Standorte für Rotoren dringend gesucht

von Redaktion

Interview Energie-Expertin Maria Burghardt über die Windkraftnutzung in der Region Rosenheim

Rosenheim – 1150 Windkraftanlagen waren Stand Mitte 2023 in Bayern aktiv. Die Leistung der Anlagen betrug 2,6 Gigawatt. Zum Vergleich: Spitzenreiter Niedersachsen hat derzeit Anlagen mit einer Leistung von gut 12,5 Gigawatt in Betrieb – fast fünfmal so viel. Das hat natürlich auch geografische und topografische Gründe. Allerdings war Bayern bisher recht zögerlich, was den Bau von Windkraftanlagen angeht. Doch das soll sich ändern. Im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen erklärt Maria Burghardt, Leiterin der Beratung Windenergie bei der Energieagentur Ebersberg-München, welche Anforderungen für die Anlagen nötig sind und wie man Anwohner am besten einbezieht.

Frau Burghardt, wo in der Region wären mögliche Standorte für Windkraftanlagen?

Die Region Südostoberbayern mit den Landkreisen Rosenheim, Mühldorf a. Inn, Altötting, Traunstein, Berchtesgadener Land sowie der kreisfreien Stadt Rosenheim weist eine große Vielfalt auf. Windenergieanlagen müssen sich in die verschiedenen landschaftlichen Gegebenheiten gut einfügen. All diese Anforderungen zusammenzuführen, das ist die alles andere als einfache, aber wichtige Aufgabe der Regionalplanung. Der Planungsverband der Region Südostoberbayern hat bereits 2015 Windenergieflächen ausgewiesen; diese können öffentlich zugänglich auf der Website des Verbands eingesehen werden.

Seit 2015 hat sich ja schon einiges getan.

Derzeit wird der Regionalplan überarbeitet, denn das Wind-an-Land-Gesetz fordert von den Bundesländern, einen bestimmten Mindestanteil ihrer Landesfläche für Windenergie zur Verfügung zu stellen. In Bayern sind dafür die einzelnen Regionen zuständig.

Wären hier in der Region nur einzelne Windräder denkbar, oder sogar ganze Windparks?

Bei dieser Frage wird es vermutlich auf die jeweiligen Voraussetzungen vor Ort ankommen. Liegt ein größeres Windpotenzialgebiet vor, ist es in aller Regel sinnvoll, dies in einem vernünftigen Maß mit Windenergieanlagen zu belegen. Das heißt einerseits, dass die vorhandene Fläche gut mit Windenergieanlagen ausgelastet werden sollte, andererseits die Anlagen aber nicht zu nahe beieinander stehen dürfen, da sie sich sonst gegenseitig den Wind klauen. Die Windenergiepotenziale sind gerade in der Region Südostoberbayern relativ begrenzt, daher sollten sie bestmöglich genutzt werden – mancherorts aufgrund der Siedlungsstruktur oder der Topografie nur als Einzelstandorte, andernorts vielleicht auch in größeren Windparks.

Stichwort Windenergiepotenziale: Betrachtet man den Windatlas in der Region, sieht es im Raum Rosenheim ja eher dürftig aus. Würde sich Windkraft hier überhaupt lohnen?

ObWindenergieanlagen wirtschaftlich betrieben werden können, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab. Eine wichtige Größe hierbei ist aber freilich die Windhäufigkeit des jeweiligen Standorts. Moderne Windenergieanlagen holen das Maximum auch aus den Windstärken heraus, die in unserer Region vorzufinden sind, und lassen sich auch hier wirtschaftlich erfolgreich betreiben, wenn der Standort passt. Als Wirtschaftlichkeitsschwelle sehen wir eine Standortgüte von circa 50 Prozent an. Weist der jeweilige Standort eine niedrigere Güte auf, müssen alle anderen Faktoren, wie zum Beispiel Bau- und Anlagenkosten und Netzeinspeisung, schon ziemlich optimal sein.

In der Region gibt es auch andere Anlagen mit erneuerbaren Energien – vor allem Wasserkraft. Ist der Bedarf für Windkraft überhaupt da?

Die Erkenntnis, dass wir unseren Energiesektor insgesamt zukunftsfähig machen müssen, ist mittlerweile in der Gesellschaft angekommen und akzeptiert – nicht zuletzt, weil wir gespürt haben, was die Abhängigkeit von Energieimporten oder die Klimaerwärmung für Folgen zeigen und noch zeigen werden.

Zukunftsfähig sind nur erneuerbare Energien, die möglichst überall in Deutschland in einem ausgewogenen Mix aus den verschiedenen Quellen ausgebaut werden. Dadurch, dass sich Sonne und Wind recht gut jahres- und tageszeitlich abwechseln, schaffen wir eine einigermaßen gleichmäßige Versorgung, dazu noch Grundlast aus Wasser und vielleicht auch Biogas. Natürlich müssen wir auch endlich das Thema der Speicher anpacken und den Netzausbau voranbringen. 

In Mehring haben sich die Bürger recht deutlich gegen einen Windpark ausgesprochen. Widerstand ist keine Seltenheit bei der Planung der Anlagen. Wie können diese anwohnerfreundlich gestaltet werden?

Dass Windenergieanlagen gerade in Regionen, wo man Windräder noch nicht kennt, Sorgen und Ängste hervorrufen, ist absolut nachvollziehbar.

Es ist deshalb besonders wichtig, die Menschen früh zu informieren, sie offen und transparent über „Wirkungen und Nebenwirkungen“ aufzuklären.

Was sind die „Wirkungen und Nebenwirkungen“?

Bei allen Windenergieprojekten müssen sämtliche Grenzwerte von Auswirkungen, die bei den Menschen ankommen können, eingehalten werden. Das sind insbesondere Schallimmissionen und Schattenwurf. Auch die Auswirkungen auf andere Schutzgüter müssen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen und möglichst gering gehalten werden. Zustimmung zu Windenergieanlagen schafft auch eine gelungene Bürgerbeteiligung. Sowohl durch frühe Einbeziehung und Information über geplante Vorhaben, aber vor allem auch durch eine finanzielle Teilhabe an der Wertschöpfung, die Windenergieanlagen im Laufe ihrer Betriebszeit erzeugen. Sodass die Menschen, die vor Ort mit den Anlagen leben, auch an ihnen verdienen können.

Interview: Patricia Huber

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