Rosenheim – Ein älterer Herr wütet im Sitzungssaal des Amtsgerichts Rosenheim. Ihm wird Trunkenheit im Verkehr vorgeworfen. Er soll seinen Führerschein abgeben. Das bringt den Angeklagten zur Weißglut. Das ist der Moment für Anton Gröschl einzugreifen. Mit einem Kollegen geht er auf den älteren Herrn zu. Sie reden beschwörend auf ihn ein. Daraufhin beruhigt sich der Angeklagte. Solche Situationen zu deeskalieren, war 42 Jahre lang die Aufgabe von Anton Gröschl als Wachtmeister. 25 Jahre davon als Leiter seiner Abteilung. Nun geht er in den Ruhestand – und berichtet von spannenden Erlebnissen und Veränderungen. Eine ist ihm dabei besonders gut in Erinnerung geblieben.
Wachtmeister –
ein vielfältiger Beruf
Es war der 11. Januar 2012. Ein Angeklagter erschoss im Dachauer Amtsgericht während einer Verhandlung einen Staatsanwalt. Eine Einlasskontrolle hatte es zu diesem Zeitpunkt in dem heutigen Ausmaß noch nicht gegeben. Besucher wurden bis dahin nur stichprobenartig kontrolliert. Doch die Tat in Dachau machte die Dringlichkeit von umfassenden Sicherheitsmaßnahmen deutlich. Seit dem 1. Februar 2012 liegt die Hauptaufgabe der Wachtmeister deshalb in der Kontrolle der Besucher des Amtsgerichts. Und wenn es vom Richter gewünscht wird, ist ein Wachtmeister auch während einer Sitzung dabei.
Doch es gibt nicht nur solch lebenswichtige Aufgaben im Amtsgericht Rosenheim. Eigentlich ist die Berufsbezeichnung „Wachtmeister“ längst überholt. Denn neben der Sicherheit sind die Multitalente auch für die Postverteilung zuständig. „Früher mussten wir nur Post stempeln und verteilen. Und auch für die Sicherheit der Akten waren wir zuständig. In Zeiten der Digitalisierung und der elektronischen Akten wird dies aber immer weniger“, sagt Gröschl. Auch seinen Job als „Briefträger“ hat der Wachtmeister gern gemacht, denn das Spannende an seinem Beruf war für ihn immer die Vielfältigkeit.
Auch technisch eine
Stütze des Gerichts
Die 17 Wachtmeister des Amtsgerichts Rosenheim kümmern sich auch um Drucker und Computer. Wenn etwas ausfällt oder kaputtgeht, sind sie zur Stelle. Nicht anders bei kleinen Reparaturen im Gebäude. „Wir sitzen nicht einfach nur rum, sondern haben viele Aufgaben zu erledigen. Wir müssen auch einigermaßen sportlich sein“, sagt Gröschl.
Was für ihn kein Problem ist. Denn Gröschl ist sportlich sehr aktiv. Und das schon immer. Begonnen hat alles mit Amateurboxen während seiner Ausbildung. Dann kamen Marathonläufe und der Radsport dazu. Bis zu seinem 50. Lebensjahr bildete er seine Wachtmeister zudem im Training aus. Denn regelmäßiges Einsatztraining steht ebenfalls auf dem Dienstplan. „Wir müssen uns verteidigen können, wenn mal eine Randale im Sitzungssaal oder in der Eingangshalle ist“, sagt der 64-Jährige. Heutzutage habe sich der Umgangston im Amtsgericht „gewaltig verändert“. Schon beim Einlass fangen viele Menschen an zu schimpfen oder zu diskutieren. „Ab und zu müssen wir eingreifen und den ein oder anderen auch mal rausschmeißen“, sagt Gröschl. Vor allem die Reichsbürger seien oft negativ eingestellt.
Rückblick auf eine
spannende Karriere
Doch Gröschl denkt rückblickend eher an die netten Leute. „Das Besondere an diesem Beruf ist, dass wir mit vielen Leuten zusammenkommen“, sagt er. Für die Zukunft wünscht er sich, dass noch mehr Frauen den Weg in den Beruf finden. Unter den 17 Wachtmeistern seien bislang nur fünf Frauen vertreten. Nach 42 Dienstjahren blickt Anton Gröschl auf eine spannende Karriere zurück. Und dabei hatte er ganz andere Pläne.
Nach der Schule machte er eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker. Ein Jahr später fuhr er Kies mit dem Lastwagen aus. Bei seinem Hobby, dem Amateurboxen, lernte er einen Justizwachtmeister kennen. Dieser überredete Gröschl dann, zum Amtsgericht Rosenheim zu wechseln. Es wurden über vier Jahrzehnte daraus.
Nach dem Beruf noch
mehr Zeit für Sport
Die lobenden Worte von der Direktorin des Amtsgerichts Rosenheim, Anja Kesting, hat sich Wachtmeister Gröschl also mehr als verdient. „Ich bin sehr stolz auf unsere Wachtmeister. Und ich hätte mir gewünscht, mit Herrn Gröschl zusammen das 50. Dienstjubiläum zu feiern. Seine Arbeit hier war für niemanden selbstverständlich“, sagt sie. Als Leiter koordinierte Gröschl die Arbeitspläne seiner Wachtmeister, stand im Austausch mit der Verwaltung und versuchte, seine Leute bei Laune zu halten. „Ich bin gerne zur Arbeit gegangen, es war immer sehr schön“, sagt er.
Doch über den Ruhestand freut sich der 64-Jährige auch. Wegen seines Berufs zog Gröschl nach Rosenheim. Nun lebt er in einem Haus in Rott. Dort seien noch einige Reparaturen zu erledigen. Und auch dem Sport will er sich nun wieder voll und ganz hingeben. Mit wütenden Menschen wird er dann hoffentlich nichts mehr zu tun haben.