Rosenheim – Eine Mutter von fünf Kindern steht vor dem Spiegel und weint. Sie will den Blick nicht mehr abwenden. Seit längerer Zeit fühlt sie sich wieder schön und weiblich. Es ist noch nicht lange her, da wurde ihr eine Brust abgenommen, denn sie hatte Brustkrebs. Mit nur einer Brust fühlte sie sich nicht mehr wohl. Dank Barbara Buisset hat sich das nun geändert. Die Rosenheimerin reist in ärmere Länder Europas und spendet Brustprothesen und die zugehörigen BHs.
Buisset arbeitete viele Jahre als Krankenschwester. Sie besuchte Seminare rund um das Thema Brustkrebs. In vielen Ländern sei dies immer noch ein Tabuthema, sagt sie. Buisset will dieses Tabu brechen. Erreichen will sie das zusammen mit der Firma „ABC Breast Care“ in Neubeuern.
Umarmungen und
Küsse aus Dankbarkeit
Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen Brigitte Stickling und Rosi Stehböck hilft Buisset Frauen, die bei einer Brustkrebs-Operation eine oder beide Brüste abgenommen bekommen haben. Für die Frauen stellen sie kostenlos passende Prothesen und BHs zur Verfügung. Für Buisset ist diese Arbeit etwas Besonderes. „Es sind Erlebnisse, die ich kaum beschreiben kann. Aber wenn wir von den Frauen umarmt oder geküsst werden, dann motiviert uns das“, sagt sie. Seit 15 Jahren ist sie nun schon Teil des Teams. Zu Beginn hielt sie Seminare und klärte über die Krebserkrankung auf. Doch mit ihren 80 Jahren wollte sie „etwas kürzertreten“. Und das bedeutet bei ihr, nur noch die Spendenaktionen in den verschiedenen Ländern zu organisieren und vor Ort zu helfen. „Wir reisen in Länder, wo die Versorgung rund um Brustkrebs überhaupt nicht oder nur zum Teil gewährleistet wird“, sagt Buisset.
2019 führte die drei Frauen ihre erste Reise in den Kosovo. Zwei Jahre später ging es für sie nach Albanien und ein Jahr später nach Bulgarien. Während der Corona-Pandemie waren weitere Einsätze nicht möglich. Erst 2023 ging es erneut nach Albanien. Ihre jüngste Reise führte sie im Februar dieses Jahres in die Hauptstadt Nordmazedoniens, Skopje. Dort sahen sie sich mit vielen Herausforderungen konfrontiert.
Schon den ersten Abflugtag mussten die Frauen verschieben. Die Zollbeamten in Mazedonien wollten die Pakete mit den Prothesen nicht freigeben. Erst nach einiger Zeit konnte alles geregelt werden und die drei Frauen saßen im Februar endlich im Flieger nach Skopje. Damit aber nicht genug: „Die Pakete waren in einem furchtbaren Zustand. Einige Kartons waren beschädigt und als wir sie aufmachten, waren einige Prothesen mit einem Kugelschreiber angemalt“, erzählt Buisset.
Betroffene fühlen
sich verstanden
In Mazedonien, so weiß sie, suchen betroffene Frauen meist zu spät einen Arzt auf. Zwar gebe es seit Kurzem die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Mammografie untersuchen zu lassen, doch die meisten würden diese Untersuchung nicht wahrnehmen. „Die Frauen sind bei diesem Thema noch sehr verhalten“, sagt Buisset. Das kann ihre Kollegin Brigitte Stickling bestätigen. „Ich hatte eine Frau, die wurde erst vor einem Monat operiert. Als sie den BH mit der Prothese anprobierte, fing sie an zu weinen“, erinnert sich Stickling. Der Mann und die drei Söhne der Frau hätten nicht verstanden, dass sie sich ohne Brüste nicht wohlgefühlt habe. Die Frau habe auch niemanden zum Reden gehabt. Das erste Mal habe sie sich dann vom Team um Barbara Buisset verstanden gefühlt. „Es ist uns wichtig, dass nicht nur die äußeren Wunden versorgt werden, sondern auch die seelischen“, sagt Stickling.
Brustimplantate oder der Wiederaufbau der Brust durch eigenes Gewebe sind in Deutschland und USA bekannt. In ärmeren Ländern ist das eher eine Seltenheit. Außerdem haben viele Frauen Angst vor weiteren Operationen oder können sich dies auch nicht leisten. Die externen Prothesen sollen den Frauen dabei helfen, ihr Selbstwertgefühl zu steigern. So war es auch bei den 80 Frauen, die in Mazedonien zusammenkamen. „Man spürt direkt die Solidarität zwischen den Frauen“, sagt Buisset.
Nicht immer ist
Hilfe möglich
Doch nicht immer ist es möglich, den Frauen zu helfen. Für die Organisation schließt sich Buisset mit der Europa-Donna-Vereinigung zusammen. Das ist eine Frauenselbsthilfegruppe für Krebserkrankungen. In vielen Ländern hat sie eine Niederlassung. Doch nicht von jeder Gruppe erhält sie eine Rückmeldung auf ihre Anfragen. Auch bei der Organisation der Reisen kommt Barbara Buisset oft an ihren Grenzen. Trotzdem weiß sie ganz genau, warum sie ihren Beruf immer noch macht. „Eine Frau aus Mazedonien ist nach ihrer Versorgung zur Deutschen Botschaft gegangen und hat sich für die Hilfe bedankt“, sagt Buisset. An diesen Moment erinnert sich die 80-Jährige gerne. Auch für Brigitte Stickling ist diese Arbeit etwas Besonderes. Sie hat die Leitung der Seminare übernommen. In Deutschland und Europa klärt sie nun über Brustkrebs auf und zeigt, wie die Prothesen richtig angelegt werden. Bis zu 600 Seminare hält sie im Jahr. „Die offene Kommunikation über das Thema ist uns sehr wichtig“, sagt Stickling.
Für die Zukunft wünschen sich die drei Frauen, noch mehr helfen zu können. Im Jahr versuchen sie, ein- bis zweimal in andere Länder zu reisen. Außerdem wollen sie gezielt in ländliche Gegenden reisen, denn dort ist die Gesundheitsversorgung meistens schlechter. Auch der Geschäftsführer von „ABC Breast Care“, Clemens Rechenberg, ist zufrieden mit der Arbeit der Frauen. „Das ganze Projekt steht und lebt mit den drei Frauen. Sie haben Spaß und Freude an dieser Arbeit und das macht diesen Beruf so besonders“, sagt er.