Rosenheim – „Haken, Tupfer, Licht“, die Gespräche im OP-Saal sind genau so, wie man sie sich vorstellt. Bei den Ärzten herrscht volle Konzentration. Doch ganz wie in den bekannten Arztserien ist es nicht. Denn einen Blick ins „Innere“ des Patienten erlangt man nur über einen Bildschirm im OP-Saal. Das ist das Besondere an den minimalinvasiven Eingriffen, die der Chefarzt für Allgemein-, Gefäß- und Thoraxchirurgie, Prof. Dr. Kai Nowak, im Rosenheimer Romed-Klinikum durchführt.
Mehrere
Operationen am Tag
Pünktlich um acht versammeln Nowak und seine Kollegen sich in einem Besprechungsraum. „Wir schneiden Menschen schließlich nicht einfach so auf“, sagt er. „Wir bereiten uns vor.“ Gemeinsam mit den Kollegen aus der Nachtschicht werden die aktuellen Fälle und die anstehenden Operationen besprochen. Es fallen Begriffe wie Schrumpfgallenblase, Karzinom und Magenperforation – ein Laie versteht von all dem kaum etwas. Zusätzlich werden auf einem großen Bildschirm die CT-Bilder der Patienten betrachtet. Und auch hier erkennt jemand, der nicht aus dem medizinischen Bereich stammt, nur schwarz-weiße Muster.
Nach der Besprechung, um kurz vor neun Uhr, kommt Dr. Nowak im OP-Saal an. Seinen weißen Kittel hat er gegen die grüne OP-Kleidung inklusive Haube und Mundschutz getauscht, die alle in diesem Bereich tragen.
Der Patient, den er gleich operieren wird, ist bereits unter Narkose. Er bekommt die Vorbereitungen um ihn herum schon gar nicht mehr mit. Dem Mann wird heute ein Leistenbruch operiert – Routine für den Chefarzt. Während die OP-Schwestern den Patienten auf der Liege fixieren, ihm einen Blasenkatheter legen und ihn entsprechend positionieren, geht Dr. Nowak sich die Hände und Arme waschen.
Schließlich muss alles steril sein. Seit 22 Jahren ist er inzwischen Chirurg. Für diesen Weg hat er sich bereits in seinem Zivildienst als Pflegehelfer entschieden. Damals verbrachte er schon jede freie Minute im OP-Saal. „Während des Studiums waren dann auch viele andere Fachrichtungen interessant. Aber die OP-Luft ändert sich nicht“, sagt er und lacht.
Zurück im OP-Saal und am Patienten, beginnt Nowak mit einem extrem kleinen Schnitt in die Bauchdecke die Operation. Und recht viel mehr ist von außen tatsächlich nicht zu erkennen. Es blutet kaum mehr als eine Schürfwunde nach einem leichten Sturz mit dem Fahrrad.
In den Bauchraum wird anschließend CO2 gepumpt. Dadurch ergibt sich ein Hohlraum, der es den Ärzten ermöglicht, dort zu operieren.
Die Stimmung im OP-Saal ist sehr ruhig. „Bei mir ist es nicht hektisch und es wird nicht geschrien“, sagt Nowak. „Jede OP ist genau genommen eine Körperverletzung.
Deswegen braucht es Vertrauen und das Ambiente muss entsprechend professionell sein“, erklärt der Chirurg.
Nowak und ein Assistenzarzt führen eine Kamera in den Körper des Patienten ein und veröden mithilfe von Strom verschiedene Gefäße, sodass es nicht blutet. Dann lokalisiert er den Leistenbruch und näht diesen nur mit Blick durch die Kamera.
Magen-Entfernung
wegen Tumor
Damit alles auch so bleibt, wie es ist, wird noch ein Netz über den Mini-Zugang in den Körper gebracht und innen dann in Feinstarbeit, laut Dr. Nowak „wie ein Rollladen“, aufgerollt. Schließlich wird das Gas wie aus einer Luftmatratze aus dem Körper abgelassen und die OP ist geschafft – und das nach nur 30 Minuten.
