Mehr als ein „überbezahlter Halbtagsjob“

von Redaktion

An Bayerns weiterführenden Schulen fehlt es an Lehrkräften. Und der Mangel wird sich Prognosen zufolge noch massiv verschärfen. Daher wirbt nun ein Botschafter-Team bei Schülern in der Region für das Lehramtsstudium.

Rosenheim – „Lehrer sein ist wie Bundestrainer zu sein – alle wissen es immer besser“, sagt Lorenz Reichenbach. Er ist Lehrer am Karolinen-Gymnasium in Rosenheim, vor dessen zwölfter Jahrgangsstufe er jetzt spricht. „Lehrer zu sein ist doch nur ein überbezahlter Halbtagsjob“, ergänzt seine Kollegin Inna Fieger von der Mittelschule Eiselfing. Es sind zwei von zahlreichen Klischees, die sich Lehrkräfte regelmäßig anhören müssen. Doch was bedeutet Lehrersein wirklich? Diese Frage möchte ein Botschafterteam aus fünf Lehrkräften aus der Region den Gymnasiasten näher bringen.

Mit dem bayernweiten Projekt „Vor Ort Zukunft prägen. Lehrer/-in werden!“ möchte das bayerische Kultusministerium dafür sorgen, dass sich Abiturienten wieder mehr für den Lehrberuf interessieren – und sich möglicherweise sogar für ein Studium entscheiden. Hintergrund ist der prognostizierte Mangel an Lehrkräften an allen weiterführenden Schularten. Daher stehen bei den Infoveranstaltungen fünf Lehrkräfte aus der Region als Botschafter zur Verfügung. So soll den Schülern die unterschiedliche Arbeit an Gymnasium, Realschule, Mittelschule, Förderschule und der beruflichen Schule näher gebracht werden.

Dabei wird aber nicht nur auf Vorteile des Berufs, wie etwa die Flexibilität oder die Teilzeitmöglichkeit, eingegangen. Auch Herausforderungen wollen die Lehrkräfte nicht verschweigen. Schließlich müssen Lehrer vielen Erwartungen gerecht werden – und auch auf die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Schüler eingehen. „Man muss viele Tätigkeiten unter einen Hut bekommen“, macht Reichenbach deutlich. Nachdem die grundsätzlichen Informationen zum Lehrberuf erklärt wurden, darf jeder Lehrer noch einmal seine Schulart vorstellen. Als Christina Dörner über ihre Arbeit an der Realschule spricht, merkt man, wie sehr sie für ihren Beruf brennt. „Die Realschule ist das Goldstück unter den Schularten“, sagt sie und sorgt bei ihren Kollegen damit für ein Schmunzeln.

Aber auch Inna Fieger kann die Begeisterung für ihren Job den Schülern ganz klar nahebringen. „Ich bereue keinen Tag, dass ich vom Gymnasium zur Mittelschule gewechselt bin. Bei mir sieht man das Kind als Ganzes“, sagt sie. Zudem erklären die Lehrerinnen und Lehrer, wie das Studium für ihren Beruf abläuft, welche Möglichkeiten es gibt und wie sich jeder individuell spezialisieren kann.

Schulen benötigen
dringend Personal

Am größten ist die Vielfalt wohl bei der Schulform, die Johann Wiedmann den Schülern vorstellt. An der Berufsschule gibt es schließlich zahlreiche handwerkliche Berufe, die dort gelehrt werden. Hier steht auch die Praxis stark im Fokus. Nach den Präsentationen blieb noch Zeit für den persönlichen Austausch mit den Schülern. Die Fragen sind dabei breit gefächert. Von Möglichkeiten einer Arbeit im Ausland bis hin zur Verbeamtung. Doch nicht alle konnte die Infoveranstaltung jetzt für den Beruf begeistern. „Nein, also ich möchte wirklich keine Lehrkraft werden“, sagt Henri Holtz im Nachgang. Der Zwölftklässler hat bereits einen Plan für seine Zukunft. „Ich bin kein großer Fan vom Schulwesen und möchte auf jeden Fall in die Wirtschaft. Ich möchte international unterwegs sein und eher in die Selbstständigkeit“, sagt er. Doch für andere hat sich durch die Präsentation ein Plan B – oder vielleicht sogar ein Plan A – eröffnet. „Realschule und Gymnasium könnte ich mir tatsächlich halbwegs vorstellen. Dabei würde ich dann in Richtung Informatik gehen. Das wäre allerdings dann eher Plan B, da ich momentan ein Informatikstudium ins Auge gefasst habe“, sagt der Zwölftklässler Robert Zeitter. Besonders beim Realschullehramt habe er nun ein paar neue Einblicke gewinnen können.

Insgesamt werden die fünf Lehrkräfte an fünf verschiedenen Schulen in der Region ihren Beruf bewerben. Und das ist auch dringend nötig. Denn an den Schulen wird das Personal händeringend gesucht, wie auch Karo-Schulleiterin Sigrid Rechenauer bestätigt. „In Hochphasen hatten wir sieben bis acht Referendare an der Schule. Heute haben wir keinen einzigen.“

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