Rosenheim – Der Münchner Schriftsteller Peter Grandl, der auch immer wieder für Lesungen in Rosenheim zu Gast ist, war lange nur einer kleinen Zuschauerschaft bekannt. Jetzt hat Grandl ein weiteres Buch geschrieben und kommt im April damit nach Raubling. In dem Werk „Höllenfeuer“ geht es um einen Giftgasanschlag in München, der weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Demokratie hat.
Wie wahrscheinlich ist ein großer Anschlag in Deutschland?
In meiner Geschichte wird ganz München unter Quarantäne gestellt. Es kommt niemand mehr raus, es kommt niemand mehr rein. Dieses Szenario ist nicht erfunden, sondern das ist das Ergebnis meiner Recherchen bei verschiedenen Behörden. Denen habe ich genau dieselbe Frage gestellt und ob wir darauf vorbereitet wären. Ihre Antworten waren erschreckend nüchtern. Sie sagten „Wir gehen davon aus, dass so etwas eines Tages passieren könnte, wir wissen nur noch nicht wann und wo, aber wir sind darauf vorbereitet.“
Woher kommt der Name „Höllenfeuer“?
Das ist ein Ausdruck aus einer Sure des Korans, also einem Vers. Der Vers lautet wortwörtlich: „Die Unseligen werden dann im Höllenfeuer sein, wo sie laut aufheulen und hinausschreien“. Mit den Unseligen sind Ungläubige gemeint. Genau denen gilt der Zorn der Extremisten, die sich durch diesen Vers im Koran bestätigt fühlen. Als Buchtitel ist es eine Metapher – es geht also nicht wirklich um ein großes Feuer im Roman. Das Höllenfeuer ist im Ansatz vergleichbar mit dem christlichen Fegefeuer.
Welche Rolle spielt der Glaube in dem Buch?
Wir Christen und auch viele andere Religionen haben diese Vorstellung, dass Sünder oder Ungläubige in die Hölle oder Ähnliches kommen. Diese Vorstellung wurde schon oft missbraucht, etwa bei den Hexenverfolgungen im Mittelalter. Darum geht es in dem Buch, der Glaube wird sehr oft instrumentalisiert, um Menschen gefügig zu machen, um seinen eigenen Status zu bewahren oder mächtiger zu werden.
Also wird der Glaube überwiegend kritisch gesehen?
Nicht unbedingt – der Glaube hat absolut seine Berechtigung, viele Gläubige werden dadurch auch bessere Menschen. Deswegen habe ich in meinem Roman auch Figuren wie etwa einen muslimischen Rettungssanitäter, der als Flüchtling nach Deutschland kam. Er widmet dann sein Leben der Rettungshilfe, weil er dem Land, das ihn aufgenommen hat, etwas zurückgeben möchte. Also eine ganz positiv besetzte muslimische Figur. Mein Roman ist keine Geschichte gegen Muslime oder Religion selbst, sondern eine gegen Extremismus im Allgemeinen.
Sie selbst wurden von Ihrer Familie mit rechten Ansichten geprägt. Wie kam es dann dazu, dass Sie jetzt Bücher gegen Nazis und gegen Extremisten schreiben?
Meine Großeltern waren Nationalsozialisten und das hat auch die Erziehung meiner Eltern stark beeinflusst. Als Jugendlicher hat mir mein Vater gesagt: „Bring mir ja keine Türkin mit heim.“ Meine Großeltern waren noch extremer. Mein Großvater hat sogar noch nach dem Krieg einen jüdischen Mitbürger aus der fahrenden Straßenbahn geworfen, weil er nicht im gleichen Abteil sitzen wollte, wie ein Jude. Dafür ist er dann auch verurteilt worden. Das war der Grund, dass ich angefangen habe zu hinterfragen, was ich wie selbstverständlich von zu Hause beigebracht bekommen habe. In der Schule habe ich dann eine Band gegründet. Unser Schlagzeuger hatte eine dunkle Hautfarbe, und wir hatten einen türkischen Gitarristen. Plötzlich war die Welt ganz bunt. Da fragte ich mich: Was für einen Blödsinn hast du da zu Hause gelernt? Zu Hause gab es dann große Auseinandersetzungen, besonders mit meinem Vater, weil ich plötzlich anfing, unangenehme Fragen zu stellen.
Was sagt Ihre Familie heute zu Ihren Büchern?
