Rosenheim/Chieming – Mit seinen außergewöhnlichen und expressiven Bildern, die bereits in zahlreichen Ausstellungen präsentiert wurden, begeistert der Künstler Alex Höchstetter Menschen aus Bayern und der ganzen Welt. Ab dem morgigen Mittwoch lassen sich seine Werke nun zum ersten Mal auch in Rosenheim bewundern. Was seine Kunstwerke so besonders macht und warum sich ein Besuch der Ausstellung „Technophobia“ in Rosenheim lohnt, erklärt der 39-jährige Chieminger im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Wie sind Sie denn erstmals mit der Kunst in Berührung gekommen?
Schon als Kind waren Stift und Papier viel interessanter als Spielsachen. Ich habe von klein auf gerne gemalt, gezeichnet und alles Mögliche vollgekritzelt. Mein ganzer Lebensweg hat sich dementsprechend an der Kunst entlang gehangelt: Ich habe die Kunst-FOS in München besucht und schließlich selber Kunst-Lehramt studiert.
Wie hat sich diese Leidenschaft dann weiter entwickelt?
Irgendwann sind die Bilder dann sehr viele geworden (lacht). Ich habe lange Zeit nur für mich selber gemalt. Mit der Zeit kamen aber immer mehr Leute auf mich zu und sagten mir, dass ich meine Kunst doch nicht nur für mich behalten soll.
Als ich in Augsburg gelebt habe, fing ich an, meine Werke über meinen Freundeskreis hinaus zu präsentieren. So hat meine Leidenschaft zur Kunst ihre Wurzeln geschlagen – und sie wächst bis heute weiter.
Welche Rolle spielt die Kunst in Ihrem Leben?
Die Kunst spielt nicht nur eine, sondern ganz viele Rollen in meinem Leben. Zum Einen hat sie den Aspekt eines kreativen Hobbys, zum anderen ist die Kunst für mich eine Art Selbsttherapie. In Zeiten von Corona zum Beispiel sind meine Bilder auch düsterer geworden. Die Kunst ist eben, wie man so schön sagt, ein Spiegel der Seele. Gleichzeitig ist sie aber ein sehr mächtiges Instrument, ein Ausdruck von Rebellion und Gesellschaftskritik. Mir ist wichtig, dass in meinen Bildern auch immer eine Aussage steht. Meine Kunst gibt mir eine Stimme.
Am morgigen Mittwoch werden Ihre Kunstwerke im E-Werk ausgestellt. Die Vernissage trägt den Namen „Technophobia“. Mit welchen Themen befassen sich diese Bilder?
Wie der Name schon sagt, beschäftigen sich meine ausgestellten Werke mit verschiedensten Aspekten der Digitalisierung sowie mit ihren vermeintlichen Vorteilen, die einen geradezu blenden. Als Beispiel wäre da natürlich die künstliche Intelligenz. Auf der einen Seite ist diese total spannend – auf der anderen Seite gehört sie aber zu den Aspekten unserer digitalen Welt, die ich ganz besonders kritisch sehe. Das kommt in meinen Bildern dementsprechend zum Ausdruck.
Was inspiriert Sie?
Es gab nicht den einen Moment der Inspiration. Es war eher dieser Umstand, dass ich dem Großteil der Gesellschaft, was Technologie angeht, immer ein Stück hinterher war. Sogar die Handys, mit denen man damals lediglich telefonieren konnte, waren mir von Anfang an suspekt. Künstlerisch hab ich mich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht damit auseinandergesetzt. Dann kamen aber die Smartphones auf und die digitale Welt wurde immer größer. Sogar in meinem eigenen Umfeld habe immer mehr erschreckende Veränderungen festgestellt. Vor ein paar Jahren galt es beispielsweise noch als unhöflich, mitten im Gespräch das Handy herauszuholen und seinen Mitmenschen so die Aufmerksamkeit zu nehmen – heute ist das für viele ganz normal. Diese gesellschaftlichen Entwicklungen dienen mir als Inspiration für viele meiner Werke.
Was wollen Sie mit Ihrer Kunst bewirken?
Meine „Technophobia“-Bilder sollen eine kritische Sicht auf die digitale Welt erzeugen, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Ich möchte das Gegengewicht zu diesem hellen, blendenden Licht der Technologie darstellen. Ich sehe die Digitalisierung natürlich nicht schwarz-weiß. Mir ist bewusst, dass sie auch Vorteile hat. Meine Bilder zeigen aber definitiv ihre Schattenseiten. Meine Kunst ist nicht unbedingt zum Gefallen da, sondern sie soll nerven, im Gedächtnis bleiben und die Menschen aufrütteln. Sie soll die Menschen dazu bringen, ihre Nutzung von digitalen Geräten einmal zu hinterfragen. Gerade diejenigen, die viel Zeit am Handy verbringen, möchte ich zum Nachdenken anregen. Das ist meine Intention. Deswegen arbeite ich gerade mit einer Medienpädagogin zusammen, damit meine Ausstellungen künftig auch für Schulklassen zugänglich werden.
Warum zieht es Sie gerade nach Rosenheim?
Während der Pandemie habe ich viel Zeit daheim verbracht und gemalt. Andererseits habe ich mich aber auch an verschiedenen Orten umgeschaut, um meinen Kreis zu erweitern. Die Stadt Rosenheim, und speziell das Bürgerhaus E-Werk, hat mir gut gefallen, da das Publikum dort sehr vielschichtig ist.
Es ist ein Begegnungspunkt von ganz normalen Menschen, unter anderem auch weil in der Nähe das Jugendhaus ist. Galerien zum Beispiel sind eher der Ort, wo sich die Leute treffen, die sowieso ständig mit Kunst in Berührung kommen. Deswegen habe ich mich für das Bürgerhaus entschieden, um möglichst viele unterschiedliche Menschen zu erreichen.
Warum lohnt es sich, Ihrer Kunstausstellung „Technophobia“ einen Besuch abzustatten?
Ich finde, dass meine Bilder eine Besonderheit haben, weil ich durch viel Beobachten und Ausprobieren meinen ganz eigenen Stil entwickelt habe. Maler wie Rembrandt würden sich bei meiner barbarischen Farbschlachterei wahrscheinlich die Haare raufen (lacht) – aber das ist eben genau meins. Allgemein ist Kunst natürlich die Gestaltung unserer Welt.
Durch Werbung und die sozialen Medien sind wir ständig von Gestaltung umgeben, wir werden regelrecht von ihr überflutet. Sich diese aber einmal bewusst auf sich wirken zu lassen, finde ich sehr wichtig. Für mich ist es unglaublich erfüllend, zu sehen, was andere Menschen mit ihrer Kreativität bewirken. Diesen Zugang wünsche ich jedem – egal, ob er ihn bei mir oder bei jemand anderem findet.
Interview: Qiana Eisenreich