Bayerns Jusos-Chefin zieht sich zurück

von Redaktion

Exklusiv-Interview Reka Molnar über ihre Angst vor dem Burn-out

Rosenheim – Ein Jahr lang stand die Rosenheimerin Reka Molnar (23) an der Spitze des SPD-Nachwuchses. Jetzt gibt sie ihr Amt auf. Statt des aufwendigen Ehrenamtes will sie mehr Zeit für ihr Privatleben haben. Doch das ist nicht der einzige Grund. Im OVB-Interview spricht sie über die vergangenen Monate – und die Herausforderungen.

Hinter Ihnen liegt ein turbulentes Jahr.

Das kann man wohl so sagen. Seit April 2023 bin ich als Landesvorsitzende der Jusos tätig und war durchschnittlich 30 bis 40 Stunden die Woche mit diesem Ehrenamt beschäftigt. Ein Grund für die zahlreichen Stunden war sicherlich die Landtagswahl, auch weil die Lage der Partei nicht optimal war. Wir waren während dieser Zeit in ganz Bayern unterwegs und ich habe diese Gelegenheit genutzt, mich überall vorzustellen und neue Kontakte zu knüpfen. Es ging mir schon darum, mich zu beweisen und den Mitgliedern vor Ort zu zeigen, dass mich ihre Anliegen interessieren.

Wie viel Zeit haben Sie in den vergangenen Monaten zu Hause verbracht?

Zwischen Juli und Weihnachten war ich an genau zwei Wochenenden zu Hause. Das lag unter anderem an den zahlreichen Terminen, die man als Landesvorsitzende wahrnehmen muss. Unter anderem in Würzburg. Da dauert schon die Hinreise mehrere Stunden. Da geht schnell ein ganzes Wochenende drauf. Hinzu kommt, dass ich neben dem Ehrenamt auch noch studiert habe und gearbeitet habe. Eine Dreifach-Belastung.

Wie haben Sie es geschafft, alle drei Aufgaben unter einen Hut zu bringen?

Vor Mitternacht war selten ein Tag vorbei. Ich bin in der Früh in die Arbeit gegangen, habe die Mittagspause für die ersten Jusos-Anrufe genutzt und habe am Abend Dinge für die Uni gemacht. Die Wochenenden waren wir meistens unterwegs – denn als Landesvorsitzende der Jusos ist man automatisch auch im Landesvorstand der Bayern-SPD und wird zu diversen Sitzungen eingeladen.

Bleibt bei so viel Stress der Spaß nicht auf der Strecke?

Nein. Auch wenn es eine sehr anstrengende Phase war, hat es mir immer Spaß gemacht. Ich gebe mein Amt ja auch nicht auf, weil ich keinen Spaß hatte, die Leute doof sind oder ich vergessen habe, wofür ich angetreten bin.

Sondern?

Es ist eine riesige Verantwortung, die einen rund um die Uhr begleitet. Es ist kein Ehrenamt, das man an- und ausknipsen kann. Es ist mir sehr schwergefallen, nicht über mein Amt nachzudenken. Selbst während des Fußballtrainings habe ich ständig darüber nachgedacht, wen ich noch anrufen muss oder welche Probleme es zu lösen gilt. Abschalten war für mich keine Option. Und diese mentale Belastung war für mich einfach nicht mehr tragbar. Ich war schon einmal im Burnout und weiß, wie sich der Weg dahin anfühlt.

Wann haben Sie entschieden, das Amt aufzugeben?

Während der Weihnachtspause. Ich habe gemerkt, dass ich von der Pause nicht so erholt zurückgekommen bin, wie ich es eigentlich erwartet hätte. Und das, obwohl ich bis auf einzelne Telefonate die Jusos-Arbeit nahezu komplett eingestellt habe. Trotzdem war ich zu diesem Zeitpunkt davon überzeugt, dass ich noch einmal antreten will, um meine Ideen einzubringen. Ich war sicher, dass eine gewisse Kontinuität auf dem Posten dem Verband guttut. Und dann habe ich zum ersten Mal darüber nachgedacht, was für mich persönlich das Beste wäre. Und das war nun einmal, den Vorsitz abzugeben.

Wie haben Sie diese Entscheidung kommuniziert?

