherung auf der Slackline. Sie spannten ein Band zwischen zwei Heißluftballons und ermöglichten es der deutschen Schauspielerin Nilam Farooq, über die Slackline zu laufen.

Zwischen zwei Gondeln auf der Zugspitze, über dem Olympiastadion in München oder über den aktiven Vulkan Yasur, auf der Insel Tanna im Südpazifik. Es gibt kaum einen Ort, an dem Alexander Schulz noch kein Band gespannt hat. In den vergangenen Jahren entwickelten sich die beiden weiter. Schulz trieb es an spektakuläre Orte und Olszewski verfeinerte seine Arbeit mit der Kamera. Doch in Zukunft wollen sie es erstmal etwas ruhiger angehen.

Die Schönheiten
des Sports

„Wir versuchen regionaler zu werden und unsere Sachen nicht mehr weltweit anzubieten. Denn auch Europa, Deutschland und Rosenheim haben wir wunderschöne Orte zum Slacklinen“, sagt Olszewski. Außerdem möchte Alexander Schulz mehr Kurse für Interessierte anbieten und ihnen dabei die Schönheiten des Sports zeigen. Der Rosenheimer möchte den Menschen aber auch etwas Wichtiges mit auf den Weg geben.

Jedes Abenteuer hat seine Herausforderungen – auch emotional. „Du musst deine eigenen Zweifel zur Seite schieben und an das glauben, was du tust“, sagt der Rosenheimer. Die beiden Freunde sind in ihrem Beruf immer wieder mit Ängsten konfrontiert – und das sei gut so. „Die Angst ist wichtig, denn sie schützt uns. Wir wollen den Menschen zeigen, dass man daraus vieles schöpfen kann“, sagt Olszewski.

Sich der
Angst stellen

Gerade Schulz kennt dieses Gefühl: Der Mund wird trocken, der Herzschlag wird höher. Wichtig sei es, sich seinen Ängsten zu stellen. „Es geht um einen sinnvollen und interessanten Umgang mit der Angst, die Menschen ermöglicht, mehr zu leben und freier zu sein“, sagt er. Es sei jedes Mal aufs Neue etwas Besonderes, wenn er die ersten Schritte auf dem Band macht. Etwas, was er in den zukünftigen Kursen rund um Rosenheim zeigen möchte. „Es ist wahnsinnig emotional und schön anzusehen, wie die Menschen loslassen und über das Band balancieren.“

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