Dem Patienten bleibt nach dem Eingriff nur eine extrem kleine Naht. Dadurch heilt die Wunde auch deutlich schneller, es blutet weniger und der Patient hat weniger Schmerzen. Pro Tag hat der Chef-Chirurg im Rosenheimer Klinikum mehrere Operationen. Nach dem Leistenbruch steht neben einer weiteren kürzeren OP gegen Mittag noch ein großer Eingriff auf dem Plan: Einem jungen Mann werden vier Fünftel seines Magens entfernt. Diese OP wird Nowak gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Katja Ott durchführen. „Der heutige Patient ist ein besonderer Fall“, erklärt Ott. Der Mann hat mit noch nicht einmal 50 Jahren einen Tumor im Magen.
Wieder beginnt der minimalinvasive Eingriff mit nur vier kleinen Löchern in der Bauchdecke, durch die die verschiedenen Instrumente eingeführt werden. Zunächst wird Fett um den Magen herum entfernt und Arterien und Gefäße werden verödet. Ab und an kann man das verbrannte Gewebe im OP-Saal sogar durch den Mund-Nasen-Schutz riechen. „High-Tech-Chirurgie ist eine gewisse Materialschlacht“, erklärt Ott, während verschiedene Instrumente aus den sterilen Plastikverpackungen geholt werden. Der Verbrauch an Material treibt auch die Kosten in die Höhe. Alleine ein Einweg-Klammernaht-Gerät kostet zwischen 300 und 600 Euro. „Beim Laparoskopischen Operieren müssen sich die Operateure unbedingt absprechen. Man kann sich im Körper auch mal verlaufen. So vermeidet man, dass man etwas Falsches durchschneidet“, erklärt Ott dem Assistenzarzt, der neben einer weiteren Ärztin und Nowak bei der Magen-Entfernung unterstützt.
Nachdem der Magen durch ein etwas größeres Loch entnommen wurde, betrachtete Ott ihn genauer. Dabei stellt sie fest, dass der Sicherheitsabstand zum Tumor zu klein ist. Bei einer Tumor-Entfernung muss zwischen Tumor und dem verbleibenden Gewebe ein gewisser Abstand in Zentimetern eingehalten werden – also wird noch ein weiteres Stück entfernt, bis dieser erreicht ist.
„Manchmal schwitzt
man ein bisschen“
Es wird spannend, sagt Nowak, nachdem er nach der Entfernung des Magens den Rest-Magen mit dem Dünndarm vernäht hat. Über die Magensonde gibt der Anästhesist blaue Flüssigkeit in den Körper. Nowak legt währenddessen einen weißen Tupfer auf die Naht zwischen den Organen. Sollte sich der Tupfer jetzt blau färben, ist die Naht nicht dicht. „Sehr gut“, sagt er, als das Tuch weiß bleibt. Doch es folgt noch eine Probe: die Durchblutung. Dazu wird ein fluoreszierendes Mittel in die Venen gegeben. Mit der entsprechenden Einstellung der Kamera im Körper des Patienten können die Ärzte so prüfen, ob auch alle Organe gut durchblutet sind. Und auch hier lief alles glatt.
„Manchmal schwitzt man schon ein bisschen. Gerade, wenn es um lebensbedrohliche Sachen geht.“ Ohne Behandlung kann ein solch aggressiver Tumor innerhalb von wenigen Monaten zum Tod führen. Da noch ein Teil des Magens vorhanden ist, kann der Patient voraussichtlich fast ohne Einschränkungen leben. Lediglich kleinere Portionen sollte er künftig zu sich nehmen. Nowak ist glücklich, dass alles glatt gegangen ist. „Jetzt müssen die Öffnungen vernäht werden, dann ist es geschafft“, sagt er, ehe es für ihn schon wieder zur nächsten OP geht.