Ich glaube, die Entscheidung nach außen zu kommunizieren, ist mir tatsächlich noch schwerer gefallen, als die Entscheidung zu treffen. Es laut auszusprechen, hat es zur Realität gemacht. Ich habe den Landesvorstand informiert. Die Leute hatten großen Respekt vor meiner Entscheidung, waren aber auch traurig darüber.

Haben Sie die Entscheidung jemals bereut?

Die Frage habe ich mir selbst immer wieder gestellt. Es war eine schwierige Entscheidung, aber für mich persönlich die richtige und ich habe sie nie bereut.

Sie sind auch in den sozialen Medien offen mit der Situation umgegangen.

Mentale Gesundheit ist ein wahnsinnig wichtiges Thema. Wenn man sich beim Skifahren einen Fuß bricht, schämt man sich nicht dafür. Aber wenn man aufgrund von mentalen Problemen etwas nicht weiter machen kann, wird es oftmals zum Staatsgeheimnis. Es war mir deshalb wichtig, ein Vorbild zu sein und zu zeigen, dass es in Ordnung ist, ein Amt abzugeben, wenn es zu viel wird.

Woran liegt es, dass psychische Erkrankungen auch 2024 noch ein Tabuthema sind?

Weil psychische Erkrankungen immer noch als Schwäche angesehen werden. Eben weil man zugibt, dass man mit einer Situation nicht zurechtkommt. Ein Bänderriss ist einfacher nachzuvollziehen, als zu verstehen, dass es für jemanden auf der mentalen Ebene zu viel ist.

Wie gelingt es, das zu ändern?

Die Leute müssen offen mit ihren psychischen Erkrankungen umgehen und darüber reden. Es handelt sich um ein mentales Problem, das von außen nicht erkennbar ist. Die Person, die Burn-out hat, schafft es nicht mehr, bestimmte Aufgaben zu bewältigen, kann aber trotzdem am See liegen. Das ist für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar.

In der Sportwelt werden psychische Erkrankungen immer mehr nach außen kommuniziert. In der Politik ist das nach wie vor eher selten.

Es ist wichtig, dass Sportler mit einer extrem großen Reichweite auf das Thema aufmerksam machen. Sie zeigen, dass auch erfolgreichen Leuten einmal die Energie ausgehen kann und es nichts ist, wofür man sich schämen muss. Die Politik ist ein sehr machtbasiertes Geschäft, in dem niemand Schwächen zugeben will. Um sich nicht angreifbar zu machen, wird über die mentale Gesundheit kaum gesprochen.

Was würden Sie Kollegen raten, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben?

Sie müssen aufpassen, dass sie sich nicht aufarbeiten. Es ist okay, nicht jeden Termin wahrzunehmen und einen Abend auch einmal daheim mit der Familie zu verbringen. Man muss mutig sein und darf keine Angst haben, etwas zu verpassen. In den meisten Fällen wird man ohnehin nach der Veranstaltung über die wichtigsten Dinge informiert.

Wie sollte mit Menschen, die an psychischen Problemen leiden, umgegangen werden?

Mit Respekt und Wertschätzung. Und nicht wie ein rohes Ei. Nur weil ich einmal einen Burn-out hatte, heißt es beispielsweise nicht, dass ich nicht in der Lage bin, an einem zweistündigen Meeting teilzunehmen. Ich habe mir Hilfe geholt, habe meinen Burn-out überwunden und weiß, wann der Punkt erreicht ist, an dem es mir zu viel wird. Ich kenne die Zeichen. Es hat sich angefühlt, als ob die komplette Energie aus meinem Körper gezogen wurde. Ich habe zum Teil 14 Stunden geschlafen und konnte viele einfache Aufgaben einfach nicht erledigen. Ich habe damals beispielsweise ignoriert, dass ich tagelang Kopfschmerzen hatte. Ich habe ein Ibuprofen eingeworfen und habe weitergemacht.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Ich will meine Bachelorarbeit schreiben, öfter Zeit zu Hause und am See verbringen und nicht die ganze Zeit in Zoom-Meetings abhängen. Ich will wieder Zeit mit Freunden verbringen, die ich in den vergangenen Monaten immer wieder vertrösten musste.

Und natürlich will ich auch weiterhin politisch aktiv bleiben und die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, vor Ort einbringen. Interview: Anna Heise

Artikel 3 von 10