Mein Vater hat „Turmschatten“ nie gelesen, weil wir da zu dem Zeitpunkt schon keinen Kontakt mehr miteinander hatten. Und er ist dann kurz nach Erscheinen des Buches verstorben. Ich habe zu seinen Lebzeiten versucht, den Kontakt zu ihm wieder aufzubauen, aber das Verhältnis war bereits zu zerrüttet. Meine Mutter ist gemäßigt in ihren Ansichten, sie liest meine Bücher und mit ihr habe ich bis heute einen guten Kontakt. Ich glaube, ihre Generation war eine, da hat der Vater noch bestimmt, was gemacht wird. Da gab es auch noch Schläge, wenn das Kind schlechte Schulnoten heimgebracht hat. Also das war alles sehr patriarchal. Das hat sich sofort in Luft aufgelöst, in dem Augenblick, wo der Patriarch auch nicht mehr da war.
Ist es seitdem toleranter geworden bei Ihnen in der Familie?
Ja, vor allem durch meine Söhne, die sind ja auch in einem ganz anderen Geist erzogen worden als ich. Sie sind in gewisser Weise auch Botschafter – ich finde es spannend, was sie vom Freundeskreis, von der Uni, von den Schulen mit nach Hause bringen. Das sind Ansichten, wo auch ich ständig dazulernen muss, gerade was Diversität anbelangt, da sind die jungen Menschen viel weiter. Ich bin viel in Schulen, für die Initiative „Schule ohne Rassismus“ und „German Dream“ und rede da mit den Jugendlichen unter anderem über Rassismus. Ich habe manchmal den Eindruck, ich lerne mehr von den Schülern, als sie von mir.
Was halten Sie denn von den Demos gegen rechts?
Ich finde sie großartig. Allerdings zeigen die ersten Statistiken und Umfragen, dass die Mitgliederzahl der AfD viel schneller steigt, seit es die Demos gegen rechts gibt. Da dreht sich mir der Magen um. Man hat ja dieses Bild von den Menschenaufläufen in den Großstädten und Städten. Wir vergessen, dass die Bilder bloß Ausschnitte der Gesellschaft zeigen und nicht ganz Deutschland. Da habe ich inzwischen echt Angst vor den Wahlen.
Dieses Jahr kommt eine Paramount-Serie Ihres Bestseller-Buches „Turmschatten“ heraus. Das Drehbuch haben Sie selbst mitgeschrieben. Was waren die Herausforderungen?
Mir war wichtig, dass ich die künstlerische Kontrolle noch habe. Aber das ist unglaublich schwer. Denn es gibt keinen Roman, der sich wirklich eins zu eins verfilmen lässt. Also muss man Dinge ändern. Und das ist für mich immer eine Herausforderung. Manche Änderungen waren zwar wichtig und notwendig, aber sie haben mir schon das Herz aus der Brust gerissen. Aber dann schlägt halt statt dem Schriftstellerherz das Herz des Drehbuchautors. Und letzten Endes bin ich mit dem Ergebnis trotzdem zufrieden.
Wann kommt die Serie heraus?
Wenn alles gut geht, dann im Herbst. Die Optionen für die Fortsetzung „Turmgold“ sind ebenfalls bei Paramount gelandet. Wenn „Turmschatten“ erfolgreich läuft, könnte eineinhalb Jahre später eine Nachfolgestaffel kommen.
Worum geht es in dem Roman, an dem Sie gerade schreiben?
Mein nächster Roman dreht sich um moderne Kommunikationsmittel, aber auch der Amateurfunk wird darin eine große Rolle spielen. Bei meinen Recherchen habe ich zum Beispiel erfahren, dass sich diese Szene sogar ihre eigenen Satelliten baut und ins Weltall bringt – kein Witz. Das ist das Schöne, dass man bei jedem Thema so viel dazulernen kann. Die Handlung der Geschichte ist im Kern fertig. Aber das Ganze mit Leben zu füllen und auch mit Authentizität, das ist die große Herausforderung, dabei helfen mir die Recherchen.
Was möchten Sie den Lesern mitgeben?
Wir sollten nicht denken: „Die Demokratie wird es schon richten.“ Das tut sie nicht. Es gibt dieses berühmte Zitat 1930 von Hitler, der gesagt hat: „Wir werden auf verfassungsmäßigem Wege die ausschlaggebenden Mehrheiten erhalten… um in dem Augenblick, wo uns das gelingt, den Staat in die Form zu gießen, die unseren Gedanken entspricht.“ Ähnliches droht uns heute wieder. Deshalb bitte ich jeden, wählen zu gehen. Beim Brexit war sich auch jeder sicher, dass die meisten in der EU bleiben wollen. Und dann hat eine Minderheit die Mehrheit der Stimmen ausgemacht. Leute, geht zur Wahl.
Interview: Cordula Wildauer